Komm Barney, die wollen nicht spielen!

Crabat

10 Jahre Mitglied
Komm Barney, die wollen nicht spielen!

Eine ungewollte Sozialstudie von Maren Grote

Als selbständige Hundetrainerin gibt es eigentlich nur zwei Zeitspannen für den ersten Hundespaziergang:
Der Erst ist der „Mist-ich-muss-zum-Seminar-schnell-um-fünf-Uhr-morgens-mit-den-Hunden-raus-Gähn!-Wieso-bin -ich-Idiot-selständig?-Modus“.
Bei dem trifft man keine Leute im Wald und das einzige Problem ist der fehlende Kaffee.
Der zweite Modus ist der „Ha!-selbständig-sein-rockt-ich-lege-mir-meine-Termine-wie-es-mir-passt-Modus“.
Zu dieser Uhrzeit trifft man auch niemanden, weil alle schon auf dem weg zur Arbeit sind.
Und dann gibt es Tage an denen ich morgens einen Arzttermin habe und plötzlich alle arbeitenden Menschen schnell nochmal mit Fiffi raus gehen, oder alle bereits Pensionierten, aber vom Arbeitsleben verschlissenen Frühaufsteher ihrem Trott folgen.
Und dann passiert es. Alle gehen Gassi! Gleichzeitig!
Und ich treffe sie plötzlich auf den Wegen, die ich nur als idyllisch und ruhig kenne und ich erlebe Dinge, die ich nie erleben wollte.

Heute war so ein Morgen.
Wir gehen zu dritt durch den Wald und machen die gewohnte Runde. „Eichhörnchääään!“ schreit Nanu! gelegentlich und bleibt dabei wie angewurzelt stehen. „Nix Eichhörnchen!“ sage ich und schaue streng, woraufhin er beleidigt weiter trabt und einen Stein mit dem Fuß weg kickt.
„Du kannst mir gar nichts sagen, du bist überhaupt nicht meine richtige Mutter...“ zischelt er sich leise in den Bart und denkt ich höre ihn nicht.
Hummel trödelt hinter mir her und summt. Dabei wedelt ihr Schwanz wie ein Metronom im Takt ihrer Schritte „Nach dem Spaziiergaaaang wird es Fuuuutter geben!“ singt sie vor sich hin.
Auf einmal erstarren wir alle.

Auf der Hügelkuppe vor uns tritt ein großer Dalmatinerrüde in das Licht der aufgehenden Sonne.
Seine Brust ist stolz erhoben und wir drei warten kurz ab, ob eventuell gleich die epische Musik vom König der Löwen erklingt und der Dalmatiner einen kleinen Dalmatiner in seinen Vorderpfoten empor strecken möchte, dem wir zujubeln können.
Tut er aber nicht.
Stattdessen fragt er Nanu! mit einem abschätzenden Blick aus 20 Metern Entfernung „Kloppe Alter?“
Nanu! krempelt die Ärmel seiner Lederjacke hoch, die vom vielen krempeln schon ganz ausgeleiert sind.
„Vergiss es!“ sage ich und nehme die Leinen zur Hand um damit betont auffällig beide Hunde an zu leinen.

Mein Anleinen ist perfektioniert.
Selbst die kurzsichtigsten Menschen erkennen auf Entfernung wenn ich anleine.
Die ausgeklügelte Technik beinhaltet alle nonverbalen Hinweise, inklusive einem Standbild mit mir und Hunden an der Leine im „bei Fuss“.
Wir stehen da wie aus einem Werbekatalog für Hundeleinen. Erwartungsvoll und abwartend.
Über den Hügel tritt eine Frau und brüllt mich direkt und beeindruckend laut an: „Nicht anleinen!“ Ich stutze, richte mich mit den Hunden an der Leine auf und sage verwirrt „äääh, doch“.

Sie schnaubt verächtlich und beginnt auf und ab zu traben während ihr Hund ein Klappmesser aus der gepunkteten Jackentasche zieht und es mit einem gebannten Blick auf Nanu! auf und zu klappen lässt. "Schnipp, Schnapp! Sagt das Messer. "Schnipp, Schnapp".

„Boooa, dann geh ich woanders lang!“ sagt die stampfende Dame strafend und ich bedanke mich freundlich.
Sie dreht sich um und läuft direkt in einen schwarzen Labrador, dessen Herrchen hinter ihr den Weg entlang kommt und verzweifelt ruft.
„Barney!Baaarneyyy!“
Barney hat Kopfhöer auf den Ohren und reagiert nicht, sondern bringt sich in Imponierhaltung in Richtung des Dalmatiners.
Die Begleitung des Punktepeters wird nun richtig hektisch und nimmt im Laufschritt in eine Abbiegung reißaus, wohin ihr Hund ihr murrend folgt.
Barney ist derweil mit der Gesamtsituation überfordert, weil er nun auch uns entdeckt hat und bleibt erstmal stehen um ab zu wägen, zu welchem der Hunde er rennen soll.
In seinem Gehirn erklingt dabei leise hörbar die Melodie von Tetris.
Das gibt dem Besitzer die Chance ihm eine Leine über den Hals zu werfen und ihn an sich zu zerren.
Wir stehen immer noch da und staunen zu dritt über das Spektakel.
Hummel klatscht entzückt Beifall.
Als wir an Barney vorbei gehen hängt dieser sich knurrend und strampelnd in die Leine und plustert seinen schwarzen Pullover hoch.
„*********!*********!*********!“ brüllt er und schlägt mit den Fäusten nach meinen Hunden. Nanu! Verkneift sich sichtlich konzentriert eine Antwort und Hummel weicht hinter mich aus um nicht ins Kreuzfeuer zu geraten.
Barneys Besitzer hat alle Hände voll zu tun seinen fletschenden Freund an uns vorbei zu zerren.
„Komm Barney, die wollen nicht spielen!“ sagt der Mann, während er gebannt auf den Maulkorb von Nanu! Starrt.
„So sieht Barney aus wenn er spielen will?“ fragt Hummel entsetzt, als wir den brüllenden Labardor passiert haben. „Wie sieht er denn dann aus wenn er Ärger sucht? Zieht er dann noch einen Säbelzahntiger mit einem Maschinengewehr in den Pfoten aus der Tasche oder was?“

Ich will grade antworten, da steht auch schon die Nächste vor uns.
Die Dame hält ihren Rottweiler mit beiden Händen und steuert auf einen Baum zu, um sich zusammen mit der Leine darum zu wickeln. Sie schlingt die Leine um den Baum und bringt sich dahinter in eine sportlich aktive Surferstellung.
„Kann ich den laufen lassen?“ fragt sie hoffnungsvoll „ohne Leine geht das meistens besser.“ „Meistens?“ fragt Hummel besorgt und drückt sich an mich.
"Klar" flüstert Nanu! und will schon wieder krempeln.
„Ich glaub das ist keine gute Idee“ sage ich seufzend und versuche zügig weiter zu gehen.
„Wenn ihre sich unterwerfen ist der ganz lieb! Die müssen nur ganz ruhig stehen bleiben und sich beschnuppern lassen, dann geht das“ klärt die Frau mich verständnisvoll auf und greift Richtung Karabiner. Ich schaudere und winke kopfschüttelnd ab.
„ja, wie beim Überfall der Postkutsche“ grummelt Nanu! „Hände hoch oder ich schieße! Und wer dann ganz brav seine Brieftasche raus rückt, dem passiert nix. Total lieb!“
„Pscht!“ zische ich Nanu! an. „Is doch wahr“ nörgelt er genervt .
„lieber nicht gute Frau“ flöte ich und schupse Nanu! Weiter den Weg entlang.

„Wenn das so weiter geht brauche ich noch einen ganz anderen Arzttermin heute“ flüstere ich und setzte den Spaziergang fort.

„Gack gaack, gack gaaack!“ kreischt es auf einmal neben uns.
Aus dem Gebüsch springt ein kleiner Terrier und umrundet uns kläffend. Er hat so langes Fell und so kurze Beine, dass ich nur an seiner Laufrichtung erahnen kann wo vorne und hinten ist und durch seinen zugewachsenes Gesicht verstehe ich kein Wort von dem was er sagt.
„Was sagt er?“ fragt Hummel und kneift ein Auge zu um besser hören zu können.
„Der hat Angst!“ ruft uns im selben Moment die Besitzerin zu, die aus einiger Entfernung angelaufen kommt. „Na klar!“ prustet Nanu! „Wenn man Angst vor was hat, rennt man am besten hin! Kennt man ja von den ganzen Leuten die Angst vor Spinnen haben. Kaum sitzt irgendwo eine arme, kleine Spinne kommen die Phobiker von allen Seiten angerannt vor lauter Angst“ er lacht schäbig und Hummel kichert auch noch bestätigend.
„Ruhe jetzt! Ich versteh immer noch nicht was der sagen will“ schnauze ich die beiden an und sie halten sich kichernd die Mäuler zu, während die Besitzerin des aufgebrachten Fussels nun ebenfalls im Kreis um uns herum läuft um ihren Hund ein zu fangen.

„Graahhapfffmmmpp Möpp!“ schreit der Fussel und wir drei legen den Kopf schief und hauen Deutungsvorschläge raus wie beim Scharade spielen.
„Du hast Hunger?“ fragt Hummel. „Du brauchst Hilfe, weil du an deinem Fell erstickst?“ versuche ich es. „Ich soll dich schlagen?“ interpretiert Nanu!.
„gnaaarglllammmm!“ krakelt das kleine Tier und wir raten weiter.
Währenddessen läuft die Besitzerin halb in der Hocke und mit den Armen rudernd weiter um uns herum um nach ihrem Hund zu greifen.
Irgendwann schafft sie es mit eine Hechtsprung den Hund zu fangen und schleift ihn vorwärts, oder rückwärts gehend davon, wir sind uns nicht ganz sicher.

„Jetzt wissen wir gar nicht was er wollte“ sagt Hummel traurig.
„Ne“ sage ich „aber wisst ihr was ich will?“ frage ich in die Runde. „Ich will jetzt nach Hause“.
„*********!“ schreit Nanu! plötzlich und springt in die Leine, dass ich ruckartig nach vorne gezogen werde. Ich stolpere und trete dabei auf Hummels Fuß, die aufquiekt wie ein angestochenes Schwein und mir seitlich ausweichend den Arm in einen schmerzhaften Polizeigriff dreht.
Bei dem Versuch mich wieder zu entknoten stolpere ich unbeholfen über den Weg, ziehe fluchend die Leine mit dem immer noch knurrenden Nanu! enger an mich heran und bleibe schwitzend und schnaufend mit beiden Hunden neben mir stehen. Ich blicke auf und schaue in die kopfschüttelnden Gesichter eines Bordercollies mit seinem Herrchen, die artig wartend vor uns stehen und das Schauspiel beobachten.
„Tschuldigung“ räuspere ich mich peinlich berührt und nehme Haltung an.
Mitleidig schauen mich die zwei Fremden an und tänzeln an mir vorbei in den Wald.
„Na da haben wir uns ja schnell integriert“ staune ich.
Hummel trabt beleidigt neben mir her und Nanu! wirkt zufrieden mit seiner Vorstellung.
Den nächsten Arttermin leg ich auf den Nachmittag.

Dieser Text darf im privaten Rahmen gerne geteilt werden, die Rechte daran verbleiben aber bei der Autorin.


:pfeifen:
 
  • 28. März 2024
  • #Anzeige
Hi Crabat ... hast du hier schon mal geguckt?
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Och Gott , mein Tag hat so sch..eiße angefangen , jetzt les`ich das und (fast) alles ist wieder gut !!!!

Herrlich , ich hab Tränen gelacht , vielen Dank dafür !!

LG Barbara
 
Toll!!!!!
Man erkennt sich wieder,super geschrieben,ich musste richtig lachen!
 
Sehr gut fand ich auch: Du hast mir gar nichts zu sagen, Du bist überhaupt nicht meine richtige Mutter! Vom aufsässigen Nanu. :lol:

...
 
Lustig geschrieben :)
Wobei ich mir nicht verkneifen kann, zu sagen, dass ich Leute suspekt finde, die ihre Hunde "Nanu!", "Nana?", "Alexxxa", "Azzzrael", oder "!?Alexxxa?!§$%&&" nennen und es tatsächlich schaffen, die Sonderzeichen und Doppelbuchstaben nicht durcheinander zu bringen :D
 
:rofl:

Das Anleinen .... Ich hab mich voll wieder gefunden und endlich eine Beschreibung dafür gefunden
Wir stehen auch oft da wie für nen Katalog um es nochmal zu verdeutlichen
 
Jetzt habe ich das nochmals in aller Ruhe gelesen... und es ist wirklich super geschrieben! Ich sah die Szene wirklich vor mir und habe herzlich gelacht!

Du solltest Kinderbücher schreiben!:applaus:
 
genial! :D vorallem dieses "die wollen nicht spielen, barney!"... erst vor kurzem ging eine dame mit einer wild brüllenden, knurrend-schäumenden colliehündin an mir und neele vorbei. neele sass neben mir und hat keinen ton von sich gegeben, da meinte die dame zu mir "die guckt aber giftig...!" bezogen auf neele.
ich guckte dann wohl ziemlich fassungslos! :D :wand:
 
genial! :D vorallem dieses "die wollen nicht spielen, barney!"... erst vor kurzem ging eine dame mit einer wild brüllenden, knurrend-schäumenden colliehündin an mir und neele vorbei. neele sass neben mir und hat keinen ton von sich gegeben, da meinte die dame zu mir "die guckt aber giftig...!" bezogen auf neele.
ich guckte dann wohl ziemlich fassungslos! :D :wand:

Ich nehme an, in Sachen "giftig" ist die Dame nicht unbedarft.
 
erst vor kurzem ging eine dame mit einer wild brüllenden, knurrend-schäumenden colliehündin an mir und neele vorbei. neele sass neben mir und hat keinen ton von sich gegeben, da meinte die dame zu mir "die guckt aber giftig...!" bezogen auf neele.
ja, ja, mit der Eigen- und Fremdwahrnehmung ist das manchmal so ne Sache. ;)
 
Von wem ist denn der Text, ich sehe da auch keinen Namen? Ich würde den gerne "in privatem Rahmen teilen"

Gruß
tessa
 
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