Lothar und Griso

erwin

15 Jahre Mitglied
Nun will ich euch mal die Geschichte meiner früheren Nachbarn in Rignano/Flaminia, Lothar und Griso erzählen.
Zum Verständnis:
Das geschah 1962, da war das Volljährigkeitalter in Deutschland noch bei 21 Jahren.
Ciao Erwin


Ein paar Kilometer außerhalb des Ortes baute Lothar sein Zelt im Gebüsch der Macchia.
Er musste sich verstecken hier im fremden Land. In der Heimat würden sie ihn wieder ins Heim stecken, denn dort ist er erst mit 21 sicher vor dem Jugendamt und dieses hat in von klein an von Heim zu Heim geschickt. Irgendwann, er war gerade 17, hatte er genug. Er stahl im Büro des Heimleiters seinen Ausweis und floh.
Ein weiter Weg von Deutschland hier her. Er schlug sich so durch, zuerst in Frankreich. Hunger, hie und da ein paar Franc’s und eine Mahlzeit bei einem Bauern verdient, dann weiter. Die nächste Grenze, Italien. Wieder Hunger, Arbeit bei Bauern, ein paar Lire.
Dann kaufte er sich ein Graviergerät mit Batterien und gravierte römische Motive auf Trinkgläser, verkaufte sie auf den Strassen Roms.
Gab ein wenig mehr Lire dafür als bei der Bauernarbeit. Jeden Nachmittag fuhr er mit dem Vorortzug zu diesem kleinen Ort in sein Biwak. Er hat nun schon genug gespart haben um sich eine Bude zu mieten. Wird sich morgen darum bemühen. Inzwischen war er 18 Jahre alt, also volljährig in diesem Land.

Doch diesmal war alles anders. Bevor er wieder Gläser für den nächsten Tag gravierte, machte er erst mal Brotzeit.
Doch diesmal nicht alleine.

Da ist Griso, der Mastino.
Griso ist auch geflohen. Er hatte es satt tagelang an der Kette vor seiner Hütte zu hängen, meist hungrig und fast immer durstig. Als er wieder einmal von der Kette losgemacht wurde, ergriff er die Gelegenheit und lief weg. Er lief und lief bis er erschöpft in die Büsche fiel.
Durst war nun kein Problem mehr, doch der Hunger kam mit Macht. Es blieb ihm nur sich wieder in die Nähe der Menschen zu wagen, nur dort konnte er was zum Fressen erbeuten.
Leider machte das Umwerfen und Durchsuchen der Mülltonnen viel Lärm. Schnell sprach es sich bei den Menschen herum, ein großer grauer Hund streunt durch den Ort. Die Menschen hatten Angst und warteten mit Gewehren auf ihn. Hoch am rechten Hinterlauf wurde er getroffen. Es tat schrecklich weh, aber er konnte weglaufen und sich im Gebüsch der Macchia verstecken. Hier schleppte er sich nun geplagt von Schmerzen durch die Gegend, immer am Bach entlang, schon den dritten Tag.
Welch ein Hunger, doch in den Ort wagte er sich nicht mehr.
Doch jetzt, Geräusche; ein Mensch mit einem Handwagen. Gefahr, Kopf nach unten bis er vorbei ist. Doch der ging nicht vorbei. Ungefähr 10 Meter entfernt blieb er stehen und baute sich ein Zelt.
Plötzlich roch es so gut, Wurst! Der Hunger lies Griso seine Vorsicht vergessen, er kroch dem Geruch nach. Er konnte ein Winseln, resultierend aus Hunger und Schmerzen nicht unterdrücken.

Welch ein Schreck für Lothar, plötzlich die große graue Bestie vor sich zu sehen. Vor Angst war er erstmal ganz starr und überlegte, was tun. Da kam ihm das Sprichwort in den Sinn, der Hund beißt nicht die Hand, die ihn füttert. Also warf er dem Hund ein Stück Wurst zu.
Griso fasste dies als Einladung auf näher zu kriechen. Zum Laufen war er nicht mehr fähig.
Lothar sah wie mager der Hund war und gab ihm alles was er hatte. Dann wagte er den Hund zu berühren. Als er beim Streicheln an den Hinterteil kam, jaulte Griso vor Schmerz laut auf.
„So ein Elend, der Hund ist ja verletzt, was tun?“ Lothar überlegte. Wenn er nichts tat, dann stirbt der Hund. „Ihm geht’s schlecht“, dachte er, „als es mir schlecht ging, da halfen mir die Bauern ohne viel zu fragen, gaben mir zu essen und ließen mich was verdienen.“
Ihm wurde geholfen also war es für ihn selbstverständlich nun dieser leidenden Kreatur zu helfen.
Der Hund muss zum Arzt, das stand fest. Der Hund kann nicht mehr laufen, also wird es schwer. Lothar räumte seinen Handwagen leer, polsterte ihn mit dem Schlafsack und wuchtete den Hund darauf. So abgemagert das Tier auch war, es wog immer noch verdammt viel und schrie im wahrsten Sinn des Wortes vor Schmerzen. Wenigstens versuchte der Hund nicht zu beißen.
Im Dorf war ein Tierarzt, dorthin schon er seinen Wagen mit dem Hund. Die Kugel steckte noch im Muskel, hatte den Knochen angeschlagen. Die Operation kostet Lothar die Hälfte seiner Ersparnisse, ob wohl im der Tierarzt sagte, er habe es ganz billig gemacht.
Machte aber nichts, dann dauerte es eben ein wenig länger bis er sich eine Bude leisten kann.
Am nächsten Tag fuhr Lothar nicht nach Rom zum Verkaufen. Er blieb im Biwak beim Hund, lief nur vormittags ins Dorf um Fleisch zu kaufen. Nachmittags wieder den Hund auf den Wagen und zum Tierarzt.
Lothar dachte immer, er sei völlig unauffällig in diesem Ort, denn er ging ja immer nur vom Bahnhof zu den Büschen und zurück. Doch fast alle wussten von ihm. Der Tierarzt hatte das mit dem Hund natürlich auch schon erzählt.
In der Tierarztpraxis sprach ihn eine Frau an, Duchessa wurde sie genannt, ob wohl sie keine war, sondern nur eine wohlhabende Witwe. Sie habe da ein leerstehendes Rustico, dort ist zwar der Strom abgestellt, doch wenn er wolle, könne er dort wohnen. Die ersten drei Monate brauche er auch keine Miete zahlen.
Klar nahm Lothar das Angebot an, ein ganzes Haus war mehr als er sich erhoffte.
Es ging aufwärts, Lothar lies den Strom anstellen, Griso erholte sich schnell. Die beiden wurden ein in der Gegend allgemein bekanntes Paar.
Ihnen ging es einfach gut. Lothar sagte immer, Griso habe ihm das Glück gebracht und was Griso dachte wusste nur er selbst.
 
  • 28. März 2024
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