Shicassy schrieb:
Und ich finde es einfach recht gefährlich "Hundeneulingen" einzureden, dass ein Problem in der Kommunikation meist auf Dominanz seitens des Hundes basiert, weil dadurch den armen Hunden viel Unrecht geschieht!
Hast du das gleiche Buch gelesen wie ich?
(Naja - ich bin immer noch nicht durch - vielleicht kommt der Teil ja noch...)
momo-tanja schrieb:
man kann mit sicherheit mit jedem hund clickern - aber man kann eben nicht bei jedem hund durch clickern alles in den griff bekommen.
wenn ich da an die malihündin einer freundin denke... ist die im trieb hochgefahren, dann könnte man auch mit ner schreckschusspistole clickern - ohne das der hund es mitbekommt.
Danke, Momo.
DogsChief, und genau das ist das Problem. Gewisse andere biologische Grundlagen des Verhaltens kann man nämlich auch nicht einfach außer Kraft setzen oder ignorieren, weil es einem besser ins Weltbild passt.
Wobei ich durchaus vermute, dass es Trainer(innen) gibt, die mit dem Clicker wesentlich mehr erreichen als andere.
Um "kurzfristige" Erfolge geht es mir übrigens nicht. Es geht mir
überhaupt um Erfolge.
Jeder, der seinen Hund nur mit Clicker, nur mit positiver Bestärkung, nur mit Motivation erziehen kann, soll verdammt froh und dankbar darüber sein (und genau das lese ich aus Baumanns Buch heraus).
Aber nicht jeder, der das NICHT kann, ist bloß "zu faul" oder "zu bequem" oder "hat es einfach nicht lange genug probiert". Oder "ein Anfänger, der das alles nicht richtig verstanden hat."
Klar kann man bei jedem Hund mit Clicker oder Stimme etwas ausrichten - aber die Fälle, von denen Baumann schreibt - und die Fälle, von denen ICH hier schreibe... sind welche, wo mir deine Ratsschläge aus eigener leidvoller Erfahrung vorkommen wie die von einem Kindergärtner, der Leute berät, deren halbwüchsiger Nachwuchs zu gewalttägigen schizoiden Ausbrüchen neigt - oder meinetwegen auch nur zu stoffwechselbedingten Wutanfällen.
Ich sag's mal so: Ich würde mein Kind nicht schlagen, weil es sich schreiend und blau anlaufend auf dem Boden wälzt (ich habe gar kein Kind. Aber ich kenne eins, bei dem das so ist). Aber gut zureden oder auf Click in Entspannung versetzen oder ablenken ist in so nem Fall einfach nicht drin, und zu verhindern, dass der Junge sich oder andere verletzt - denkst du, das geht völlig "zwanglos"?
Entweder, du hältst ihn fest und unterbindest das um sich Schlagen so ruhig wie es geht, oder du stellst ihn unter die kalte Dusche. (Ne Gummizelle hat halt nicht jeder zuhause... die wär in so nem Fall sicher das Beste.)
Um das auf Hunde zu übertragen:
Ich sag's mal so: Dass ich mit meinem Hund ein ECHTES Problem hatte, merkte ich in dem Moment, wo ein bekannter und beliebter Trainer, der mir 20 Minuten zuvor noch erklärt hatte, gewaltfrei zu arbeiten, Stachelhalsband, Maulkorb, HALTI nicht zu benötigen (und alle Probleme auf mein mangelndes Rückgrat schob) meinen Hund am Halsband um seinen Kopf wirbelte, damit "der endlich kapiert, was Sache ist" - nachdem der Hund ihn gebissen hatte.
Und irgendwie war er nicht der einzige, dem das so erging - nur dass ich anschließend besser darin war, die Entwicklung vorherzusehen und steuernd einzugreifen. (bzw. das ganze rechtzeitig vorher abzubrechen)
Die Leute, die "diese unmöglichen Erziehungsmethoden" NICHT von vornherein ablehnten, waren dagegen die, die so wenig wie möglich davon einsetzten und wesentlich bedachtsamer vorgingen. Warum? - Weil sie durchaus in Betracht ziehen konnten, dass es Hunde gibt, bei denen diese Methoden nicht ausreichend gut funktionieren, warum auch immer. -Und weil sie das nicht PERSÖNLICH genommen haben.
"Zwangsmittel" zur Hundeerziehung sind für mich ein Thema wie Psychopharmaka für Kleinkinder.
Immer mehr Eltern meinen offenbar, ihr Kind sei "hyperaktiv", einfach weil es NICHT IMMER LIEB ist. Oder "etwas lebhaft". Schon im Kindergarten bekommen sie teilweise Ratschläge, doch mal "wegen Ritalin zum Kinderarzt zu gehen" (einer Freundin von mir geschehen, deren Kind mir recht normal vorkommt.)
So. Da kann ich gar nichts mit anfangen. Würde ich auch jedem so erzählen. Kein Kind braucht sowas, wenn es nicht unbedingt sein muss.
ABER:
Würde ich darum meiner anderen Freundin (mit dem Anfallskind) so die Meinung geigen, und ihr lange Vorträge darüber halten, wie gefährlich so etwas generell ist, und was für eine schlechte Mutter sie ist, weil ihr Kind Medikamente nehmen muss und ich finde, sowas muss nicht sein... wäre das IN DIESER KONKRETEN SITUATION völlig verfehlt. Es würde ihr nicht helfen, ihrer Familie nicht, und dem betroffenen Kind auch nicht.
Und genauso ist es mit "Zwangseinsatz" - wenn mein Hund völlig austickt und nicht mehr ansprechbar ist, muss ich ihn in dieser unseren zivilisierten Welt leider mit Zwang davon abhalten, sich auszuleben, statt u.U. entweder Nachbars Dackel zu killen oder vors Auto zu laufen oder beides.
Natürlich muss ich parallel daran arbeiten, die auslösende Situation zu entschärfen. Aber bis dahin... naja gut.
ABER: Ich habe den Vergleich oben nicht umsonst gebracht: Genauso selten, wohlüberlegt und dosiert wie solche Medikamente im Krankheitsfall sollten die entsprechenden Mittel bei der Hundeerziehung eingesetzt werden. NIE, weil es "bequemer" ist, oder weil es "schneller" geht. Sondern weil (bzw. wenn) es ÜBERHAUPT nur so geht.
Und genau das entnehme ich diesem Buch (soweit ich es bisher gelesen habe). Für die Besitzer von wirklich ernsthaft gestörten oder schwierigen Hunden ist es in der Tat eine Wohltat, dass auch SIE mal erwähnt und beraten werden.
So - und ein "Anfänger", der einfach zu kurzsichtig ist, zu verstehen, was Baumann da so schreibt - entschuldigt bitte, aber das bin ich glaub ich mittlerweile echt nicht mehr.
Nur, wie gesagt: Fertig bin ich noch nicht mit dem Buch.
Drum gibt's hier den Senf erstmal unter Vorbehalt.
LG, Lektoratte