Sie macht wieder gut, was Menschen Tieren antun

Wolfgang

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Stuttgarter Zeitung

Kampfhunde, Fohlen, Ziegen und Schafe: die Künstlerin Christiane Rohn betreibt eine Pension für misshandelte Kreaturen

Ohne Strafen und ohne Schläge macht sie bissige Köter zu folgsamen Hunden. Christiane Rohn lebt bei Amtzell im Allgäu und ist sozusagen Hundeflüsterin. Sie unterrichtet außerdem Polizeibeamte im Umgang mit den aggressiven Vierbeinern.

Von Martin Geier

Christiane Rohn schlägt das Herz bis zum Hals: Inmitten von neugierigen Araberfohlen drückt sie die amerikanische Bulldogge Imnon fest an sich und rechnet jeden Augenblick damit, dass der Hund die Pferde in die weichen Nüstern beißt. Doch Imnon verhält sich ruhig und schmiegt sich sogar an seine neue Herrin. "Der Ausflug hätte auch schief gehen können, weil das eine ganz neue Umgebung und Erfahrung für den Hund ist. Aber ich hatte Vertrauen zu ihm und er zu mir", sagt Rohn im Nachhinein.

Doch ihre Nerven sind plötzlich wieder zum Zerreißen gespannt, als gut ein halbes Dutzend hochgewachsener Pferde zutraulich auf das Paar zutrabt und von der Herrin des Argenhofs gestreichelt werden wollen. Ob sie ahnen, dass sie ohne die oberschwäbische Hundeflüsterin, als die sich die 34 Jahre alte Christiane Rohn einen Namen in der Fachwelt gemacht hat, längst nicht mehr am Leben wären? Der Hund Imnon jedenfalls verlässt mit sichtlich stolz geschwellter Brust die Koppel: Angstprüfung bestanden.

Kritisch war die Situation mit der amerikanischen Bulldogge und den Araberpferden deshalb, weil Imnon erst seit zwei Tagen bei Christiane Rohn ist und noch unter ständiger Beobachtung steht. Der 15 Monate alte Kraftprotz wurde seinem Halter zu unbequem und in ein Münchner Tierheim gebracht. Als ängstlicher und schwer einschätzbarer Hund, der zudem künftig in die Liste der Kampfhunde aufgenommen werden dürfte, war der Hund nicht mehr zu vermitteln und sollte eingeschläfert werden.

Rohn nahm sich seiner an. Sie gab dem gefährlich aussehenden Vierbeiner, der damals noch Pascha hieß, einen anderen Namen. Imnon sagen die Hopi-Indianer zu einem Angsthasen. "Er muss eine schlimme Jugend gehabt haben", meint Rohn. "Wie Menschen halten auch Hunde oft den Leistungsdruck nicht aus. Sie spüren die Anforderungen und sind überfordert. Sie werden ängstlich, beißen und merken natürlich sofort, wenn jemand Furcht vor ihnen hat."

Ihr zu Füßen liegt Taschun, eine etwa 13 Jahre alte Schäferhündin. Als "Phantom von Mochenschwand" wurde sie bekannt, weil sich die Hündin mindestens vier Jahre lang als Straßenräuberin in Oberschwaben herumgetrieben hatte. Sie schlich sich nachts in Kantinen und klaute vor den Wohnhäusern das Katzenfutter samt dem Napf. Den Förstern entwischte sie immer wieder.

Kurz bevor Jagd auf das Phantom gemacht wurde, hat man Christiane Rohn geholt. Schließlich fing sie in der Kantine einer Papierfabrik die Hündin. Als diese sah, dass es keinen Ausweg mehr gab, kam sie von selbst friedlich auf Rohn zu. Seitdem weicht Taschun nicht mehr von ihrer Seite und läuft völlig frei herum. Die Hündin ist wie Imnon nicht mehr vermittelbar und wird bis zu ihrem Lebensende auf dem Argenhof bei Amtzell im Kreis Ravensburg bleiben.

"Ich bin fasziniert von der Sensibilität und Anpassungsfähigkeit dieses Hundes", schwärmt die zerbrechlich wirkende Frau, und ihre leuchtend hellblauen Augen strahlen. Denn wer als Straßenhund mehr als vier Wochen in Freiheit überlebe und in dieser Zeit nicht vom Hundefänger erwischt werde, müsse superintelligent sein. Taschun könne ihre Umgebung einschätzen. Dieses Verhalten ist für Christiane Rohn meist ein wichtiger Hinweis auf ihr eigenes Urteil.

Völlig verstört und daher außerhalb des Zwingers kaum zu halten ist ein anderer Kampfhund. Ihn brachte eine Prostituierte aus Frankfurt her. Sein Halter hatte ihn aus Wut über einen verlorenen Zweikampf in einen glühenden Backofen gesteckt. "Was hätte ich machen sollen", fragt Christiane Rohn, "die Frau mit der schlimm zugerichteten Kreatur wieder wegschicken?"

Weggeschickt hat Rohn noch niemanden, obwohl sie sich manchmal fragt, ob beispielsweise der Jäger das überfahrene Rehkitz nicht besser an Ort und Stelle getötet hätte, das jetzt neben einer kranken Ziege im Stall liegt. Zufrieden sehen stattdessen drei afrikanische Langhornziegen aus, die ihre fragwürdige Vergangenheit offenbar ohne Blessuren überwunden haben. Ein Mann hatte sie als Sparringspartner für seinen Kampfhund gehalten, bis ihm Tierschützer und Polizei auf die Schliche kamen.

Auf dem Argenhof lebt Christiane Rohn erst seit vorigem Herbst, wie auf einer Insel. Das einst sieben Hektar große Gestüt hat zwei Jahre leer gestanden. Sie hat es gekauft und ist dort mit ihrer "Tiersammlung", die zusammen mit den Löhnen für ihre Mitarbeiter monatlich 35 000 Euro kostet, eingezogen. Die Araberpferde stammen aus konfiszierten Transporten und wären in der Abdeckerei gelandet, hätten sie mitleidige Beamte nicht an Rohn vermittelt. Die Fohlen waren für die Wurstfabrik bestimmt, wurden aber am deutsch-österreichischen Zoll bei Hörbranz aufgehalten, weil die Bestimmungen für Tiertransporte nicht eingehalten worden waren. Genauso war es bei der Schafherde, die jetzt auf den grünen Wiesen an der Argen aufgepäppelt wird. Auch Ochs und Esel, Kamel und Lama bekommen hier ihr Gnadenbrot. Dass sie alle mal kurz vor dem Verhungern waren, sieht man ihnen kaum an.

Der Argenhof finanziert sich durch Spenden und die Einkünfte aus Rohns "Nebenjob" als Künstlerin. Die 34-Jährige hat an der Kunstakademie in Stuttgart Malerei studiert. Aber seit sie denken kann, kann sie gut mit Tieren umgehen. Christiane Rohn wurde schon oft gebissen, trotzdem ist es bisher meistens glimpflich für sie ausgegangen. Narben bedecken ihre Arme, aber Angst vor den Tieren hat sie nicht. "Sie sind leichter einzuschätzen als Menschen", sagt Rohn. Sie versuche sie zu verstehen, ohne sie zu vermenschlichen, sagt sie. Sie ist die Herrin im Haus und die Tiere akzeptieren das. "Sie spüren, wie sie mit mir dran sind."

Rohn hat eine Aura, die aus neurotischen Kampfhunden und aggressiven Kläffern binnen kurzer Zeit lammfromme Tiere macht. Dabei sind ihre Maximen kein Geheimnis: auf das Tier eingehen, es nicht überfordern, ihm eine Aufgabe geben und nicht schlagen, das versucht Rohn auch den Hundeführern der Polizei in ihren Wochenendkursen klar zu machen. Dass das nur bedingt gelingt, zeigt das Beispiel eines Schäferhundes. Er stammt von einer Polizeihundestaffel und wurde zu Christiane Rohn abgeschoben, weil er seinen Führer angefallen hatte. Als die "Hundeflüsterin" auf dem Argenhof das riesige Tier untersuchte, musste sie feststellen, dass der Hund offenbar misshandelt worden war und eine gebrochene Hüfte hatte.



Aktualisiert: 04.11.2003, 05:04 Uhr

 
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Hi Wolfgang ... hast du hier schon mal geguckt?
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Kannst Du das evtl. nochmal überprüfen?
 
Bine, bei mir funktioniert der Link zum Gnadenhof.

Hier die Kontaktinfos:

Der Gnadenhof
„Lebenswürde für Tiere e. V.“
- Der etwas andere Gnadenhof -
Argenhof
88279 Amtzell

Tel.: 0 75 22/707 967-0
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