Für die letzten Ungläubigen .....
Dressur zur Sanftmut
Wie Martin Pietralla Kampfhunden die Aggressivität nimmt – und Passanten die Angst
Von Peter Richter
Ulm – Das mittägliche Waldidyll am Ulmer Stadtrand wirkt mit einem Schlag bedrohlich. Ängstlich blicken die beiden jungen Frauen hoch zu Pferde auf Bruno, das Muskelpaket, hinab: Vor ihnen steht ein Kampfhund. Um Hunde wie Bruno geht es in einem Musterprozess, der morgen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin beginnt. Mehrere Tierhalter aus Niedersachsen wollen die Kampfhunde-Verordnung, deren Regelung Ländersache ist, zu Fall bringen. Dabei verweisen sie auf das Ergebnis einer Studie der Kieler Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen. Demnach war gerade mal einer von 216 untersuchten Tieren verhaltensauffällig.
Für Bruno, einen sechs Jahre alten American Staffordshire Terrier, ist dies die erste Begegnung mit Pferden. Und der Rüde, ohne Leine und Maulkorb unterwegs, verhält sich vorbildlich. Er hört Begleiter Martin Pietralla leise seinen Namen rufen. Dann ertönt ein kurzes Klicken aus einem Spielzeugfrosch. Und Bruno weiß, für ihn gibt es jetzt ein dickes Lob und einen Hundekuchen: „Brav Bruno.“ Martin Pietralla hat ein ungewöhnliches Hobby: Er erzieht schwierige Hunde. Auch Kampfhunde. Das sind Rassen wie Pitbull, Bandog, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Tosa-Inu, deren Züchtung in Deutschland inzwischen verboten ist. Sie zu halten ist ebenfalls generell untersagt. Allerdings lassen einige Bundesländer Ausnahmen zu, wenn auch mit strengen Auflagen.
Nicht, dass Pietralla über Nacht einen Pitbull oder Staffordshire Terrier in ein Schoßhündchen verwandeln würde. Aber immerhin gelingt es dem 59- Jährigen, ihnen ihre unberechenbare, unkontrollierte Aggressivität abzutrainieren. Auch die gemeinhin als „Kampfmaschinen“ verschrienen Vierbeiner lernen bei ihm, sich vernünftig zu verhalten, sagt Pietralla. Etwa, wenn sich ein Rad- oder Moped-Fahrer nähert oder ein Betrunkener scheinbar bedrohlich auf sie zukommt. Etliche von Pietrallas vierbeinigen Schützlingen haben inzwischen den Wesenstest – quasi den Hunde-TÜV – bestanden. Damit dürfen sie in einem Bundesland wie Baden-Württemberg von Privatleuten gehalten werden. Ganz im Gegensatz zu Bayern. Je nach Einzelfall verzichten Behörden im Nachbarland auf Leinenzwang und Maulkorb.
Pietralla dressiert Hunde ohne jegliche Gewalt. Leise und sanft kommen die Kommandos. „Der Hund muss begreifen, dass ich ihn nicht bezwingen will, sondern dass es sich lohnt mit mir zu kooperieren. Strafen bringen nichts, nur Lob.“ Es hätte nicht viel gefehlt, und Bruno wäre eingeschläfert worden. Vor einem Jahr wagte es im Ulmer Tierheim kein Pfleger, sich ihm zu nähern. Denn Bruno, der namenlos ins Tierheim kam, ist ein Fundhund. Passanten wurden auf ihn aufmerksam. Angsteinflößend stand er da, angeleint an einem Laternenpfahl, abgemagert und am Hinterbein verletzt.
Er wurde ein Fall für Pietralla. Der Wissenschaftler, der an der Ulmer Universität Experimentalphysik lehrt, hatte ein Schlüsselerlebnis mit Mirko, einem Doberman-Rüden. Der war bereits neun Jahre alt, als ihn die Familie aus dem Tierheim holte. Aber Mirko erwies sich als ausgesprochen gelehrig. Der Wissenschaftler, der inzwischen ein Buch über seine Erfahrungen im Umgang mit Problemhunden geschrieben hat, bringt seine Methode auf die einfache Formel „Lernen durch Erfolg“.
Die Formel basiert auf Erkenntnissen, die der russische Forscher Iwan Pawlow entdeckte. Der Medizinnobelpreisträger wies vor rund 100 Jahren an Tieren die Zusammenhänge von Signal und Reflex nach. 100 Jahre später lässt Pietralla den Spielzeugfrosch knacken. Noch ist Pietralla mit seiner Art der Hundeerziehung, die viel Mühe und Einfühlungsvermögen verlangt, ein Einzelkämpfer. Und so kann er nicht verhindern, dass die meisten Kampfhunde als Dauergäste in Tierheimen leben. Bundesweit sollen es rund 20000 sein; auch in Bayern sind die Tierheime mittlerweile voll.
Süddeutsche Zeitung Lokales 2.7.2002 1:18
Beckersmom
SUAVITER IN MODO - FORTITER IN RE
Dressur zur Sanftmut
Wie Martin Pietralla Kampfhunden die Aggressivität nimmt – und Passanten die Angst
Von Peter Richter
Ulm – Das mittägliche Waldidyll am Ulmer Stadtrand wirkt mit einem Schlag bedrohlich. Ängstlich blicken die beiden jungen Frauen hoch zu Pferde auf Bruno, das Muskelpaket, hinab: Vor ihnen steht ein Kampfhund. Um Hunde wie Bruno geht es in einem Musterprozess, der morgen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin beginnt. Mehrere Tierhalter aus Niedersachsen wollen die Kampfhunde-Verordnung, deren Regelung Ländersache ist, zu Fall bringen. Dabei verweisen sie auf das Ergebnis einer Studie der Kieler Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen. Demnach war gerade mal einer von 216 untersuchten Tieren verhaltensauffällig.
Für Bruno, einen sechs Jahre alten American Staffordshire Terrier, ist dies die erste Begegnung mit Pferden. Und der Rüde, ohne Leine und Maulkorb unterwegs, verhält sich vorbildlich. Er hört Begleiter Martin Pietralla leise seinen Namen rufen. Dann ertönt ein kurzes Klicken aus einem Spielzeugfrosch. Und Bruno weiß, für ihn gibt es jetzt ein dickes Lob und einen Hundekuchen: „Brav Bruno.“ Martin Pietralla hat ein ungewöhnliches Hobby: Er erzieht schwierige Hunde. Auch Kampfhunde. Das sind Rassen wie Pitbull, Bandog, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Tosa-Inu, deren Züchtung in Deutschland inzwischen verboten ist. Sie zu halten ist ebenfalls generell untersagt. Allerdings lassen einige Bundesländer Ausnahmen zu, wenn auch mit strengen Auflagen.
Nicht, dass Pietralla über Nacht einen Pitbull oder Staffordshire Terrier in ein Schoßhündchen verwandeln würde. Aber immerhin gelingt es dem 59- Jährigen, ihnen ihre unberechenbare, unkontrollierte Aggressivität abzutrainieren. Auch die gemeinhin als „Kampfmaschinen“ verschrienen Vierbeiner lernen bei ihm, sich vernünftig zu verhalten, sagt Pietralla. Etwa, wenn sich ein Rad- oder Moped-Fahrer nähert oder ein Betrunkener scheinbar bedrohlich auf sie zukommt. Etliche von Pietrallas vierbeinigen Schützlingen haben inzwischen den Wesenstest – quasi den Hunde-TÜV – bestanden. Damit dürfen sie in einem Bundesland wie Baden-Württemberg von Privatleuten gehalten werden. Ganz im Gegensatz zu Bayern. Je nach Einzelfall verzichten Behörden im Nachbarland auf Leinenzwang und Maulkorb.
Pietralla dressiert Hunde ohne jegliche Gewalt. Leise und sanft kommen die Kommandos. „Der Hund muss begreifen, dass ich ihn nicht bezwingen will, sondern dass es sich lohnt mit mir zu kooperieren. Strafen bringen nichts, nur Lob.“ Es hätte nicht viel gefehlt, und Bruno wäre eingeschläfert worden. Vor einem Jahr wagte es im Ulmer Tierheim kein Pfleger, sich ihm zu nähern. Denn Bruno, der namenlos ins Tierheim kam, ist ein Fundhund. Passanten wurden auf ihn aufmerksam. Angsteinflößend stand er da, angeleint an einem Laternenpfahl, abgemagert und am Hinterbein verletzt.
Er wurde ein Fall für Pietralla. Der Wissenschaftler, der an der Ulmer Universität Experimentalphysik lehrt, hatte ein Schlüsselerlebnis mit Mirko, einem Doberman-Rüden. Der war bereits neun Jahre alt, als ihn die Familie aus dem Tierheim holte. Aber Mirko erwies sich als ausgesprochen gelehrig. Der Wissenschaftler, der inzwischen ein Buch über seine Erfahrungen im Umgang mit Problemhunden geschrieben hat, bringt seine Methode auf die einfache Formel „Lernen durch Erfolg“.
Die Formel basiert auf Erkenntnissen, die der russische Forscher Iwan Pawlow entdeckte. Der Medizinnobelpreisträger wies vor rund 100 Jahren an Tieren die Zusammenhänge von Signal und Reflex nach. 100 Jahre später lässt Pietralla den Spielzeugfrosch knacken. Noch ist Pietralla mit seiner Art der Hundeerziehung, die viel Mühe und Einfühlungsvermögen verlangt, ein Einzelkämpfer. Und so kann er nicht verhindern, dass die meisten Kampfhunde als Dauergäste in Tierheimen leben. Bundesweit sollen es rund 20000 sein; auch in Bayern sind die Tierheime mittlerweile voll.
Süddeutsche Zeitung Lokales 2.7.2002 1:18
Beckersmom
SUAVITER IN MODO - FORTITER IN RE