Meldung vom 30.11.2000 21:00
Prozess gegen Kampfhundbesitzer in Hamburg
Hamburg (AP)
Vor dem Hamburger Landgericht müssen sich ab (dem morgigen) Freitag die beiden Halter der Kampfhunde verantworten, die am 26. Juni in der Hansestadt einen kleinen Jungen totgebissen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 24-jährigen Ibrahim K. Körperverletzung mit Todesfolge, seiner 19 Jahre alten Freundin Silja W. fahrlässige Tötung vor.
Der junge Mann war mit zwei freilaufenden Kampfhunden der Rasse American Staffordshire-Terrier unterwegs, als die Hunde plötzlich eine Mauer übersprangen und auf einen Schulhof stürmten. Dort fielen sie über den sechs Jahre alten Volkan her und bissen den Jungen zu Tode. Polizisten erschossen die Hunde. Für die Kampfhunde hatten die Behörden wegen früherer Beißereien Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet, den der Angeklagte aber ignorierte. Seine Freundin war bei dem Unglück nicht dabei, wird aber belangt, weil sie ihren gefährlich Hund dem Angeklagten mitgab, obwohl sie laut Staatsanwaltschaft wusste, dass er nicht damit umgehen konnte. Der 24 Jahre alte Mann sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft.
Der Tod des kleinen Jungen löste eine Welle der Empörung über das Halten von Kampfhunden aus. Der Zorn der Bürger führte dazu, dass in allen Bundesländern die Vorschriften für die Haltung von Kampfhunden verschärft wurden und die Tiere praktisch von den Straßen verschwunden sind.
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Die Süddeutsche Zeitung schreibt :
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VORSCHAU - Prozess gegen Halter von Kampfhunden in Hamburg
- von Christine Jähn und Mechthild Klein -
Hamburg, 29. November (Reuters) - Fünf Monate nachdem zwei Kampfhunde in Hamburg einen sechsjährigen Jungen totgebissen haben, müssen sich ab Freitag zwei Hundehalter vor Gericht verantworten. Die Anklage wirft einem 24-Jährigen vor, dass er seinen American Staffordshire Terrier und den Kampfhund seiner Freundin auf einem Schulgelände im Stadtteil Wilhelmsburg frei laufen ließ. Die Tiere hatten sich vor den Augen der Schulkameraden auf den Jungen gestürzt und ihn durch Bisse verletzt. Die tödlich Attacke löste eine bundesweite Debatte über die Haltung von Kampfhunden aus, in deren Folge mehrere Bundesländer ihre Hundeverordnungen verschärften. Tierschützer kritisieren, die Bestimmungen seien zu unübersichtlich.
Die Anklage wirft dem 24-Jährigen fahrlässige Tötung vor. Wegen des gleichen Vorwurfs ist seine 19-jährige Freundin angeklagt. Ihr lastet die Staatsanwaltschaft an, dass sie dem 24-Jährigen ihren Hund ohne Maulkorb und Halsband überließ, obwohl ihr die Unzuverlässigkeit des Hundes hätte bekannt sein müssen. Der Hundehalter hatte der Staatsanwaltschaft zufolge bereits mehrere Verwarnungen wegen Beißattacken seines Hundes erhalten. Augenzeugen hatten berichtet, sie hätten gesehen, wie der Mann seinen Hund auf einem Spielplatz scharf gemacht habe.
Zwei Tage nach dem Tod des kleinen Volkan erließ der Hamburger Senat eine neue Hundeverordnung, die ein generelles Kampfhundeverbot vorsieht. Danach ist die Haltung von Pitbulls, American Staffordshire Terriern und Staffordshire Bullterriern sowie Kreuzungen der drei Hunderassen nicht mehr erlaubt. Bei zehn weiteren Hunderassen ist die Haltung nur noch unter Ausnahmen möglich. Darüber hinaus wurde ein genereller Leinen- und Maulkorbzwang für Kampfhunde erlassen.
Unter dem Druck der öffentlichen Diskussion verschärften damals auch andere Bundesländer ihre Hundeverordnungen. Versuche der Innenministerkonferenz, eine einheitliche Linie unter den Bundesländern zu finden, scheiterten aber. So ist weiter umstritten, was unter einem gefährlichen Hund zu verstehen ist.
Das Verbot einzelner Hunderassen in den Ländern löste zum Teil Panikreaktionen unter Besitzern aus. Verunsicherte Hundehalter setzten ihre Tiere aus, weil sie Bußgelder fürchteten. Besitzer anderer Hunderassen fühlten sich zu unrecht mit skrupellosen Haltern, die ihre Tiere zu Waffen gemacht hatten, über einen Kamm geschert.
Die Zwinger der Tierheime sind seitdem mit Vierbeinern überfüllt. Große Hunde bleiben Dauergäste in vielen Heimen, weil sie kaum noch vermittelt werden können. Der Deutsche Tierschutzbund, der über 500 Tierheime in Deutschland unterstützt, kritisiert, dass die Länder sich bislang nicht auf ein bundeseinheitliches Verfahren geeinigt haben. 16 verschiedene Länderverordnungen sorgten für Verwirrung, beklagt Pressesprecher Thomas Schröder. Früher habe der Verband Hundebesitzer beraten, wenn sie ins Ausland reisten. Inzwischen müsse der Verband aufklären, wenn eine Familie mit einem Hund von einem Bundesland in das andere fahren wolle.
Der Deutsche Tierschutzbund fordert ein bundeseinheitliches Heimtiergesetz mit Import- und Zuchtverboten für gefährliche Hunde sowie eine generelle Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle 5,6 Millionen Hunde in deutschen Haushalten. Damit soll erreicht werden, dass Halter bei Zwischenfällen schnell ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden können.
Einer Zwischenbilanz der Stadt Hamburg zufolge ist die Zahl der Verstöße gegen den Leinen- und Maulkorbzwang nach der Verschärfung der Hundeverordnung deutlich zurückgegangen. Im Prozess gegen die beiden Hundehalter vor dem Landgericht soll geklärt werden, wie es zu dem Tod des kleinen Volkan im Juni kommen konnte.
kle/jcs/gwa
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[Dieser Beitrag wurde von merlin am 01. Dezember 2000 editiert.]
Prozess gegen Kampfhundbesitzer in Hamburg
Hamburg (AP)
Vor dem Hamburger Landgericht müssen sich ab (dem morgigen) Freitag die beiden Halter der Kampfhunde verantworten, die am 26. Juni in der Hansestadt einen kleinen Jungen totgebissen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 24-jährigen Ibrahim K. Körperverletzung mit Todesfolge, seiner 19 Jahre alten Freundin Silja W. fahrlässige Tötung vor.
Der junge Mann war mit zwei freilaufenden Kampfhunden der Rasse American Staffordshire-Terrier unterwegs, als die Hunde plötzlich eine Mauer übersprangen und auf einen Schulhof stürmten. Dort fielen sie über den sechs Jahre alten Volkan her und bissen den Jungen zu Tode. Polizisten erschossen die Hunde. Für die Kampfhunde hatten die Behörden wegen früherer Beißereien Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet, den der Angeklagte aber ignorierte. Seine Freundin war bei dem Unglück nicht dabei, wird aber belangt, weil sie ihren gefährlich Hund dem Angeklagten mitgab, obwohl sie laut Staatsanwaltschaft wusste, dass er nicht damit umgehen konnte. Der 24 Jahre alte Mann sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft.
Der Tod des kleinen Jungen löste eine Welle der Empörung über das Halten von Kampfhunden aus. Der Zorn der Bürger führte dazu, dass in allen Bundesländern die Vorschriften für die Haltung von Kampfhunden verschärft wurden und die Tiere praktisch von den Straßen verschwunden sind.
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Die Süddeutsche Zeitung schreibt :
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VORSCHAU - Prozess gegen Halter von Kampfhunden in Hamburg
- von Christine Jähn und Mechthild Klein -
Hamburg, 29. November (Reuters) - Fünf Monate nachdem zwei Kampfhunde in Hamburg einen sechsjährigen Jungen totgebissen haben, müssen sich ab Freitag zwei Hundehalter vor Gericht verantworten. Die Anklage wirft einem 24-Jährigen vor, dass er seinen American Staffordshire Terrier und den Kampfhund seiner Freundin auf einem Schulgelände im Stadtteil Wilhelmsburg frei laufen ließ. Die Tiere hatten sich vor den Augen der Schulkameraden auf den Jungen gestürzt und ihn durch Bisse verletzt. Die tödlich Attacke löste eine bundesweite Debatte über die Haltung von Kampfhunden aus, in deren Folge mehrere Bundesländer ihre Hundeverordnungen verschärften. Tierschützer kritisieren, die Bestimmungen seien zu unübersichtlich.
Die Anklage wirft dem 24-Jährigen fahrlässige Tötung vor. Wegen des gleichen Vorwurfs ist seine 19-jährige Freundin angeklagt. Ihr lastet die Staatsanwaltschaft an, dass sie dem 24-Jährigen ihren Hund ohne Maulkorb und Halsband überließ, obwohl ihr die Unzuverlässigkeit des Hundes hätte bekannt sein müssen. Der Hundehalter hatte der Staatsanwaltschaft zufolge bereits mehrere Verwarnungen wegen Beißattacken seines Hundes erhalten. Augenzeugen hatten berichtet, sie hätten gesehen, wie der Mann seinen Hund auf einem Spielplatz scharf gemacht habe.
Zwei Tage nach dem Tod des kleinen Volkan erließ der Hamburger Senat eine neue Hundeverordnung, die ein generelles Kampfhundeverbot vorsieht. Danach ist die Haltung von Pitbulls, American Staffordshire Terriern und Staffordshire Bullterriern sowie Kreuzungen der drei Hunderassen nicht mehr erlaubt. Bei zehn weiteren Hunderassen ist die Haltung nur noch unter Ausnahmen möglich. Darüber hinaus wurde ein genereller Leinen- und Maulkorbzwang für Kampfhunde erlassen.
Unter dem Druck der öffentlichen Diskussion verschärften damals auch andere Bundesländer ihre Hundeverordnungen. Versuche der Innenministerkonferenz, eine einheitliche Linie unter den Bundesländern zu finden, scheiterten aber. So ist weiter umstritten, was unter einem gefährlichen Hund zu verstehen ist.
Das Verbot einzelner Hunderassen in den Ländern löste zum Teil Panikreaktionen unter Besitzern aus. Verunsicherte Hundehalter setzten ihre Tiere aus, weil sie Bußgelder fürchteten. Besitzer anderer Hunderassen fühlten sich zu unrecht mit skrupellosen Haltern, die ihre Tiere zu Waffen gemacht hatten, über einen Kamm geschert.
Die Zwinger der Tierheime sind seitdem mit Vierbeinern überfüllt. Große Hunde bleiben Dauergäste in vielen Heimen, weil sie kaum noch vermittelt werden können. Der Deutsche Tierschutzbund, der über 500 Tierheime in Deutschland unterstützt, kritisiert, dass die Länder sich bislang nicht auf ein bundeseinheitliches Verfahren geeinigt haben. 16 verschiedene Länderverordnungen sorgten für Verwirrung, beklagt Pressesprecher Thomas Schröder. Früher habe der Verband Hundebesitzer beraten, wenn sie ins Ausland reisten. Inzwischen müsse der Verband aufklären, wenn eine Familie mit einem Hund von einem Bundesland in das andere fahren wolle.
Der Deutsche Tierschutzbund fordert ein bundeseinheitliches Heimtiergesetz mit Import- und Zuchtverboten für gefährliche Hunde sowie eine generelle Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle 5,6 Millionen Hunde in deutschen Haushalten. Damit soll erreicht werden, dass Halter bei Zwischenfällen schnell ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden können.
Einer Zwischenbilanz der Stadt Hamburg zufolge ist die Zahl der Verstöße gegen den Leinen- und Maulkorbzwang nach der Verschärfung der Hundeverordnung deutlich zurückgegangen. Im Prozess gegen die beiden Hundehalter vor dem Landgericht soll geklärt werden, wie es zu dem Tod des kleinen Volkan im Juni kommen konnte.
kle/jcs/gwa
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[Dieser Beitrag wurde von merlin am 01. Dezember 2000 editiert.]