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Der Artikel ,Kampfhunde in Deutschland: Die Endlösung?' ist erstmals im
Journal Franz Weber No. 55, 1. Quartal 2001 erschienen. Wir publizieren
diesen aufrüttelnden Artikel mit freundlicher Genehmigung der Schweizer
Umweltschutz-Organisation Fondation Franz Weber.
Das vierteljährlich publizierte Journal Franz Weber können Sie unter
folgender Internet-Adresse abonnieren:
@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@
Kampfhunde in Deutschland
Die Endlösung?
Von Alika Lindbergh
Unglaublich, aber wahr - und wäre es nicht mit Verzweiflung, Leiden und
Tod verbunden, könnte man meinen, es sei ein Gag: In Deutschland wird zur
Zeit die Vernichtung sämtlicher so genannter "Kampfhunde" vorbereitet,
einschließlich harmloser Bastarde, denen man irgendeine, wenn auch
imaginäre, Verwandtschaft mit den großen Fleischerhunden nachsagt. Und
dies bis zur völligen Ausmerzung ihrer Rassen. (Wobei die allgemein
verwendete Bezeichnung "Rasse" natürlich ungenau ist; wir werden sie
jedoch notgedrungenermaßen verwenden, um Mißverständnisse zu vermeiden.)
American Staffordshire Terrier, American Pitt Bull Terrier, Bull Terrier,
American Bulldog, Bandog, Bullmastiff, Bordeaux-Dogge, Argentinische
Dogge, Fila Brasileiro, Kangal (oder Karabash), Kaukasischer Owtscharka,
Mastiff, Spanischer Schäferhund, Neapolitanischer Schäferhund, Tosa Isu:
Die Liste ist nicht vollständig, sind doch in gewissen Gegenden noch
andere Rassen im Visier der Hundefeinde, die sich eine so gute Gelegenheit
nicht entgehen lassen wollen, Geschöpfe aus der Welt zu schaffen, die
ihnen ein Dorn im Auge sind. 42 Rassen stehen auf der Abschußliste, sind
zur Vernichtung, wenn nicht zur totalen Ausrottung verurteilt. Alles in
allem die Endlösung.
Die Regierung verbreitet die Idee, die Besitzer solcher Hunde seien samt
und sonders kriminelle Asoziale, und die Medien wiederholen diese
skandalöse Lüge im Chor, verbreiten blinden Haß und kollektive Hysterie.
Somit kann nun jeder einfältige Beamte, blind der Disziplin gehorchend,
schon auf bloße Vermutung oder Denunzierung hin bei jedem beliebigen
anständigen Bürger eine Kontrolle durchführen und ohne Durchsuchungsbefehl
dessen vierbeinigen Kameraden beschlagnahmen, und sei es auch der einzige
Freund, den er noch hat.
In Hamburg ist für 2 Millionen Mark ein Schlachthaus zur Gefangenhaltung
und Tötung von Zehntausenden von Hunden eingerichtet worden, denen zuvor
der Buchstabe G für "Gefährlich" auf Ohr oder Schenkel tätowiert wurde.
Das gleiche G oder eine Tafel mit der Aufschrift "Gefährlich" in grellem
Rot ist an den Mauern oder den Türen von Privathäusern angebracht, in
denen diese Unglücklichen auf die Hinrichtung warten müssen.
Was unterscheidet diese Tiere, die nur zu "Kampfhunden" werden, wenn
brutale Menschen sie dazu abrichten, sich gegenseitig zu zerfleischen oder
auf Befehl anzugreifen - was unterscheidet sie von Polizei- oder
Armeehunden, die mit fletschenden Zähnen auf Feinde losgehen und Übeltäter
in Schach halten und dafür ausgezeichnet werden, außer daß ihre "Meister"
nicht auf der gleichen Seite stehen? Alle die Unzähligen aber, die nicht
in die Hände krimineller Menschen gefallen sind, treue Gefährten von
Kindern, von einsamen alten Menschen, von Familien, die sie lieben -
welche Gemeinheit ist es doch, sie zu Sündenböcken der wachsenden
allgemeinen Unsicherheit zu machen - sie, die nur für uns leben, sie, die
ihr Leben geben würden, um uns zu beschützen!
Das Hamburger Vernichtungslager - genauso wie andere in ganz Deutschland
eingerichtete - rühmt sich höchster Effizienz: Ein Eisenbahngleis führt
direkt zum einzigen Eingang, und dank seinem Standort nahe der Elbe lassen
sich die Kadaverteile diskret entsorgen.
Eine gezielte Propaganda hat die öffentliche Meinung auf diese
Vernichtungswelle vorbereitet, und die von den Behörden erlassenen Befehle
richten sich in genauer Kenntnis der Sachlage an ein disziplinbesessenes
Volk. In Tat und Wahrheit wird der ganzen verborgenen Grausamkeit des
Menschen und all seinen versteckten und unterdrückten Haßgefühlen ein
willkommener Anlaß zum Ausbruch und freien Lauf in aller Legitimität
geboten. Die Bevölkerung wird gar dazu angehalten, bei Freunden, Nachbarn,
Verwandten usw. vorhandene große und starke Hunde anzuzeigen, als ginge es
dabei um einen staatsbürgerlichen Akt gesellschaftlicher Säuberung.
Natürlich sind viele Deutsche entsetzt und versinken in Scham ob dem, was
unweigerlich und mit plastischer Deutlichkeit an die Methoden anderer
Massenvernichtungen erinnert; und diese Bürgerinnen und Bürger sind es,
die an die internationale Meinung appellieren.
Befassen wir uns zuallererst einmal mit dem sattsam bekannten Gemeinplatz,
der immer dann zu hören ist, wenn Tiere leiden und sich eine Parallele zu
Menschen aufdrängt: "Das läßt sich nicht vergleichen - es sind ja nur
Tiere! Es ist unanständig, das Leiden von Tieren mit dem Leiden von
Menschen in Zusammenhang zu bringen."
Wie die Leser des Journals wissen, hat die Fondation Franz Weber diese Art
von Diskriminierung nie akzeptiert. Immer hat sie betont, daß es im
Bereich des Mitgefühls keine Prioritäten geben kann. Mitgefühl kennt keine
Beschränkungen hinsichtlich Klassen, Rassen oder Arten. Mitgefühl ist
unteilbar wie das Leben selbst. Das verkennt unsere westliche Gesellschaft
ganz offensichtlich, wenn sie das Wenige, das den Tieren widerwillig
gewährt wird, gegen das Viele abwägt, das dem Menschen "von Amtes wegen"
zusteht. Das Leiden jedes fühlenden Wesens, vom Menschen bis zum Frosch,
berührt den wahren Altruisten gleichermaßen. Die Volksweisheit sagt: "Wer
Tiere liebt, liebt Menschen." Genauer müßte es heißen: "Wer die Tiere
wahrhaft liebt, liebt auch wirklich die Menschen."
Leute, die protestieren (oft nur aus Anpassertum), und sogleich das
menschliche Elend ins Feld führen, wenn andere sich der Not der Tiere
erbarmen, leiden an seelischem Geiz oder sind Opfer einer engstirnigen,
anthropozentrischen Erziehung, die um Lichtjahre entfernt ist von allem,
was uns mit den übrigen Lebewesen verbindet. Wer ungerührt zusehen kann,
wie ein gemeiner Pöbel die geliebte, sanftmütige Dogge einer alten Dame
vor ihren Augen lebendig verbrennt, ist zweifellos auch imstande, wenn es
die Umstände (rassistische Propaganda, politische oder religiöse Parolen)
gestatten, bei der Folterung von Menschen, die man ihm als schädlich
bezeichnet hat, zuzusehen oder mitzutun. Es handelt sich um eine von
Anfang an pervertierte, der formbaren Kinderseele eingeprägte Denkart; es
ist die unselige Idee, daß alle Lebewesen, die anders sind als wir, "es
nicht so spüren wie wir" und daß sie, eben weil sie anders sind, weniger
wert seien und daher weniger - oder überhaupt keine - Achtung verdienten.
Das ist Rassismus! Ein Rassismus, der den Kindern durch unser Verhalten
den Tieren gegenüber eingeimpft wird.
Das Delikt der "sale gueule"
Unnötig zu sagen, daß in Deutschland die der Verdammung preisgegebenen
Hunde vom Tierschutzgesetz nicht geschützt sind. Ihre Tötung untersteht
keinen Vorschriften und Regeln. Jeder Beliebige kann heute jeden mit dem
ominösen "G" markierten Hund, selbst in Begleitung seiner Besitzer (die
ihrerseits der Lynchjustiz ausgesetzt sind), auf jede beliebige Weise
töten. Außer den zahlreichen Vergiftungen und der bei lebendigem Leibe
verbrannten Dogge, von der oben die Rede war, nehmen die Greueltaten einer
hysterischen Menge zu. So wurde ein ganz junges Mädchen, nur weil sein
Hund ein Bullterrier war, zusammen mit diesem vor den Augen seiner
entsetzten Eltern auf der Straße gesteinigt und bewußtlos auf dem Trottoir
zurückgelassen.
Die Wut der "Rechtschaffenen" kennt keine Grenzen mehr, zumal sich die
Zahl der inkriminierten Hunderassen in gewissen Bundesländern nicht einmal
auf die 16 vorgenannten beschränkt. In Nordrhein-Westfalen stehen 42
Rassen auf der schwarzen Liste, 13 davon in der ersten Kategorie. Warum
nicht gleich eingestehen, daß man es auf alle Hunde abgesehen hat.
Das bedeutet, daß mindestens 60 % der Hundebesitzer und ihre Vierbeiner
dem Volkszorn, beziehungsweise den Henkern der Hundeschlachthäuser
ausgeliefert sind!
Zweifellos sind es sogar noch mehr als 60 %, haben es doch einige
Besessene selbst auf Bastarde abgesehen, auf den bloßen Verdacht hin, daß
auch nur ein paar Tropfen Blutes einer der verteufelten Rassen in ihren
Adern fließe. Es genügt, daß ein Hund etwas mehr als 40 cm Widerristhöhe,
einen großen Kopf mit vage aufgestülptem Fang und ein Mindestgewicht von
20 kg aufweist - schon wird er beschlagnahmt und hingerichtet. Mit einem
Wort: Er bezahlt den Preis dafür, daß der Gesellschaft "seine Visage"
nicht paßt.
Ein Funke genügt, um das Pulverfaß, in diesem Fall das perverse Innere des
sogenannten "zivilisierten Menschen", zur Explosion zu bringen. Unsere
Zeit ist eine Zeit der brutalen Gewalt, der Grausamkeit und des
Fanatismus. Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert -
ganz im Gegenteil.
Der Funke, der diesmal soviel Haß entfacht hat, ist ein politisches
Manöver, das man als reines Ablenkungsmanöver bezeichnen kann.
Laut unseren deutschen Korrespondenten ist die öffentliche Meinung durch
den BSE-Skandal und die Unfähigkeit der Regierung, der Kriminalität von
Neonazis Einhalt zu gebieten, aufs Äußerste erhitzt. Um ihre
Entschlossenheit zu demonstrieren, gingen die Politiker gegen die Hunde
der Skinheads vor! Auf perfide Weise setzten sie zunächst die von den
Neonazis bevorzugten Hunde mit ihren Besitzern gleich, erklärten diese
samt und sonders zu gefährlichen Asozialen und entschieden, das Beste sei
daher - wirklich und wahrhaftig! - die Ausmerzung ihrer Hunde.
Das ist natürlich einfacher und weniger riskant als die Festnahme
gewalttätiger Neonazis und anderer fanatisierter Gruppen -
terrorverbreitender Rowdies, die im übrigen mit ihren Pit-Bulls genauso
sadistisch umgehen wie mit den menschlichen Opfern ihrer Aggressionen. Man
muß wissen, daß nach den furchtbaren Kämpfen, bei denen sich halb
wahnsinnige Hunde vor den Augen einer blut- und horrorlüsternen Menge
zerfleischen, den Überlebenden die Wunden mit der Heftmaschine "zugenäht"
werden!
Die Angst vor den Skinheads, diesen psychisch Kranken, ist verständlich.
Doch auch die Hunde sind deren Opfer, vielleicht sogar die am meisten zu
bedauernden. Wie dem auch sei - mit der Vernichtung der Hunde läßt sich in
den Augen der politischen Manipulatoren die verängstigte Öffentlichkeit
mit einem Trostpflaster abspeisen und von der wirklichen Unsicherheit und
deren wahren Urhebern ablenken.
Nacht-und-Nebel-Aktion
Die Verantwortlichen dieser Politik haben wohlverstanden zuerst das
Gewicht der Hundefreunde innerhalb ihrer kostbaren Wählerschaft ausgelotet
und mit Erleichterung festgestellt, daß es kaum von Bedeutung sei, gibt es
doch in Deutschland im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern nur
wenige Hunde. Sie zogen daraus den Schluß, daß die Anti-Hunde-Gesetze
keine allzu hohen Wellen schlagen würden, und gingen mit der gleichen
Diskretion ans Werk, die sich schon zu anderen Zeiten bestens bewährt hat.
Die deutschen Medien spielten ihrerseits vor allem die vorgekommenen
Hundebisse hoch, mit Reportagen, die dazu angetan waren, Panik auszulösen.
In Hamburg luden die Organisatoren einer Demonstration von Hundefreunden
die Mitglieder verschiedener Parteien ein, sich mit ihnen auf dem
Rathausplatz zu treffen, wo sie tausend Nelken niederlegten. Der Aufruf
erntete nur eisiges Schweigen.
In diesem Schweigen einer angeblich zivilisierten Welt werden Zehntausende
unserer treuen Gefährten untergehen. Nacht und Nebel - die Taktik hat sich
bewährt. Eine systematische Gleichgültigkeit der Presse hält die Mehrheit
der Europäer im Unwissen über einen Skandal, in den sie sich unter keinen
Umständen einmischen soll.
Informierte Hundefreunde (die mutigen Redaktoren der Zeitschrift "Top Dog"
zum Beispiel oder Freund Hugo Yaez, dem wir viele Einzelheiten dieses
Berichts verdanken) müssen verzweifelt zusehen, wie komplizenhaftes
Schweigen eine seriöse Informationen verhindert. Ist es die für unser
Zeitalter so typische Feigheit oder sind es geheime Parolen, die die
Journalisten bewegen, den deutschen Hundeskandal zu verheimlichen? Und
auch darüber zu schweigen, was auch anderswo in Europa zu geschehen droht,
hängt doch das Damoklesschwert über sämtlichen Hunden der EU.
Bereits hat der deutsche Innenminister, Otto Schily, dem französischen
Vorsitz der EU bereits den dringlichen Antrag gestellt, an der nächsten
Versammlung eine Ausweitung der deutschen Strafgesetzgebung auf die
anderen Mitgliedstaaten der EU zu behandeln - ein Antrag, der von
Luxemburg bereitwillig übermittelt wurde.
Es steht zu befürchten, daß Frankreich um der französisch-deutschen
Freundschaft willen dem deutschen Antrag nachkommt. Bereits hat Georges
Sarre, Abgeordneter und Bürgermeister des 11. Arrondissements von Paris,
das Gesetz 99.5, die so genannte "Loi Sarre", gegen Kampfhunde (oder
angebliche Kampfhunde!) zur Abstimmung gebracht. Sein Kommentar zu den auf
der schwarzen Liste stehenden Hunderassen: "Diese Hunde sind die Werkzeuge
von Straftätern". Mit keinem Wort erwähnt er die überwiegende Mehrheit der
unbescholtenen Hundebesitzer. Sein Gesetz soll übrigens, wie er selbst
gesteht, nur Vorstufe zu weiteren, drastischeren Maßnahmen sein, kündigt
er doch heute schon an, daß zahlreiche weitere Rassen mit der Versetzung
in "andere Kategorien" rechnen müssen. Die weitgespannte Verschwörung der
Hundehasser könnte daher schon bald dazu führen, daß auch unsere geliebten
Boxer und selbst die anhänglichen Labradors zu gefährlichen
Fleischerhunden gestempelt werden!. Der menschlichen Dummheit sind keine
Grenzen gesetzt - warum also auf halbem Weg stehen bleiben?
Jedenfalls müssen in Frankreich seit dem 6. Januar 1999 die von der
Rassendiskriminierung betroffenen Hunde kastriert werden und einen
Maulkorb tragen. Zudem riskieren sie - bei entsprechendem Druck, der in
verschiedener Weise auf ihre Besitzer ausgeübt wird -, unter dem
erstbesten Vorwand euthanasiert zu werden.
Laut den letzten Nachrichten gibt es wenigstens einen Lichtblick:
Im Strudel der hundefeindlichen Propaganda, die Europa überschwemmt,
erweist sich einmal mehr ein Land als wahrhaft zivilisiert: die Schweiz.
So hat das Zürcher Kantonsparlament, als ihm Gesetzesvorschläge nach
französischem oder, schlimmer noch, deutschem Muster zur Nachahmung
vorgelegt wurden, Maulkörbe, Kastrierung und Tötung in globo abgelehnt und
klipp und klar erklärt, man solle die Hunde in Frieden lassen, wisse doch
jedermann, daß allein deren Besitzer und nicht die Hunde die Schuldigen
sind!
Zum Schluß dieses Appells zu Gunsten unserer vierbeinigen Freunde, muß ich
doch daran erinnern, daß jeder Hund unter bestimmten Umständen oder in
einer grausamen oder auch nur ungeschickten oder unverständigen
menschlichen Umgebung - was leider oft der Fall ist - beißen kann. Die von
kleinen Kläffern zugefügten Wunden sind selbstredend viel weniger schlimm
als die schweren Verletzungen, die etwa ein deutscher Schäfer zufügen
kann. Doch jeder Hund kann beißen, und angesichts des neurotischen
Verhaltens so vieler Hundebesitzer ist es auch nicht weiter verwunderlich,
daß Hunde das manchmal tun. Verwunderlich, ja fast ein Wunder ist es
vielmehr, daß sie trotz allem, was sie von uns erdulden müssen, trotz
unserer Ignoranz über ihre Psyche und ihre Gewohnheiten und trotz unseres
eigenen inkonsequenten Verhaltens, im allgemeinen so gutmütig bleiben. Ich
muß oft denken, Hunde seien wahre Engel von Geduld - wenn nicht gar
Heilige.
Und doch gilt es festzuhalten: Mit den imposanten Eckzähnen in seinem
kräftigen Gebiß kann der Hund, wenn er es für legitim hält, schwere Wunden
zufügen. Ist nicht selbst der sanftmütigste Labrador imstande, jemanden in
Stücke zu reißen, den er als gefährlich für die von ihm geliebten Menschen
empfindet? Und zählen wir nicht gerade auf diese Fähigkeit, wenn wir ihm
unsere Kinder zum Schutz anvertrauen?
Hat nicht jeder Hundebesitzer irgendwann in seinem Leben darauf gebaut,
daß sein treuer Vierbeiner sein Haus, sein Hab und Gut, seine Kinder und
sein eigenes Leben verteidige, durch sein Gebell, das jede künstliche
Alarmanlage in den Schatten stellt, und mit seinen scharfen Zähnen?
Ist es nicht das Bellen des Hundes, das die Einbrecher fernhält, nicht
sein bedrohlicher Gebiß, das ihnen Angst einjagt?
Seit Jahrtausenden ist der Hund ein treuer Waffenkamerad, ein
unvergleichlicher Leibwächter. Und daß wir seinen Schutz in Anspruch
nehmen, zeigt doch deutlich, wie sehr wir auf seine Hunde-Eigenschaften
bauen.
Warum machen wir ihm nun nach all den Jahrtausenden inniger Kameradschaft
plötzlich zum Vorwurf, daß er so ist, wie er ist und wie wir wollen, daß
er sei? Ist das unsere Dankbarkeit?
Was ist denn eigentlich los mit unserer Epoche, daß wir Mitgeschöpfe, auf
die wir uns immer voll verlassen konnten, plötzlich zu "blutrünstigen
Bestien" erklären, nur weil menschliche Bestien die natürliche und perfekt
in Schranken gehaltene Aggressivität der Hunde durch grausame Abrichtung
zum Wahnsinn aufgepeitscht haben? Mit welchem Recht lassen wir es zu, daß
unsere Hunde gerade wegen jener Eigenschaften hingerichtet werden, die sie
uns so wertvoll machen: ihre blinde Unterwerfung unter den Menschen, ihre
Fähigkeit, zu kämpfen, und ihre Bereitschaft, ihr Leben für das unsere
hinzugeben.
Aus dem Französischen übertragen von: EXPRESSIS VERBIS:
Der Artikel ,Kampfhunde in Deutschland: Die Endlösung?' ist erstmals im
Journal Franz Weber No. 55, 1. Quartal 2001 erschienen. Wir publizieren
diesen aufrüttelnden Artikel mit freundlicher Genehmigung der Schweizer
Umweltschutz-Organisation Fondation Franz Weber.
Das vierteljährlich publizierte Journal Franz Weber können Sie unter
folgender Internet-Adresse abonnieren:
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Kampfhunde in Deutschland
Die Endlösung?
Von Alika Lindbergh
Unglaublich, aber wahr - und wäre es nicht mit Verzweiflung, Leiden und
Tod verbunden, könnte man meinen, es sei ein Gag: In Deutschland wird zur
Zeit die Vernichtung sämtlicher so genannter "Kampfhunde" vorbereitet,
einschließlich harmloser Bastarde, denen man irgendeine, wenn auch
imaginäre, Verwandtschaft mit den großen Fleischerhunden nachsagt. Und
dies bis zur völligen Ausmerzung ihrer Rassen. (Wobei die allgemein
verwendete Bezeichnung "Rasse" natürlich ungenau ist; wir werden sie
jedoch notgedrungenermaßen verwenden, um Mißverständnisse zu vermeiden.)
American Staffordshire Terrier, American Pitt Bull Terrier, Bull Terrier,
American Bulldog, Bandog, Bullmastiff, Bordeaux-Dogge, Argentinische
Dogge, Fila Brasileiro, Kangal (oder Karabash), Kaukasischer Owtscharka,
Mastiff, Spanischer Schäferhund, Neapolitanischer Schäferhund, Tosa Isu:
Die Liste ist nicht vollständig, sind doch in gewissen Gegenden noch
andere Rassen im Visier der Hundefeinde, die sich eine so gute Gelegenheit
nicht entgehen lassen wollen, Geschöpfe aus der Welt zu schaffen, die
ihnen ein Dorn im Auge sind. 42 Rassen stehen auf der Abschußliste, sind
zur Vernichtung, wenn nicht zur totalen Ausrottung verurteilt. Alles in
allem die Endlösung.
Die Regierung verbreitet die Idee, die Besitzer solcher Hunde seien samt
und sonders kriminelle Asoziale, und die Medien wiederholen diese
skandalöse Lüge im Chor, verbreiten blinden Haß und kollektive Hysterie.
Somit kann nun jeder einfältige Beamte, blind der Disziplin gehorchend,
schon auf bloße Vermutung oder Denunzierung hin bei jedem beliebigen
anständigen Bürger eine Kontrolle durchführen und ohne Durchsuchungsbefehl
dessen vierbeinigen Kameraden beschlagnahmen, und sei es auch der einzige
Freund, den er noch hat.
In Hamburg ist für 2 Millionen Mark ein Schlachthaus zur Gefangenhaltung
und Tötung von Zehntausenden von Hunden eingerichtet worden, denen zuvor
der Buchstabe G für "Gefährlich" auf Ohr oder Schenkel tätowiert wurde.
Das gleiche G oder eine Tafel mit der Aufschrift "Gefährlich" in grellem
Rot ist an den Mauern oder den Türen von Privathäusern angebracht, in
denen diese Unglücklichen auf die Hinrichtung warten müssen.
Was unterscheidet diese Tiere, die nur zu "Kampfhunden" werden, wenn
brutale Menschen sie dazu abrichten, sich gegenseitig zu zerfleischen oder
auf Befehl anzugreifen - was unterscheidet sie von Polizei- oder
Armeehunden, die mit fletschenden Zähnen auf Feinde losgehen und Übeltäter
in Schach halten und dafür ausgezeichnet werden, außer daß ihre "Meister"
nicht auf der gleichen Seite stehen? Alle die Unzähligen aber, die nicht
in die Hände krimineller Menschen gefallen sind, treue Gefährten von
Kindern, von einsamen alten Menschen, von Familien, die sie lieben -
welche Gemeinheit ist es doch, sie zu Sündenböcken der wachsenden
allgemeinen Unsicherheit zu machen - sie, die nur für uns leben, sie, die
ihr Leben geben würden, um uns zu beschützen!
Das Hamburger Vernichtungslager - genauso wie andere in ganz Deutschland
eingerichtete - rühmt sich höchster Effizienz: Ein Eisenbahngleis führt
direkt zum einzigen Eingang, und dank seinem Standort nahe der Elbe lassen
sich die Kadaverteile diskret entsorgen.
Eine gezielte Propaganda hat die öffentliche Meinung auf diese
Vernichtungswelle vorbereitet, und die von den Behörden erlassenen Befehle
richten sich in genauer Kenntnis der Sachlage an ein disziplinbesessenes
Volk. In Tat und Wahrheit wird der ganzen verborgenen Grausamkeit des
Menschen und all seinen versteckten und unterdrückten Haßgefühlen ein
willkommener Anlaß zum Ausbruch und freien Lauf in aller Legitimität
geboten. Die Bevölkerung wird gar dazu angehalten, bei Freunden, Nachbarn,
Verwandten usw. vorhandene große und starke Hunde anzuzeigen, als ginge es
dabei um einen staatsbürgerlichen Akt gesellschaftlicher Säuberung.
Natürlich sind viele Deutsche entsetzt und versinken in Scham ob dem, was
unweigerlich und mit plastischer Deutlichkeit an die Methoden anderer
Massenvernichtungen erinnert; und diese Bürgerinnen und Bürger sind es,
die an die internationale Meinung appellieren.
Befassen wir uns zuallererst einmal mit dem sattsam bekannten Gemeinplatz,
der immer dann zu hören ist, wenn Tiere leiden und sich eine Parallele zu
Menschen aufdrängt: "Das läßt sich nicht vergleichen - es sind ja nur
Tiere! Es ist unanständig, das Leiden von Tieren mit dem Leiden von
Menschen in Zusammenhang zu bringen."
Wie die Leser des Journals wissen, hat die Fondation Franz Weber diese Art
von Diskriminierung nie akzeptiert. Immer hat sie betont, daß es im
Bereich des Mitgefühls keine Prioritäten geben kann. Mitgefühl kennt keine
Beschränkungen hinsichtlich Klassen, Rassen oder Arten. Mitgefühl ist
unteilbar wie das Leben selbst. Das verkennt unsere westliche Gesellschaft
ganz offensichtlich, wenn sie das Wenige, das den Tieren widerwillig
gewährt wird, gegen das Viele abwägt, das dem Menschen "von Amtes wegen"
zusteht. Das Leiden jedes fühlenden Wesens, vom Menschen bis zum Frosch,
berührt den wahren Altruisten gleichermaßen. Die Volksweisheit sagt: "Wer
Tiere liebt, liebt Menschen." Genauer müßte es heißen: "Wer die Tiere
wahrhaft liebt, liebt auch wirklich die Menschen."
Leute, die protestieren (oft nur aus Anpassertum), und sogleich das
menschliche Elend ins Feld führen, wenn andere sich der Not der Tiere
erbarmen, leiden an seelischem Geiz oder sind Opfer einer engstirnigen,
anthropozentrischen Erziehung, die um Lichtjahre entfernt ist von allem,
was uns mit den übrigen Lebewesen verbindet. Wer ungerührt zusehen kann,
wie ein gemeiner Pöbel die geliebte, sanftmütige Dogge einer alten Dame
vor ihren Augen lebendig verbrennt, ist zweifellos auch imstande, wenn es
die Umstände (rassistische Propaganda, politische oder religiöse Parolen)
gestatten, bei der Folterung von Menschen, die man ihm als schädlich
bezeichnet hat, zuzusehen oder mitzutun. Es handelt sich um eine von
Anfang an pervertierte, der formbaren Kinderseele eingeprägte Denkart; es
ist die unselige Idee, daß alle Lebewesen, die anders sind als wir, "es
nicht so spüren wie wir" und daß sie, eben weil sie anders sind, weniger
wert seien und daher weniger - oder überhaupt keine - Achtung verdienten.
Das ist Rassismus! Ein Rassismus, der den Kindern durch unser Verhalten
den Tieren gegenüber eingeimpft wird.
Das Delikt der "sale gueule"
Unnötig zu sagen, daß in Deutschland die der Verdammung preisgegebenen
Hunde vom Tierschutzgesetz nicht geschützt sind. Ihre Tötung untersteht
keinen Vorschriften und Regeln. Jeder Beliebige kann heute jeden mit dem
ominösen "G" markierten Hund, selbst in Begleitung seiner Besitzer (die
ihrerseits der Lynchjustiz ausgesetzt sind), auf jede beliebige Weise
töten. Außer den zahlreichen Vergiftungen und der bei lebendigem Leibe
verbrannten Dogge, von der oben die Rede war, nehmen die Greueltaten einer
hysterischen Menge zu. So wurde ein ganz junges Mädchen, nur weil sein
Hund ein Bullterrier war, zusammen mit diesem vor den Augen seiner
entsetzten Eltern auf der Straße gesteinigt und bewußtlos auf dem Trottoir
zurückgelassen.
Die Wut der "Rechtschaffenen" kennt keine Grenzen mehr, zumal sich die
Zahl der inkriminierten Hunderassen in gewissen Bundesländern nicht einmal
auf die 16 vorgenannten beschränkt. In Nordrhein-Westfalen stehen 42
Rassen auf der schwarzen Liste, 13 davon in der ersten Kategorie. Warum
nicht gleich eingestehen, daß man es auf alle Hunde abgesehen hat.
Das bedeutet, daß mindestens 60 % der Hundebesitzer und ihre Vierbeiner
dem Volkszorn, beziehungsweise den Henkern der Hundeschlachthäuser
ausgeliefert sind!
Zweifellos sind es sogar noch mehr als 60 %, haben es doch einige
Besessene selbst auf Bastarde abgesehen, auf den bloßen Verdacht hin, daß
auch nur ein paar Tropfen Blutes einer der verteufelten Rassen in ihren
Adern fließe. Es genügt, daß ein Hund etwas mehr als 40 cm Widerristhöhe,
einen großen Kopf mit vage aufgestülptem Fang und ein Mindestgewicht von
20 kg aufweist - schon wird er beschlagnahmt und hingerichtet. Mit einem
Wort: Er bezahlt den Preis dafür, daß der Gesellschaft "seine Visage"
nicht paßt.
Ein Funke genügt, um das Pulverfaß, in diesem Fall das perverse Innere des
sogenannten "zivilisierten Menschen", zur Explosion zu bringen. Unsere
Zeit ist eine Zeit der brutalen Gewalt, der Grausamkeit und des
Fanatismus. Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert -
ganz im Gegenteil.
Der Funke, der diesmal soviel Haß entfacht hat, ist ein politisches
Manöver, das man als reines Ablenkungsmanöver bezeichnen kann.
Laut unseren deutschen Korrespondenten ist die öffentliche Meinung durch
den BSE-Skandal und die Unfähigkeit der Regierung, der Kriminalität von
Neonazis Einhalt zu gebieten, aufs Äußerste erhitzt. Um ihre
Entschlossenheit zu demonstrieren, gingen die Politiker gegen die Hunde
der Skinheads vor! Auf perfide Weise setzten sie zunächst die von den
Neonazis bevorzugten Hunde mit ihren Besitzern gleich, erklärten diese
samt und sonders zu gefährlichen Asozialen und entschieden, das Beste sei
daher - wirklich und wahrhaftig! - die Ausmerzung ihrer Hunde.
Das ist natürlich einfacher und weniger riskant als die Festnahme
gewalttätiger Neonazis und anderer fanatisierter Gruppen -
terrorverbreitender Rowdies, die im übrigen mit ihren Pit-Bulls genauso
sadistisch umgehen wie mit den menschlichen Opfern ihrer Aggressionen. Man
muß wissen, daß nach den furchtbaren Kämpfen, bei denen sich halb
wahnsinnige Hunde vor den Augen einer blut- und horrorlüsternen Menge
zerfleischen, den Überlebenden die Wunden mit der Heftmaschine "zugenäht"
werden!
Die Angst vor den Skinheads, diesen psychisch Kranken, ist verständlich.
Doch auch die Hunde sind deren Opfer, vielleicht sogar die am meisten zu
bedauernden. Wie dem auch sei - mit der Vernichtung der Hunde läßt sich in
den Augen der politischen Manipulatoren die verängstigte Öffentlichkeit
mit einem Trostpflaster abspeisen und von der wirklichen Unsicherheit und
deren wahren Urhebern ablenken.
Nacht-und-Nebel-Aktion
Die Verantwortlichen dieser Politik haben wohlverstanden zuerst das
Gewicht der Hundefreunde innerhalb ihrer kostbaren Wählerschaft ausgelotet
und mit Erleichterung festgestellt, daß es kaum von Bedeutung sei, gibt es
doch in Deutschland im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern nur
wenige Hunde. Sie zogen daraus den Schluß, daß die Anti-Hunde-Gesetze
keine allzu hohen Wellen schlagen würden, und gingen mit der gleichen
Diskretion ans Werk, die sich schon zu anderen Zeiten bestens bewährt hat.
Die deutschen Medien spielten ihrerseits vor allem die vorgekommenen
Hundebisse hoch, mit Reportagen, die dazu angetan waren, Panik auszulösen.
In Hamburg luden die Organisatoren einer Demonstration von Hundefreunden
die Mitglieder verschiedener Parteien ein, sich mit ihnen auf dem
Rathausplatz zu treffen, wo sie tausend Nelken niederlegten. Der Aufruf
erntete nur eisiges Schweigen.
In diesem Schweigen einer angeblich zivilisierten Welt werden Zehntausende
unserer treuen Gefährten untergehen. Nacht und Nebel - die Taktik hat sich
bewährt. Eine systematische Gleichgültigkeit der Presse hält die Mehrheit
der Europäer im Unwissen über einen Skandal, in den sie sich unter keinen
Umständen einmischen soll.
Informierte Hundefreunde (die mutigen Redaktoren der Zeitschrift "Top Dog"
zum Beispiel oder Freund Hugo Yaez, dem wir viele Einzelheiten dieses
Berichts verdanken) müssen verzweifelt zusehen, wie komplizenhaftes
Schweigen eine seriöse Informationen verhindert. Ist es die für unser
Zeitalter so typische Feigheit oder sind es geheime Parolen, die die
Journalisten bewegen, den deutschen Hundeskandal zu verheimlichen? Und
auch darüber zu schweigen, was auch anderswo in Europa zu geschehen droht,
hängt doch das Damoklesschwert über sämtlichen Hunden der EU.
Bereits hat der deutsche Innenminister, Otto Schily, dem französischen
Vorsitz der EU bereits den dringlichen Antrag gestellt, an der nächsten
Versammlung eine Ausweitung der deutschen Strafgesetzgebung auf die
anderen Mitgliedstaaten der EU zu behandeln - ein Antrag, der von
Luxemburg bereitwillig übermittelt wurde.
Es steht zu befürchten, daß Frankreich um der französisch-deutschen
Freundschaft willen dem deutschen Antrag nachkommt. Bereits hat Georges
Sarre, Abgeordneter und Bürgermeister des 11. Arrondissements von Paris,
das Gesetz 99.5, die so genannte "Loi Sarre", gegen Kampfhunde (oder
angebliche Kampfhunde!) zur Abstimmung gebracht. Sein Kommentar zu den auf
der schwarzen Liste stehenden Hunderassen: "Diese Hunde sind die Werkzeuge
von Straftätern". Mit keinem Wort erwähnt er die überwiegende Mehrheit der
unbescholtenen Hundebesitzer. Sein Gesetz soll übrigens, wie er selbst
gesteht, nur Vorstufe zu weiteren, drastischeren Maßnahmen sein, kündigt
er doch heute schon an, daß zahlreiche weitere Rassen mit der Versetzung
in "andere Kategorien" rechnen müssen. Die weitgespannte Verschwörung der
Hundehasser könnte daher schon bald dazu führen, daß auch unsere geliebten
Boxer und selbst die anhänglichen Labradors zu gefährlichen
Fleischerhunden gestempelt werden!. Der menschlichen Dummheit sind keine
Grenzen gesetzt - warum also auf halbem Weg stehen bleiben?
Jedenfalls müssen in Frankreich seit dem 6. Januar 1999 die von der
Rassendiskriminierung betroffenen Hunde kastriert werden und einen
Maulkorb tragen. Zudem riskieren sie - bei entsprechendem Druck, der in
verschiedener Weise auf ihre Besitzer ausgeübt wird -, unter dem
erstbesten Vorwand euthanasiert zu werden.
Laut den letzten Nachrichten gibt es wenigstens einen Lichtblick:
Im Strudel der hundefeindlichen Propaganda, die Europa überschwemmt,
erweist sich einmal mehr ein Land als wahrhaft zivilisiert: die Schweiz.
So hat das Zürcher Kantonsparlament, als ihm Gesetzesvorschläge nach
französischem oder, schlimmer noch, deutschem Muster zur Nachahmung
vorgelegt wurden, Maulkörbe, Kastrierung und Tötung in globo abgelehnt und
klipp und klar erklärt, man solle die Hunde in Frieden lassen, wisse doch
jedermann, daß allein deren Besitzer und nicht die Hunde die Schuldigen
sind!
Zum Schluß dieses Appells zu Gunsten unserer vierbeinigen Freunde, muß ich
doch daran erinnern, daß jeder Hund unter bestimmten Umständen oder in
einer grausamen oder auch nur ungeschickten oder unverständigen
menschlichen Umgebung - was leider oft der Fall ist - beißen kann. Die von
kleinen Kläffern zugefügten Wunden sind selbstredend viel weniger schlimm
als die schweren Verletzungen, die etwa ein deutscher Schäfer zufügen
kann. Doch jeder Hund kann beißen, und angesichts des neurotischen
Verhaltens so vieler Hundebesitzer ist es auch nicht weiter verwunderlich,
daß Hunde das manchmal tun. Verwunderlich, ja fast ein Wunder ist es
vielmehr, daß sie trotz allem, was sie von uns erdulden müssen, trotz
unserer Ignoranz über ihre Psyche und ihre Gewohnheiten und trotz unseres
eigenen inkonsequenten Verhaltens, im allgemeinen so gutmütig bleiben. Ich
muß oft denken, Hunde seien wahre Engel von Geduld - wenn nicht gar
Heilige.
Und doch gilt es festzuhalten: Mit den imposanten Eckzähnen in seinem
kräftigen Gebiß kann der Hund, wenn er es für legitim hält, schwere Wunden
zufügen. Ist nicht selbst der sanftmütigste Labrador imstande, jemanden in
Stücke zu reißen, den er als gefährlich für die von ihm geliebten Menschen
empfindet? Und zählen wir nicht gerade auf diese Fähigkeit, wenn wir ihm
unsere Kinder zum Schutz anvertrauen?
Hat nicht jeder Hundebesitzer irgendwann in seinem Leben darauf gebaut,
daß sein treuer Vierbeiner sein Haus, sein Hab und Gut, seine Kinder und
sein eigenes Leben verteidige, durch sein Gebell, das jede künstliche
Alarmanlage in den Schatten stellt, und mit seinen scharfen Zähnen?
Ist es nicht das Bellen des Hundes, das die Einbrecher fernhält, nicht
sein bedrohlicher Gebiß, das ihnen Angst einjagt?
Seit Jahrtausenden ist der Hund ein treuer Waffenkamerad, ein
unvergleichlicher Leibwächter. Und daß wir seinen Schutz in Anspruch
nehmen, zeigt doch deutlich, wie sehr wir auf seine Hunde-Eigenschaften
bauen.
Warum machen wir ihm nun nach all den Jahrtausenden inniger Kameradschaft
plötzlich zum Vorwurf, daß er so ist, wie er ist und wie wir wollen, daß
er sei? Ist das unsere Dankbarkeit?
Was ist denn eigentlich los mit unserer Epoche, daß wir Mitgeschöpfe, auf
die wir uns immer voll verlassen konnten, plötzlich zu "blutrünstigen
Bestien" erklären, nur weil menschliche Bestien die natürliche und perfekt
in Schranken gehaltene Aggressivität der Hunde durch grausame Abrichtung
zum Wahnsinn aufgepeitscht haben? Mit welchem Recht lassen wir es zu, daß
unsere Hunde gerade wegen jener Eigenschaften hingerichtet werden, die sie
uns so wertvoll machen: ihre blinde Unterwerfung unter den Menschen, ihre
Fähigkeit, zu kämpfen, und ihre Bereitschaft, ihr Leben für das unsere
hinzugeben.
Aus dem Französischen übertragen von: EXPRESSIS VERBIS: