Bei der Jagd ist sie auch sinnvoll. Und das schon
erheblich länger als im Kfz-Fach.
Die Jagd war mal ein durchaus gängiges Handwerk und hat daher
natürlich ihre eigenen Begriffe, wie jedes andere Handwerk auch.
In der Seefahrt ist es ja auch nicht anders, und beim Bund (also, generell beim Militär) ebenso. (Auch da sind viele Begriffe übrigens alt und entsprechen in ihrer alltägliche Bedeutung nicht mehr dem modernen Sprachgebrauch.)
Ihr tut so, als sei Jagd schon immer nur ein Hobby für reiche Nichtstuer gewesen, die ihre niedrigsten Instinkte befriedigen müssen, und das hinter hübschen Worten verbergen, um die Normalbevölkerung zu täuschen. Oder so kommt es mir zumindest vor.
So ist es aber nicht gewesen.
Die Jäger heute lernen und benutzen diese Ausdrücke ebenso, wie Freizeitsegler die Ausdrücke benutzen, die von "echten" Seeleuten geprägt worden sind. Weil sich das über Jahrhunderte so entwickelt hat und immer noch so weitergegeben wird.
Und das bestimmt nicht nur, um euphemistisch zu sein, denn die meisten Jäger haben grundsätzlich kein Problem damit, ein Tier zu töten, wie viele Nutztierhalter auch. Die
brauchen dafür nicht "euphemistisch" zu sein, weil es für sie gar nichts Schlimmes
ist.
Ich verstehe auch jeden, der denkt, das sei ein normaler Zeitungsartikel, und dann beim Lesen Zustände kriegt. Denn es liest sich in der Tat nicht wie ein normaler Text - weil es kein normaler Text
ist. Sondern ein Text für "Fachpublikum" bzw. eine Leserschaft, die die gewählten Worte auch versteht.
Etwas anders zu beschreiben, als man es "fachsprachlich" tut, ist aber übrigens gar nicht so einfach. Ich verdiene zB einen Teil meines Geldes, indem ich Texte, die zB von Ärzten verfasst wurden, von "Ärztisch" auf "auch von anderen Leuten zu verstehen" umschreibe. Die lesen sich in der Urfassung oft ähnlich seltsam. (Und nicht jeder gute Art/jede gute Ärztin ist auch ein guter Autor (oder Autorin)
)
Und wo ich persönlich grundsätzlich Plaque kriege, beim Lesen, sind Polizeiberichte. Die erfordern auch eine Sprache, die
mir ganz unnatürlich vorkommt. Aber sicher ihren Sinn und Zweck hat, sonst würde sie so ja nicht verwendet.
Ich finde solche Sondersprachvarianten faszinierend - auch und gerade da, wo sie von der Alltagssprache abweichen.
Weil ich mich zB frage, wie es zu der Bedeutungsverschiebung auf den verschiedenen Sprachebenen kommt.
Also, wenn man mal das Beispiel "eine Kugel antragen" nimmt... dann spricht da für mich zB heraus, dass der Jäger auf das Wild schießt, aber eben keineswegs sicher ist (und nie sicher sein kann), dass er trifft. Er trägt die Kugel an, aber ob sie auch trifft, entscheidet nicht er und nicht die überwältigende Technik, sondern die Mächte des Schicksals. (So Freischütz-mäßig). Oder vielleicht sogar auf einer sehr alten, animistischen Ebene das Wild selbst.
Ich glaube, bis ins 19. Jahrhundert hinein
war das angesichts der Qualität der Jagdwaffen auch häufig genau so. "antragen", hoffen, beten - und das Wild hatte eine faire Chance, davonzukommen.
Ein "Stück" ist einfach eine Mengenbezeichnung. Und zwar für die Einzahl eines Wortes, das im Singular vorkommt, aber viele Exemplare oder eine unzählbare Menge bzw. die Gesamtheit einer Gruppe bezeichnet.
Wild - Jagdbare Tiere, die im Wald leben. "ein Stück Wild" - ein bestimmtes Tier aus dieser Kategorie. Wie "ein Stück Vieh". Das ist ein einzelnes Tier. Im Gegensatz zu "Vieh", das immer eine Bezeichnung für eine Gruppe bvon verschiedenen Tieren ist. "Holz" - naja, Holz. "Ein Stück Holz" - ein bestimmtes Stück Holz. "Musik - Die Gesamtheit der Musik. Ein Musikstück - eine definierte Menge Musik mit einem Anfang und einem Ende". "Brot" - Essbares Getreideprodukt. ein Stück Brot" - eine konkrete Menge Brot. "Land" - "Grund und Boden". "ein Stück Land/ ein Grundstück - ein bestimmter, definierter Bereich."
Das kommt - ziemlich sicher - aus einer Zeit, in der Tier als unbeseelt galten. Also, als Sachen. Was ja noch gar nicht so lange her ist.
Aber es ist grammatikalisch korrekt. Es ist keine neuzeitliche Erfindung der Jäger, dass sie ein bestimmtes Tier der eine Gruppe bezeichnenden Kategorie "Wild" als "Stück" bezeichnen, "um eine Sache draus zu machen". Sondern das wird in unserer Sprache
mehrheitlich bei vergleichbaren Begriffen so gemacht. Bei Tieren, Gegenständen und abstrakten Begriffen, und da in allen Fällen
ohne Wertung.
Ein Holzstück ist nicht schlechter als Holz, ein Stück Wild ist nicht schlechter oder weniger wert als Wild und ein Grundstück nicht weniger wert als Grund.
Bei Menschen ist das allerdings tatsächlich anders. Da fallen mir für "Stück" nur abwertende, verächtliche Verwendungen ein.
Daraus allerdings zu schließen, dass der Jäger, der von einem Stück Wild spricht, das
genauso empfindet, halte ich für nicht unbedingt haltbar. Weil es dort eben eine reguläre, wertfreie Verwendung
gibt.
Möp... nun hab ich hier so lange gefaselt, dass ich glatt vergessen habe, den Hund zu lüften. Gute Nacht allerseits!