Mein Problem bei gefestigtem Aggressionsverhalten und Abbruch mit Leinenruck ist halt, dass ich denke, der Hund verliert die Aggressivität gegenüber anderen Hunden nicht. Er unterbricht das eingeübte Verhalten nur und verfestigt es, zumindest biologisch, mit jedem Mal weiter.
Das glaub ich nun allerdings nicht. Wenn der Hund das Verhalten abbricht, kann er es nicht verfestigen. Auch "biologisch" nicht.
Das widerspricht sich irgendwie.
Ich glaube, die Gefahr der biologischen Verfestigung, die hier allerorten beschworen wird, die tritt ein, wenn das Verhalten eben nicht rechtzeitig abgebrochen wird, oder der Versuch (warum auch immer) scheitert. Dann wirkt der unsachgemäße Abbruch verstärkend, weil die Einwirkung, die Hinderung oder sogar den Schmerz eben die Situation für den Hund noch verschlimmern.
Ich hab nun beides schon mehr oder weniger unfreiwillig mitgemacht und denke heute, dass ein großer Teil von Garris sehr extremer Reaktion auf andere Hunde neben meiner eigenen Unzulänglichkeit (die ich absolut nicht verschweigen oder schönreden will), auf die mangelhaften Versuche des "Verhaltensabbruchs" durch die Trainer, an die ich mich zuerst gewendet hatte, zurückzuführen sind.
Dadurch wurde in der Tat alles immer schlimmer.
Heute (auf einem ganz anderen Stresslevel, mit mehr Ruhe und Umsicht meinerseits) gibt es dagegen Situationen, in denen ein Abbruch ein wirklicher Abbruch ist. Im Sinne des Wortes. Ohne dass es zu einem Triebstau kommen würde.
In dieser Situation besteht für gewöhnlich keine konkrete Gefahr, der Abstand ist groß. Sie wird bei guter Tagesform vom Hund auch ohne Einwirkung gemeistert. (Ich sag mal: Kleiner Hund auf > 15 m).
Es kann aber auch vorkommen, dass ihm das ganze aus irgendeinem Grund unheimlich ist. Er versucht dann immer wieder hinzusehen und wird unruhig.
Jetzt hab ich zwei Möglichkeiten: Ignorieren, weitergehen, dem Hund die Wahl überlassen, keinen Druck machen.
Folge: Hund guckt immer wieder, immer länger, rennt mir vor die Füße, stellt sich irgendwann quer und beginnt, sowie er sich davon überzeugt hat, dass das ganze bedrohlich ist (und das passiert IMMER), lauthals schreiend in die Leine zu springen. Der zieht sich richtig daran hoch und ist, wenn man ihn vom Ort ges Geschehens mehr oder weniger sanft entfernt, noch minutenlang völlig fertig mit sich und der Welt. Hechelt, zittert, kann sich nicht konzentrieren, rennt immer wieder in die Leine und steht voll unter Strom bzw. Adrenalin.
Kommt in so einer Situation - wenn der Hund also beginnt, etwas merkwürdig zu finden, von dem wir uns eigentlich entfernen oder das nicht im kritischen Bereich ist, ein "Nein!" + Leinenruck in die richtige Richtung + Kommando "Weiter!", muss ich das eventuell noch einmal wiederholen, und habe dann einen brav bei Fuß gehenden Hund, der das Treiben in weiter Ferne ignoriert, nicht hechelt, nicht zittert, sondern brav seiner Wege geht.
Das ist mEn ein "Abbruch". Die Verhaltensschleife, die zur Adrenalinausschüttung führt,
findet nicht statt!
Und damit verfestigt sich auch nichts. Kann es nicht.
Meine Trainerin sagte mir neulich mal, ich sollte dem Hund nicht schon immer "Nein!" sagen, bevor ich überhaupt wüsste, was er machen will, er müsse selbstständig das erwünschte Verhalten zeigen.
1. weiß ich ziemlich genau, was er machen will (das seh ich schon daran, wie er das eine oder andere Ohr stellt - kein Witz...)
und 2. hat "dem Hund die Entscheidung überlassen und das Verhalten erst unterbinden
wenn es auftritt" genau den verfestigenden Effekt, von dem hier geredet wird.
Ich kann nur für meinen Hund sprechen, und der ist sicher nicht der Durchschnitt, aber ich denke, du kennst aus dem TH auch genügend ähnliche Kandidaten.
Wenn das Verhalten erstmal
auftritt, ist es so gut wie nicht mehr zu unterbinden. Und jede Form der "Strafe" (Leinenruck und Nein, wenn Hund vorspringt) wirkt zumindest in dem Moment aktivierend und verstärkend. - Der hat ja gerade durch sein eigenes Vorspringen beschlossen, den notwendig darauf folgenden Ruck (der allein durch das Vorspringen entsteht), billigend in Kauf zu nehmen.
Einwirken muss man
vorher. Wenn der Hund noch
ansprechbar ist.
Und dann, wie gesagt, verfestigt sich auch nichts, weil das Verhalten einfach gar nicht erst abläuft.
Wie man einwirkt - Ablenkung durch Leinenruck/ Alternativkommando oder Futter, Spielzeug, anderes Kommando, Zug am Halti, um Hund zum HF hinzuwenden ist dann ganz egal. Das Ergebnis ist (wenn Aktion erfolgreich ausgeführt) dasselbe: Die adrenalinausschüttende Schleife findet nicht statt.
Darum ist aber das Alternativkommando / ne alternative Aktion nach meinem Empfinden ganz wichtig. Der Hund muss den Impuls, etwas zu tun (den er auf jeden Fall hat - nur die Reaktionskaskade, die jetzt folgen soll, ist gerade im Aufbau abgesoffen) irgendwie umsetzen können, sonst staut sich tatsächlich irgendwas.
Immer nur "Nein, Nein, Nein" mit Ruckruckruck macht den Hund immer kürzer und seine Geduld auch, wie ne Feder. Irgendwann ist die Kapazität erschöpft und das ganze springt auseinander.
(Wenn man Glück hat, nicht einem selbst ins Gesicht, aber sicher ist das keineswegs.)
Ich hoffe, das klingt nicht zu konfus hier.
Liebe Grüße,
Lektoratte