Luckys Geschichte

snowtiger

KSG-Erbsenzähler™
15 Jahre Mitglied
Hallo,

habe ich gerade gelesen und mußte fast heulen.Nun möchte ich es euch doch nicht vorenthalten:

"Lucky" - (Alb-) Traum eines
Hundelebens

I.

„Lucky” lebte wie Millionen anderer Vierbeiner in einer Familie. Genauer
gesagt, früher - als er noch ein Welpe war - da war es noch eine richtige
Familie - so mit Mama, Papa und mit Tim, seinem besten Freund.

Sein Freund ist Tim auch heute noch! Wenn er doch bloß wieder mehr Zeit für
ihn hätte. Denn seit Mama und Tim alleine leben, ist nichts mehr so wie es
mal war. Mama geht schon morgens aus dem Haus, um Geld zu verdienen, wie sie
sagt, damit Tim und er auch immer etwas zu futtern haben. Tim, ja der geht
morgens auch früh weg. In die Schule. Er muß eine Menge lernen, damit er
später auch einmal viel Geld verdienen kann. Nachmittags muß er seine
Hausaufgaben machen, danach die Wohnung aufräumen und einkaufen. Abends geht
er dann zum Fußballspielen oder zu seinen Freunden. Da bleibt für „Lucky”
kaum Zeit.

Einmal war Tim krank. Er war so krank, daß Mama ihn in ein Haus brachte, wo
ganz viele Kranke waren. Mama weinte und war ganz durcheinander. Lucky ging
zu ihr und leckte ihr die Hand. Aber Mama schien es gar nicht zu bemerken.
Sie murmelte vor sich hin: ”Wenn Tim morgen operiert wird, dann bringe ich
ihm noch heute das Plüschschweinchen vorbei, welches ich gestern im Kaufhaus
gesehen habe. Es soll sein Glückschweinchen sein und ihm im Leben als
Talisman viel Glück bringen”. Lucky verstand von alledem nichts und ging
traurig in sein Körbchen, weil Mama - ohne eines Blickes ihn zu würdigen -
fortging, um das Schweinchen zu kaufen.

II.

So vergingen die Tage und „Lucky” war nun noch mehr allein. Ab und zu ging
er mal in den Garten, um zu sehen, was so auf der Straße los war. Seine
Hundefreunde kamen mit ihren Herrchen und Frauchen vorbei auf dem Weg zum
Park, wo sie früher alle gemeinsam stundenlang gespielt hatten. Ach wie
gerne wäre er mit ihnen gegangen! Und so schaute er sehnsüchtig hinter den
anderen her und kratzte aus Langeweile Löcher in den Boden. Das eine Loch,
ganz nah am Zaun war bald so groß, daß er schon ganz leicht den Kopf unter
den Latten durchstecken konnte. Von hier aus konnte er ohne Mühe die Straße
entlang bis zum Park schauen, wo er auf der Wiese seine Freunde toben sah.

Und dann, oh welches Glück kam Tim - sein Freund Tim - endllich wieder nach
Hause. Wie hatte „Lucky” sich auf diesen Moment gefreut. Tim sah auch wieder
ganz gesund aus und unterm Arm trug er sein Glückschwein. Doch schon sehr
bald bemerkte „Lucky”, daß Tim ihn gar nicht mehr beachtete. Stundenlang saß
Tim am Fenster, lächelte vor sich hin während er hinausschaute und
streichelte dabei sein Glückschein, welches er immer mit sich herum trug.
„Lucky” war verzweifelt, denn auch Mama kümmerte sich nicht mehr um ihn,
sondern nur noch um Tim. Manchmal vergaß sie sogar, sein Futter
hinzustellen.

So überlegte „Lucky”, wie er es wohl anstellen könnte, daß alles wieder so
würde wie früher, wo alle ihn lieb hatten, mit ihm spielten und schmusten.
.....Und dann, dann hatte er die Idee!

Tim war doch glücklich, wenn er stundenlang zum Fenster hinaus schaute weil
er dabei lächelte. Denn wer lächelt der freut sich und wer sich freut, der
ist auch glücklich. Das wußte er ganz genau, denn wenn er früher zwischen
seinen Menschen über die Wiese tobte und dabei vor lauter Übermut mit allen
Vieren gleichzeitig hin und her hopste, dann lachten sie alle und waren
glücklich.......und er war auch glücklich, weil seine Familie es war!

Ganz einfach wäre das Problem zu lösen, dachte „Lucky”, wenn er doch auch
ein Glückschwein wäre, dann würde Tim ihn in den Arm nehmen und streicheln.
Er wäre bei seinem Freund und sie wären glücklich! Beide!

III.

Da fiel ihm ein, daß Mama im Schrank so einen alten rosé-farbenen Pullover
mit Kapuze hatte. Am nächsten Tag, als Mama gerade zum Einkaufen gegangen
war und Tim wieder einmal lächelnd zum Fenster hinausschaute, schlich er
sich in Mama´s Schlafzimmer. Zum Glück war die Schranktür nur angelehnt, so
daß es ein Leichtes für ihn war, sie aufzudrücken. Nach kurzem Suchen fand
er den Pullover. Er lag zusammengefaltet ganz unten im Schrank. So konnte
„Lucky” ihn mit spitzen Zähnen herauszuziehen. Dann legte er ihn glatt auf
den Boden und kroch auf dem Bauch an ihn heran. Mit spitzer Schnauze hob er
das Bündchen hoch und so schaffte er es schließlich nach ein paar
vergeblichen Versuchen, sich in den rosé-farbenen Pullover hineinzurobben.
Die Vorderpfoten steckte er rechts und links in die Ärmel und schüttelte
sich einmal kräftig, damit die Kapuze auch über seinen Kopf fiel. So schaute
er sich prüfend in Mama´s Spiegel an und gefiel sich schon ganz prima. Die
Ärmel waren wohl ein wenig lang aber der Pullover reichte bis zur seinem
Stummelschwanz und die Kapuze war so groß, daß er gerade noch mit seinen
Augen drunter durch schauen konnte. Aber irgend etwas fehlte noch! ..... Ja
richtig, eine schöne rosane Schweineschnauze würde ihm gut zu Gesicht
stehen. Und da fiel es ihm auch schon ein, daß Mama gerade gestern erst so
einen neuen schönen runden Schwamm gekauft hatte. Und der war? .....richtig!
Rosa!

In rasantem Tempo konnte der kleine Junge, wenn er denn gerade nicht
lächelnd mit seinem Glückschwein auf dem Schoß aus dem Fenster geschaut
hätte, eine rosane Gestalt durch den Flur ins Bad huschen sehen. „Lucky”
schnappte sich den Schwamm und knabberte mit seinen Zähnen zwei Löcher
hinein. Den Schwamm in der Schnauze huschte er wieder zurück in Mama´s
Schlafzimmer, um sich nun im Spiegel zu betrachten. Perfekt dachte er, und
war glücklich, denn er gefiel sich in seinem neuen Kostüm saumäßig gut.

IV.

Da Tim immer noch an seinem Platz saß und Mama auch noch nicht zu Hause war,
dachte sich „Lucky”, er wolle die Zeit nutzen und einen kleinen Ausflug
machen, um zu überprüfen, ob sein Kostüm tatsächlich so gut war, daß die
Leute ihn für ein Glückschwein halten würden. So verschwand er ungesehen
durch den Garten unter dem Zaun hindurch. Er wußte, wenn dieses Experiment
klappte, dann würde er ab sofort als Glückschwein immer bei seinem Freund
Tim sein können und gesteichelt werden. Bei diesem Gedanken spürte er in
sich ein unendliches Gefühl des Glücks .

Was er jedoch nicht wußte: Im ganzen Land war seit einigen Monaten in den
Zeitungen, im Fernsehen und auch im Radio immer wieder die Rede von ein paar
Rosahunden, die Menschen und auch Hunde gebissen, verletzt ja sogar getötet
haben sollten. Dazu wurden im schönsten Rosa diese Hunde in
überdimensionalen Fotos gezeigt. Die Bilder von gähnenden Hunden, bei denen
man eindruckvoll Rachen und Zähne sehen konnten wie auch die Überschriften
glichen sich landauf, landab. Es war die Rede von der rosanen Gefahr und daß
die Menschen vor der dieser Rasse von Killerhunden geschützt werden müßten.

Aber von all dem ahnte „Lucky” als ganz normaler Familienhund nichts, als er
frohgemut in seinem Glückschwein-Kostüm auf die Straße trat. Er trottete
zunächst ganz gemächlich in Richtung Park, um seine Freunde zu besuchen.

V.

Es waren auch tatsächlich einige da, die ihn zunächst recht mißtrauisch
betrachteten. Da „Lucky” nach Schweineart zur Begrüßung in den höchsten
Tönen quiekte, waren die anderen Vierbeiner äußerst verwirrt. Sie zogen sich
etwas zurück und beratschlagten, was sie denn davon halten sollten. Einer
meinte, das müsse wohl eine neue Schweinerasse sein: „Recht klein und mager
mit Stummel- statt Ringelschwanz, aber die Farbe stimmt und quieken tut es
auch! Vielleicht können wir mit ihm ein wenig spielen!”

So rannten die Hundefreunde auf den neuen Spielgefährten zu, um ihn zum Spaß
ein wenig vor sich herzutreiben. „Lucky”, der das Hundeknäuel auf sich
zufliegen sah, erschrak ganz fürchterlich. Vor lauter Angst überrannt zu
werden und beim Toben sein Kostüm zu verlieren, rannte er so schnell er
konnte weg, denn er wollte sein Geheimnis ja schließlich nicht verraten. Er
lief immer schneller und erleichtert konnte er nach einer Weile feststellen,
daß seine Hundefreunde in dieser Geschwindigkeit nicht mithalten konnten und
nicht mehr zu sehen waren.

VI.

Laut hechelnd saß er auf dem Bürgersteig und schaute sich um. In seiner Eile
hatte er gar nicht bemerkt, daß er in Richtung Innenstadt gelaufen war und
mit Schrecken stellte er fest, daß er er beim Rennen - weil er ja
schließlich auch mal Luft holen mußte - seine schöne rosane
Schwamm-Schweine-Schnauze verloren hatte.

Auch hatte er völlig die Orientierung verloren. Hier in der Gegend war er in
seinem ganzen Leben noch nicht gewesen. Es blieb ihm wohl nichts anderes
übrig als irgendwie den Weg nach Hause zu finden. Vielleicht könnte er ja
unterwegs mit einem hundefreundlichen Menschen in Kontakt treten. Wenn der
die Telefon-Nummer an seinem Halsband sah, dann würde er bestimmt Zuhause
anrufen und Mama würde ihn abholen. Und plötzlich sehnte er sich ganz doll
nach seiner Familie und dem Körbchen mit seiner Decke. Auch fiel ihm ein,
daß es heute abend noch etwas besonders Gutes zum Abend-Fresschen geben
sollte.

So kam es, daß „Lucky” in seinem Glückschwein-Kostüm den Weg durch die
belebte Innenstandt nach Hause suchte. Sehr bald jedoch wunderte er sich
über das eigenartige Verhalten der Menschen.

VII.

Alle die ihm entgegen kamen, hatten Schreck geweitete Augen, ruderten
hektisch mit den Armen und rannten eiligst hinüber auf die andere
Straßenseite oder um die nächste Häuserecke. Gerade kam eine Frau mit
Kinderwagen genau auf ihn zu. Sie war mit ihrem Baby beschäftigt und hatte
ihn wohl nicht bemerkt. Aus einem Fenster über ihr schrie eine hysterische
Stimme: „Vorsicht! Schnell, schnell! Da kommt eine von diesen Bestien! Ein
Rosahund! Die junge Frau wurde leichenblaß, rieß ihr Baby aus dem Wagen und
verschwand mit einem Satz im nächsten Hausflur.

„Lucky”, der vertrauenvoll und freundlich - mit seinem Stummelschwanz heftig
wedelnd - auf die Frau zugelaufen war, erschrak ganz gewaltig, als die
schwere Haustür mit einem „Rumms” ihm genau vor der Nase zugeknallt wurde.
Ratlos stand er da und wußte gar nicht, was er davon halten sollte, hatte er
doch nur die Frau mit dem süßen kleinen Baby begrüßen wollen.

Während er noch so überlegte, wie er denn jetzt nach Hause kommen sollte -
langsam bekam er Hunger - kamen von hinten ein paar Jugendliche, die von der
anderen Straßenseite die Flucht der jungen Frau beobachtet hatten, langsam
herüber. Die Gesichter der Jungs schauten nicht gerade freundlich aus, als
„Lucky” sich zu ihnen umdrehte. Wenn nicht sein Hunger schon recht quälend
gewesen wäre, hätte er um die drei Gestalten einen Bogen gemacht, aber so
dachte er, vielleicht wissen sie, wie ich Nachhause komme oder haben
wenigstens ein Würstchen für mich.

VIII.

So ging er zwar zögernd aber freundlich wedelnd auf die Gruppe zu und
erschrak sich fast zu Tode, als ihn ganz unvermittelt ein Stein am Kopf
traf. Für einen Moment wurde ihm ganz schwindelig und als er sich eine
Sekunde später wieder aufgerappelt hatte, sah er die drei schon über sich.
Ehe er noch klar denken konnte, erhielt er von einem Knüppel einen
derartigen Schlag auf den Rücken, daß er unter dem Schmerz zusammenbrach.

Die Jugendlichen schrien und grölten:”Diese Rosahund-Bestien müssen
vernichtet werden. Das Volk muß vor diesen Killermaschinen geschützt werden.
Die müssen endlich vernichtet werden!” Einer aus der Gruppe, der zufällig
einen Benzinkanister bei sich trug, hatte die zündende Idee: „Hey Leute ist
es nicht schon ganz schön dunkel geworden, sollten wir die Straße für die
Leute die alle an den Fenstern stehen nicht ein bißchen besser erleuchten?”
Mit diesen Worten öffnete er den Kanister. Ein wenig von der übel riechenden
Flüssigkeit tropfte auf das Glückschwein-Kostüm von „Lucky”der immer noch
auf dem Boden lag und vor Schmerzen wimmerte. Dieser ekelhafte Gestank ließ
ihn seine letzte Kraft zusammennehmen. Mit einem Satz stand er wieder auf
seinen Pfoten und trotz seiner Schmerzen, rannte er um sein Leben.

Er rannte und rannte, als wollte er bis ans Ende der Welt. Lange Zeit traute
er sich nicht, sich umzuschauen, weil er Angst hatte, die Jugendlichen seien
noch hinter ihm. Die jedoch waren ihm gar nicht nachgelaufen sondern hatten
nur gelacht und waren frohgelaunt und grölend wegen der geilen Abwechslung
ihrer Wege gegangen. Doch so schnell er auch lief, der widerliche Gestank
haftete an ihm. Ihn wurde er einfach nicht los, ebenso wie die Angst, die
sich in seiner Hundeherzen breit machte.

IX.

Irgendwann, es war bereits ganz dunkel geworden, kam er an einem Spielplatz
vorbei, der in Anbetracht der späten Tageszeit völlig leer war. Er war müde,
sein Rücken tat ihm so weh, daß er kaum noch laufen konnte, und so beschloß
er, sich unter dem Holzboden eines Klettergerüstes in den weichen Sand eine
Mulde zu scharren und sich dort bis zum kommenden Morgen hinein zu legen.
Trotz seines Hungers schlief er auch sofort ein.

Am nächsten Morgen wurde er durch das schrille Geschrei eines etwas
dreijährigen Mädchens jäh aus dem Schlaf gerissen. „Mama, Maaamaaa, schau
mal ein gefährlicher Rosahund ohne Maulkorb!” „Lucky” verstand die Welt
nicht mehr. Er konnte einfach nicht verstehen, warum die Leute sich so
hysterisch benahmen, denn er wollte nur eines: Einen netten Menschen finden,
der ihn zu seinem Freund Tim brachte. Aufgeschreckt durch das Gezeter der
Kleinen und durch die schlechten Erfahrungen des Vortages beschloß „Lucky”
sich vorsichtshalber ins nächste Gebüsch zurückzuziehen. Seine Schmerzen im
Rücken waren über Nacht nicht weniger geworden und so humpelte er von
dannen.

In der Zwischenzeit hatte die Mutter ihr Kind in Sicherheit gebracht und per
Handy die Polizei angerufen:”Sie müssen sofort kommen! Auf dem Spielplatz an
der Hauptstraße läuft ein agressiver Rosahund herum. Als meine Tochter ihn
fand, hat er sie gleich angegriffen. Ich konnte mein Kind gerade noch
retten. Sie müssen die Bestie sofort erschießen, damit er nicht noch Kinder
zerfleischen kann.”

X.

Ein paar Minuten später fuhren zwei Streifen- und zwei Mannschaftswagen vor.
„Lucky” konnte aus seinem Versteck beobachten, wie ganz viele grün
bekleidete Menschen aus den Autos ausstiegen. Die meisten von ihnen hielten
längliche Gegenstände hoch, die vorne ein Loch hatten. Sie hatten sich im
Halbkreis aufgestellt und kamen immer näher. Hinter dieser grünen Front
hüpfte ein Mann mit einer Fotokamera ganz aufgeregt umher. „Lucky” kannte so
etwas von den Sonntags-Ausflügen.

Man hatte einen Reporter gerufen, der sich die einmalige Chance nicht
entgehen lassen wollte, der Menschheit in Wort und Bild die Vernichtung
eines gefährlichen Rosahundes - selbstverständlich medienwirksam auf
gemacht - zum nächsten Frühstück zu servieren. Das würde die Auflagenstärke
der Zeitung und auch sein Gehalt erheblich erhöhen.

„Lucky” verstand das alles nicht. Ihm war trotz seines rosa Pullovers kalt
und er wollte jetzt nur noch nach Hause. So raffte er sich auf und trat ganz
langsam aus dem Gebüsch. Im gleichen Moment hörte man von weit hinten ein
Raunen einer großen Menge Schaulustiger. „Da seht nur, die Bestie! Auf was
wartet Ihr noch, erschießt sie doch endlich, bevor sie noch einen von uns
anfallen kann!” Gleichzeitig rissen die „Grünen” die länglichen Gegenstände
hoch und man hörte das ununterbrochene Surren des Motors der Fotokamera.

XI.

„Lucky „ war müde. Er war sooo müde und hatte plötzlich Angst vor den
Menschen. Früher waren alle freundlich zu ihm. Was war bloß geschehen? Er
war doch immer noch der gleiche! Er war doch immer noch „Lucky”! Er legte
sich mitten auf den Weg. Die Schnauze auf den Boden. Er wußte nicht, was nun
geschehen würde und wartete geduldig auf das, was da kommen sollte.
Hoffentlich würde er bald nach Hause zu Mama und Tim können.

Der Kreis der „Grünen” mit ihren komischen länglichen Gegenständen wurde
immer enger. Doch „Lucky” blieb liegen. Weglaufen hatte keinen Zweck, das
erkannte er ganz genau. Die grüne Mauer schien undruchdinglich. Schräg vor
ihm jedoch teilte sie sich plötzlich und auf ihn zu kam ein junger Mann mit
einer Stange, an deren Ende eine Schlaufe befestigt war. Der junge Mann
hatte freundliche Augen und sprach mit ruhiger Stimme zu „Lucky”:”Komm mein
Junge, jetzt bringe ich Dich erst mal weg hier. Du frierst und hast bestimmt
auch Hunger. Deine Wunde am Kopf muß auch mal angeschaut werden.

„Lucky” war glücklich, endlich wieder einen freundllichen Menschen gefunden
zu haben und schaute dem jungen Mann vertrauensvoll entgegen. Er bewegte
sich nicht, nur sein Stummelschwanz wedelte zaghaft. Man legte ihm die
Schlinge um den Hals und zog sie an. Ohne Widerstand ging „Lucky” mit dem
jungen Mann mit. Der führte ihn an der grünen Mauer vorbei zu einem
Transporter. Die meisten der grünen Männer beobachteten diese Aktion mit
haßerfüllten Augen. Nur bei ganz wenigen bemerkte „Lucky” ein unruhiges
Flackern.

XII.

Der Hundefänger brachte ihn schließlich nach längerer Autofahrt in ein
Industriegebiet und hielt vor einer großen Halle. Hier war er noch nie
gewesen und er wußte auch nicht was er hier sollte. Daß das nicht der Weg
nach Hause war, hatte „Lucky” bereits erkannt. Aber er vertraute dem jungen
Mann, der würde ihm bestimmt bald helfen.

Als er dann jedoch durch eine Art Schleuse die Halle betrat, verschlug es
ihm den Atem:

„Lucky” konnte nicht glauben, was er dort sah. In dem riesigen Raum waren
auf dem Betonboden Reihen von Käfigen montiert worden.. Einer neben dem
anderen!. Und in jedem dieser Käfige saß ein Rosahund. Wie gesagt, „Lucky”
hatte von der Kampagne gegen Rosahunde bisher nichts mitbekommen. Aber beim
Anblick dieser Menge, vor Aufregung laut bellender Rosahunde schaute er
entsetzt an sich herunter. Er hatte immer noch Mamas alten rosé-farbenenen
Pullover als Glückschwein-Kostüm an. Zwar war der nun schon etwas schmutzig
und nach Benzin stank er auch, aber rosa ist nunmal rosa, mußt sich „Lucky”
eingestehen.

Mit Entsetzen erkannte er, daß er warscheinlich niemals mehr zu seiner
Familie nach Hause kommen würde. Und in seiner Not fing er an zu jaulen. Er
jaulte und jaulte all seine Not aus seiner Hunde-Seele hinaus. Alle
Rosahunde waren plötzlich still und hörten ihm zu. Doch der junge Mann
konnte „Lucky” leider nicht verstehen. Denn sonst hätte er „Lucky” schreien
hören können:” Neeeeiiiiiin! Nein, ich bin gar kein Rosahund, ich wollte
doch nur ein Glückschwein werden. Ich wollte nur wieder beachtet werden. Ich
wollte nur wieder geliebt und gestreichelt werden! Woher wollt Ihr wissen,
daß ich agressiv bin? Nur weil ich rein zufällig rosa bin? Schaut mir doch
in die Augen, Ihr Menschen! Ich bin kein Rosahund! Ich bin doch der liebe
„Lucky!”

Doch sein herzzerreißende Jaulen nützte „Lucky” gar nichts. Der junge Mann
schob ihn mit einem Tätscheln in einen freien Käfig. Danach schloß er die
Tür mit den Worten:”Tut mir leid, mein Junge, ich kann Dir leider nicht
helfen. Die Gesetze sind nun mal so! Die Politiker haben beschlossen, daß
die Stadt von Rosahunden befreit wird.

XIII.

Nun saß „Lucky” da in seinem neuen Domizil. Er hatte sich an die
Zwinger-Stäbe gequetscht und schaute in das gleißende Licht der künstichen
Beleuchtung. Von hier aus konnte er weder das Blau des Himmels noch das Grün
der Natur, das er so sehr liebte, sehen. In seinem neuen „Zuhause” gab es
nur eine Holzpalette. Vergeblich suchte er eine weiche Decke, wie sie ihm
Mama immer in sein Körbchen gelegt hatte. Auch ein Bällchen fand er nicht.

Müde, verzweifelt und immer noch hungrig, denn für die morgendliche
Fütterung war er zu spät eingeliefert worden, rollte er sich in einer Ecke
seines Käfigs zusammen. Er wollte nur noch eines, ganz schnell einschlafen,
um dem nagenden Gefühl von Hunger und Einsamkeit zu entfliehen. In seinem
Traum sah er seinen Freund Tim auf ihn zulufen. Die Freude war riesengroß.
Endlich, endlich wieder beisammen. Er sprang an dem Jungen hoch und der nahm
ihn ganz fest in die Arme. Von hinten aus dem Nebel heraus tauchte dann auch
Mama auf mit einem ganzen Teller duftender Würstchen.

Nachdem er sich den Bauch damit vollgeschlagen hatte, hörte er von irgendwo
her die vertraute Stimme von Papa: ”Na, „Lucky”, sollen wir jetzt im Garten
mit dem Bällchen spielen?” „Lucky” drehte sich mehrmals um sich selbst, weil
er nicht erkennen konnte, woher die Stimme kam. Er hatte „seinen” Papa schon
so lange Zeit nicht mehr gesehen! Als er hörte:”Na komm doch mal her!”,
vernahm er das Klappern einer Tür. Während er langsam wach wurde und in das
künstliche Licht blinzelte, mußte „Lucky” jedoch erkennen, daß es sich
hierbei nicht um die Terassentür handelte sondern um die Zwingertür seines
Käfigs. Vor ihm stand der junge Mann und ein älterer mit einer Brille auf
der Nase. Er wußte nicht, wer das ist, aber den Geruch kannte er von den
jährlichen Impfterminen beim Tierarzt.

XIV.

Der Brillenmensch hatte ihn genau untersucht, auch das Halsband, auf dem
sein Name u. die Telefon-Nr. standen. Für sein Fell hatte er sich ebenfalls
interessiert. Er hatte seinen Körper abgetastet und dabei gestutzt. Dann
hatte er den rosé-farbenen Wollstoff hochgehoben und darunter gefühlt.

Er nahm sein Blatt zur Hand, schob seine Brille zurecht und zog die Stirn
kraus. Lange beugte er sich so über die Seite, bis ein Ruck durch ihn
hindurch ging und während er vor sich hin murmelte:” Sicher ist
sicher....man weiß ja nie!”, notierte er:

lfd. Nr. der Liste: 487
Chip-Nr. des Hundes: bei Aufnahme keine
Name des Hundes: „Lucky”
zu vermitteln als: Kat.1
geschätztes Geburtsjahr: ca. 1997
Rasse: Rosahund (?)
Geschlecht: m
Aufnahme Halle am: 20.08.

Was „Lucky” nicht wußte: Dieser Ruck, der da durch den Brillenmenschen
hindurch gegangen war, sollte sein ganzes weiteres Leben entscheiden.

XV.

Wortlos verließ der Bebrillte den Käfig und der junge Mann verriegelte die
Tür hinter ihm. Er blickte „Lucky” freundlich an und sagte zu ihm:”Leider
kann ich Dir nicht helfen, die Gesetze sind nun mal so. Aber Kopf hoch, mein
Junge, es wird schon werden!” Dadurch schöpfte „Lucky” wieder ein wenig
Hoffnung. „Wenn mein neuer Freund das sagt, wird es sicher stimmen”, dachte
er. Warum sollte er ihn auch anlügen, wo er doch immer ein freundliches Wort
für ihn hatte.

So verging ein Tag nach dem anderen. Es war immer der gleiche Lärm durch das
Gebell der unglücklichen Hunde. Es war immer das gleiche künstliche Licht.
„Lucky” hatte im Laufe der vielen Wochen und Monate schon fast vergessen wie
schön das Licht der Morgensonne sich in den Tautropfen der Gräser spiegelte.
Er träumte oft davon, eines Tages wieder mit seiner Familie durch den Garten
zu hüpfen und er wünschte sich nichts sehnlicher als bei ihnen und mit ihnen
zusammen glücklich zu sein.

Doch jedes Mal wachte er irgendwann wieder auf und war immer noch in dieser
schrecklichen Halle.

XVI.

Inzwischen hatte man ihn auch einem Wesenstest unterzogen. Dazu wurde er von
anderen Hunden und auch von Menschen bedroht. Er sollte an einem Kinderwagen
mit schmutziger Windel vorbeigehen, aus dem ein von einem Gerät für
Hundeohren völlig verzerrtes Babygeschrei kam. Man spannte einen Regenschirm
in nächster Nähe vor ihm au und viele verwunderliche Dinge mehr..

Doch „Lucky” ließ alles gelassen über sich ergehen. Oftmals schien es so,
als sei er schon gar nicht mehr hier.

Obwohl er den Wesenstest bestens bestanden hatte, wurde er wieder in seinen
Käfig in der Halle gesperrt. Was „Lucky” nicht wußte und was ihn hätte
endgültig verzweifeln lassen. Er konnte nie wieder zu seiner Familie zurück.
Man hatte „seine” Mama und seinen Freund Tim für unzuverlässig erklärt, weil
sie nicht gut genug auf ihn aufgepasst hatten, da er „ausbrechen” konnte.

So saß er wieder für eine lange Zeit in seiner Zelle und träumte sich so oft
es eben ging in eine bessere Welt. Das jedoch gelang ihm immer seltener. Er
konnte sich kaum noch an Mama und Tim erinnern. Er war mutlos, einsam.......

XVII.

Eines Tages wachte er auf. Irgend etwas war heute anders! Das Bellen der
Rosahunde war aufgeregter als sonst! In der Luft lag eine seltsame Spannung.

Der junge Mann und der Brillenmensch gingen langsam durch die Reihen und
schauten sich die Hunde aufmerksam an. Zu jedem Hund wurde ein Buchstabe
notiert. Entweder ein „V” oder ein „E”. Bei „Lucky” angekommen, sagte der
Bebrillte: ”Tja, an sich sieht der ja noch ganz ordentlich aus! Keine
Leckekzeme - und entzündete Augen hat er auch nicht!. Aber dieser
Stummelschwanz! Coupierte Schwänze sind eben nicht mehr gefragt. Auch wenn
der Hund den Wesenstest ohne Abstriche bestanden hat, aber die Leute halten
Hunde mit abgeschnittenen Schwänzen für noch viel gefährlicher. Den kriegen
wir nicht vermittelt!”

Zu dem jungen Mann gewandt sagte er:”Notieren sie ein „E”!.

Damit war die Begutachtung zu Ende und „Lucky´s” Leben auch.

Am nächsten Tag wurde er mit mehreren anderen Hunde abgeholt. Als er auf dem
Tisch lag und die Injektion in seiner Vene spürte, leckte er dem Bebrillten
die Hand..........

......während er sich mit Papa, Mama und seinem Freund Tim in dem feuchten
Gras liegen sah, in dessen Tautropfen sich das Licht der Morgensonne
spiegelte.

*Ende*

Diese Geschichte ist entstanden aus Fragmenten von (Zeitungs)-Berichten, die
sich auf- grund ihrer Ungerechtigkeit und Grausamkeit unauslöschlich ins
Gehirn eingebrannt haben.

Jede Ähnlichkeit mit Begebenheiten und Handlungsweisen
aus Gegenwart und Vergangenheit sind rein zufällig gewollt...

...auf das sich jeder mit einem noch so kleinen Funken Gewissen
und Verstand angesprochen fühlen möge.

Die Verwendung und Weitergabe der Geschichte (unter Angabe des Autors)
in ungekürzter Fassung zum Zwecke der Aufklärung ist ausdrücklich gewünscht.

Sigrid Bojert
„Lucky”
(Alb-) Traum eines Hundelebens

LG Chrisi & Ninjo
 
  • 20. April 2024
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