Das Handy der Zukunft
Von Sigi Resl
Tagebucheintrag vom Samstag, 19.05.2017:
Seit 5 Wochen irre ich ziellos durch die Straßen und ernähre mich von Essensresten aus dem Müll. Zum Glück gibt es noch überall diese Gratiszeitungen, damit ich mich in den kalten Nächten ein wenig zudecken kann, wenn ich unter einer Brücke schlafe.
Vor 5 Wochen habe ich also mein Handy verloren – eines der neuesten Generation, das alle Stückerl spielt. Ab und zu schleiche ich noch um mein Auto herum, das seit 5 Wochen auf dem Parkplatz steht. Ich komme nicht mehr hinein, und ich könnte es auch nicht starten – mein Handy diente mir nämlich als Wegfahrsperren-Entsperrung. Das hätte aber sowieso keinen Zweck, weil ich nicht weiß wo ich wohne – ich habe mich immer auf die GPS-Funktion meines Handys verlassen. Und auch wenn ich noch nach Hause fände, könnte ich ohne mein Handy die Wohnungstür nicht öffnen.
Ich kann mir auch nichts kaufen, da man seit Jahren nur mehr mit Handy zahlt. Ab und zu finde ich ein paar alte Euro auf der Straße, aber immer weniger Geschäfte nehmen Bargeld an.
Ich wollte bei meinem Netzbetreiber anrufen, um ein neues zu bestellen – ich weiß aber die Nummer nicht, die war auf meinem alten Handy gespeichert. Genauso wie die Telefonnummern meiner Familie, meiner Freunde und Bekannten.
Ich war auch bei der Polizei, aber ohne Handy kann ich meine Identität nicht nachweisen, nachdem vor einigen Jahren alle Ausweise durch das Handy ersetzt wurden.
Diesen Tagebucheintrag schreibe ich mit einem stumpfen Bleistift auf einen Fetzen Papier – beides aus dem Müll. Ich hoffe das kann irgendjemand noch lesen – meine Schrift ist nämlich fast unleserlich, schließlich habe ich seit Jahren nichts mehr geschrieben, das hat alles der Voice-Rekorder meines Handys übernommen.
Jetzt treffe ich mit einem Kumpel, den das gleiche Schicksal wie mich traf. Ich weiß gar nicht wie er heißt – er weiß es ja selbst nicht mehr. Sein Name war auf seinem Handy gespeichert.