"Los, Max, lauf schon!" Schon spurtete ihr Liebling unbekümmert durch die Felder.
Jasmin liebte die großen Felder hinter der Stadt. Ungestört von dem Lärm und Gestank konnte sie sich hier den frischen Wind um die Nase wehen lassen. Selten kamen ihr auf den schmalen unasphaltierten Feldwegen Menschen entgegen. Hin und wieder fuhr der Bauer mit seinem Traktor über die Felder und begrüßte Jasmin. Immer hatte er auch ein kleines Leckerchen für Max dabei, der es liebte bellend hinter dem Traktor herzuhetzen. Doch heute war sie allein. Jasmin kam dies ganz gelegen, der Stress der heutigen Arbeit in der Arztpraxis hatte sie ganz schön geschafft. Sie schloss die Augen, schmiegte sich in den Wind und genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Immer wieder warf sie einen Blick zu Max. Sie hob einen Stein auf und täuschte mehrmals einen Wurf an - Max sprang wild hin und her - und schleuderte ihn dann weit ins Feld hinein. Max hetzte hinterher. Lautes Bellen signalisierte Jasmin den Erfolg der Suche. Seitdem ihr Mann sie vor wenigen Monaten verlassen hatte, war Max ihr Ein und Alles. Ihm konnte sie vertrauen. Ein Wort, und er war bei ihr.
Eine gute halbe Stunde war vergangen, da erkannte Jasmin nicht weit von ihr einen Passanten. "Hey, Max, hierher!" Wenige Sekunden später stand Max erwartungsvoll vor ihr, während Jasmin ihm die Leine anlegte. "Du weißt doch, Max, die Leute haben Angst vor Hunden wie dir. Da leine ich dich lieber an! Dabei bist du doch sooooo lieb!" Sie streichelte Max die nach oben stehenden Ohren. Max verstand alles, davon war Jasmin überzeugt.
"Hey, was läuft der Kampfhund hier ungeleint über die Felder! Solche Hunde gehören eingeschläfert!" "Hier draußen ist doch niemand. Außerdem habe ich Max doch jetzt an der Leine, obwohl ich sicher bin, dass er nie ohne Grund jemandem was tun würde." Max schaute den fremden Mann mit leicht geneigten Kopf an. "****** Köter, schau mich nicht so an, willst mich wohl anfallen!". Er täuschte dabei mit seinen schwarzen Schuhen einen Tritt an. Max schreckte zurück. "He, was fällt Ihnen ein!" "Bist ja wirklich ein Feigling, he!" Von der ängstlichen Reaktion angestachelt, trat er erneut! Dieses Mal traf er ihn. "Komm Max, komm schnell!" "Lasst Euch hier bloß nicht mehr sehen, sonst hetze ich Euch das Ordnungsamt auf den Hals!" Ein letzter Tritt erwischte Max an der Seite. Max schnappte zu. "Ah, ah, er hat mich gebissen. Der Scheißköter hat mich gebissen!" "Max!" Jasmin stand wie versteinert. Der Mann humpelte den Feldweg hinunter. "Deinen Namen werde ich herauskriegen. Dann könnt ihr was erleben!" Noch immer konnte Jasmin nicht erfassen, was gerade vorgefallen war. Max stand neben ihr, schaute sie fragend an. Ihre Unbekümmertheit war schlagartig der existenziellen Sorge um Max gewichen. "Du weißt, was uns blüht, wenn er wahr macht, was er gesagt hat!" Sie begann hemmungslos zu weinen. "Das darf er einfach nicht machen. Nein, Max, du bleibst bei mir. Er hat dich doch provoziert, das darf er einfach nicht machen. Nein, nein, nein....alles nur nicht das!" Der Himmel über ihr schien sich zu verdunkeln. Überhaupt verschwand alles um sie herum in der großen Angst um Max. So schnell es ging, rannte sie nach Hause. Kein Auto, keine Ampel nahm sie wahr. Niemand sollte sie nun sehen, niemand durfte sie erkennen. Nur in die sicheren vier Wände, und das schnell.
Nach einer ihr unendlich lang vorkommenden Zeit erreichte Jasmin endlich samt des Hundes ihr kleines Appartement außerhalb der Innenstadt. Statt den Fahrstuhl zu nehmen, rannte sie die weißen Treppen hinauf, kramte dabei nach ihrem Schlüssel, öffnete die Tür, sprang mit Max hinein, warf sie hinter sich zu und drehte den Schlüssel. Jasmin war am Ende. Auf den Beinen konnte sie sich nicht mehr halten. Sie glitt mit dem Rücken die Eingangstür hinunter. Wieder begann sie zu weinen. Max hockte verstört neben ihr, versuchte bei Zeiten sie durch ein Lecken im Gesicht zu erheitern. "Max, lass das! Ich habe solche Angst um dich. Wenn ich doch jetzt nur noch mal mit dem Mann reden könnte. Vielleicht könnte ich ihn ruhig stimmen. Wir können einfach nur hoffen, Max!" Langsam besann Jasmin sich wieder, stand auf und legte sich auf die Couch. "Max, mach hopp!" Mit einem Satz lag der kuschelige Stafford neben ihr. Ein paar Streicheleinheiten, ein letztes Schluchzen, dann schlief sie ein.
Das Telefon klingelte. Jasmin wurde wach und bemühte sich zum Telefon. Doch als sie den Hörer abnahm, war schon niemand mehr dran. Max schlief noch immer seelenruhig auf der Couch. Erst jetzt erinnerte sich Jasmin, was heute passiert war, und gesellte sich neben ihn. "Hm, Max, geht es dir mittlerweile auch besser? Bestimmt meinte der Mann heute auf dem Feld nicht alles so, wie er es sagte. Schließlich hast du ihn ja auch nicht fest gebissen, sonst hätte er ja gar nicht mehr so ohne weiteres laufen können. Außerdem hast du dich ja auch nur gewehrt, mein Schnuckel. Nein, uns wird schon nichts passieren." Jasmin zuckte zusammen, es hatte an der Tür geklingelt. Sie konnte sich schon denken, wer das sein würde. Dennoch blickte sie durch den Spion an der Wohnungstür. "Polizei! Frau Marx öffnen sie bitte die Tür!" Jasmins Hand glitt langsam zum Türgriff. Zitternd öffnete sie das Schloss und drückte mit schweiß-nasser Hand die Türklinke. "Ja, was ist denn?" Ihre Stimme bebte. Sie konnte sich genau denken, um was es ging. "Ihr Hund hat einen Passanten auf dem Feld vor der Stadt gebissen. Entspricht das den Tatsachen." Jasmin war völlig verwirrt. Sollte sie nun die Wahrheit sagen? Würde sie dann Max auch nicht verlieren? "Mein Hund Max hat sich nur gewehrt, weil der Herr ihn getreten hat. Sonst hätte er nie etwas getan." Die beiden Beamten schauten sich an. Der eine schüttelte den Kopf. "Der Herr behauptet, der Hund habe ihn bedrohlich angesehen, und wollte sich daher nur schützen." Jasmin versuchte noch die Situation wahrheitsgemäß zu schildern. "Das ist aber auch völlig gleich. Sie hätten Ihren Hund besser unter Kontrolle haben müssen. Der Biss ist ganz klar auf Ihr Verschulden zurückzuführen. Aufgrund des Bisses und der damit verbundenen Einstufung ihres Kampfhundes zum "gefährlichen Hund" nach LHV sind wir gezwungen Ihnen den Hund abzunehmen." Jasmins Klos im Hals begann sich zu festigen, sie konnte es nicht fassen. Unter großem Schluchzen versuchte sie die Polizei umzustimmen. "Max ist alles, was ich habe. Sie dürfen ihn mir nicht wegnehmen. Bitte, bitte!" Ohne Erfolg. "Wir tun nur unsere Pflicht. Ja, haben Sie denn etwa nichts von den erschreckenden Nachrichten der letzten Wochen mitbekommen? Machen Sie bitte Ihren Hund so weit fertig. In einer guten Stunde werden wir das Ordnungsamt vorbeischicken, die dann Ihren Hund ins Tierheim bringen werden. Für alles weitere werden wir uns mit Ihnen in Kontakt setzen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass eine Flucht weitere Konsequenzen zur Folge haben würde. Auf Wiedersehen." Ohne weitere Worte drehten sich die Polizisten um und verließen das Gebäude. Für Jasmin brach in diesem Moment eine Welt zusammen. Hilfesuchend nahm sie den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer der besten Freundin, nur um im selben Moment den Hörer wieder auf die Gabel zu schmeißen. Niemand konnte ihr helfen. Das war ihr klarer als alles andere in dieser Situation. Ihr blick fiel ins Wohnzimmer, wo Max noch immer auf schlief. Am liebsten hätte sie Max geschnappt und wäre geflohen. Irgendwohin. Nur weg von den Menschen, die Max und sie auseinander bringen wollten. Immer wieder machte sie auch sich selbst Vorwürfe. Hatte der Polizist vielleicht recht? Hätte sie wirklich besser aufpassen müssen? "Nein, der Mann war schuld, dieser hinterhältige, fiese Mann!" Die Ungerechtigkeit zermürbte sie. Weinen konnte und wollte sie nicht mehr. Die letzte Stunde, die sie mit Max verbringen durfte, sollte eine schöne für ihn sein. So schritt sie in die Küche, nahm eine Futterdose und rief nach Max. Während er das Futter herunterschlang, wich Jasmins Blick nicht von ihrem Liebling. Sie hockte sich neben ihn und streichelte sein weiches Fell. Ganz im Gedanken daran, dass dieses das letzte Streicheln sein würde. Dabei gingen ihr all die schönen Zeiten durch den Kopf. Der Tag, an dem ihr Mann ihr Max geschenkt hatte, bis zu den schweren Stunden des Ehekrachs, in denen Max sie immer getröstet hatte. Und dieser Hund sollte ihr nun weggenommen werden. Jasmin hielt die Tränen nicht länger inne. "Nein, nein, ich kann und werde dich nicht einfach diesen Menschen ausliefern. Du bist unschuldig und sollst bestraft werden! Das lasse ich einfach nicht zu! Wir müssen hier weg. So schnell wie möglich." Jasmin sprang auf, rannte ins Schlafzimmer packte ein paar Sachen für sich ein, nahm Max an die Leine und verschwand aus der Wohnung. "Los, Max, nun schnell zum Auto." Sie war gerade im Begriff die Hauseingangstür zu öffnen, da zuckte sie zusammen. Zwei Männer versperrten ihr den weg "Halt, wo wollen sie mit dem Hund hin?" Jasmin war in diesem Moment alles egal. Sie versuchte die Männer umzurempeln, um zu flüchten. Vergeblich. Einer der beiden ergriff Max' Leine. "So, du kommst mit!" "Nein, Maaaax! Das dürfen sie nicht. Er kann nicht ohne mich. Er wird eingehen." "Machen Sie sich mal um sein Wohlbefinden keine Sorgen mehr. Sie scheinen ja selbst nicht besonders verantwortungsvoll mit ihm umgegangen zu sein. Seien Sie froh, dass wir ihren Fluchtversuch nicht melden werden!" Einer der Männer öffnete das Gitter am Kleinlastwagen und lud Max hinein. Unter Tränen sah Jasmin einen winselnden Hund, der gerade um seine Freiheit beraubt wurde. Das Gitter schloss vor ihren Augen. "Nun gehen sie ins Haus und beruhigen sich! Wenn sie sich ordentlich verhalten, können sie ihren Hund ab dem nächsten Monat im Tierheim besuchen." Die beiden Männer stiegen in den Wagen und fuhren fort. Jasmin sank auf den Gehweg. Sie wusste, sie würde Max lebendig nicht mehr wiedersehen. Er würde es ohne sie einfach nicht schaffen.
von Michael Demuth
gefunden unter
liebe Grüss
Lana&Sessy
[Dieser Beitrag wurde von Lana am 21. Januar 2001 editiert.]
Jasmin liebte die großen Felder hinter der Stadt. Ungestört von dem Lärm und Gestank konnte sie sich hier den frischen Wind um die Nase wehen lassen. Selten kamen ihr auf den schmalen unasphaltierten Feldwegen Menschen entgegen. Hin und wieder fuhr der Bauer mit seinem Traktor über die Felder und begrüßte Jasmin. Immer hatte er auch ein kleines Leckerchen für Max dabei, der es liebte bellend hinter dem Traktor herzuhetzen. Doch heute war sie allein. Jasmin kam dies ganz gelegen, der Stress der heutigen Arbeit in der Arztpraxis hatte sie ganz schön geschafft. Sie schloss die Augen, schmiegte sich in den Wind und genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Immer wieder warf sie einen Blick zu Max. Sie hob einen Stein auf und täuschte mehrmals einen Wurf an - Max sprang wild hin und her - und schleuderte ihn dann weit ins Feld hinein. Max hetzte hinterher. Lautes Bellen signalisierte Jasmin den Erfolg der Suche. Seitdem ihr Mann sie vor wenigen Monaten verlassen hatte, war Max ihr Ein und Alles. Ihm konnte sie vertrauen. Ein Wort, und er war bei ihr.
Eine gute halbe Stunde war vergangen, da erkannte Jasmin nicht weit von ihr einen Passanten. "Hey, Max, hierher!" Wenige Sekunden später stand Max erwartungsvoll vor ihr, während Jasmin ihm die Leine anlegte. "Du weißt doch, Max, die Leute haben Angst vor Hunden wie dir. Da leine ich dich lieber an! Dabei bist du doch sooooo lieb!" Sie streichelte Max die nach oben stehenden Ohren. Max verstand alles, davon war Jasmin überzeugt.
"Hey, was läuft der Kampfhund hier ungeleint über die Felder! Solche Hunde gehören eingeschläfert!" "Hier draußen ist doch niemand. Außerdem habe ich Max doch jetzt an der Leine, obwohl ich sicher bin, dass er nie ohne Grund jemandem was tun würde." Max schaute den fremden Mann mit leicht geneigten Kopf an. "****** Köter, schau mich nicht so an, willst mich wohl anfallen!". Er täuschte dabei mit seinen schwarzen Schuhen einen Tritt an. Max schreckte zurück. "He, was fällt Ihnen ein!" "Bist ja wirklich ein Feigling, he!" Von der ängstlichen Reaktion angestachelt, trat er erneut! Dieses Mal traf er ihn. "Komm Max, komm schnell!" "Lasst Euch hier bloß nicht mehr sehen, sonst hetze ich Euch das Ordnungsamt auf den Hals!" Ein letzter Tritt erwischte Max an der Seite. Max schnappte zu. "Ah, ah, er hat mich gebissen. Der Scheißköter hat mich gebissen!" "Max!" Jasmin stand wie versteinert. Der Mann humpelte den Feldweg hinunter. "Deinen Namen werde ich herauskriegen. Dann könnt ihr was erleben!" Noch immer konnte Jasmin nicht erfassen, was gerade vorgefallen war. Max stand neben ihr, schaute sie fragend an. Ihre Unbekümmertheit war schlagartig der existenziellen Sorge um Max gewichen. "Du weißt, was uns blüht, wenn er wahr macht, was er gesagt hat!" Sie begann hemmungslos zu weinen. "Das darf er einfach nicht machen. Nein, Max, du bleibst bei mir. Er hat dich doch provoziert, das darf er einfach nicht machen. Nein, nein, nein....alles nur nicht das!" Der Himmel über ihr schien sich zu verdunkeln. Überhaupt verschwand alles um sie herum in der großen Angst um Max. So schnell es ging, rannte sie nach Hause. Kein Auto, keine Ampel nahm sie wahr. Niemand sollte sie nun sehen, niemand durfte sie erkennen. Nur in die sicheren vier Wände, und das schnell.
Nach einer ihr unendlich lang vorkommenden Zeit erreichte Jasmin endlich samt des Hundes ihr kleines Appartement außerhalb der Innenstadt. Statt den Fahrstuhl zu nehmen, rannte sie die weißen Treppen hinauf, kramte dabei nach ihrem Schlüssel, öffnete die Tür, sprang mit Max hinein, warf sie hinter sich zu und drehte den Schlüssel. Jasmin war am Ende. Auf den Beinen konnte sie sich nicht mehr halten. Sie glitt mit dem Rücken die Eingangstür hinunter. Wieder begann sie zu weinen. Max hockte verstört neben ihr, versuchte bei Zeiten sie durch ein Lecken im Gesicht zu erheitern. "Max, lass das! Ich habe solche Angst um dich. Wenn ich doch jetzt nur noch mal mit dem Mann reden könnte. Vielleicht könnte ich ihn ruhig stimmen. Wir können einfach nur hoffen, Max!" Langsam besann Jasmin sich wieder, stand auf und legte sich auf die Couch. "Max, mach hopp!" Mit einem Satz lag der kuschelige Stafford neben ihr. Ein paar Streicheleinheiten, ein letztes Schluchzen, dann schlief sie ein.
Das Telefon klingelte. Jasmin wurde wach und bemühte sich zum Telefon. Doch als sie den Hörer abnahm, war schon niemand mehr dran. Max schlief noch immer seelenruhig auf der Couch. Erst jetzt erinnerte sich Jasmin, was heute passiert war, und gesellte sich neben ihn. "Hm, Max, geht es dir mittlerweile auch besser? Bestimmt meinte der Mann heute auf dem Feld nicht alles so, wie er es sagte. Schließlich hast du ihn ja auch nicht fest gebissen, sonst hätte er ja gar nicht mehr so ohne weiteres laufen können. Außerdem hast du dich ja auch nur gewehrt, mein Schnuckel. Nein, uns wird schon nichts passieren." Jasmin zuckte zusammen, es hatte an der Tür geklingelt. Sie konnte sich schon denken, wer das sein würde. Dennoch blickte sie durch den Spion an der Wohnungstür. "Polizei! Frau Marx öffnen sie bitte die Tür!" Jasmins Hand glitt langsam zum Türgriff. Zitternd öffnete sie das Schloss und drückte mit schweiß-nasser Hand die Türklinke. "Ja, was ist denn?" Ihre Stimme bebte. Sie konnte sich genau denken, um was es ging. "Ihr Hund hat einen Passanten auf dem Feld vor der Stadt gebissen. Entspricht das den Tatsachen." Jasmin war völlig verwirrt. Sollte sie nun die Wahrheit sagen? Würde sie dann Max auch nicht verlieren? "Mein Hund Max hat sich nur gewehrt, weil der Herr ihn getreten hat. Sonst hätte er nie etwas getan." Die beiden Beamten schauten sich an. Der eine schüttelte den Kopf. "Der Herr behauptet, der Hund habe ihn bedrohlich angesehen, und wollte sich daher nur schützen." Jasmin versuchte noch die Situation wahrheitsgemäß zu schildern. "Das ist aber auch völlig gleich. Sie hätten Ihren Hund besser unter Kontrolle haben müssen. Der Biss ist ganz klar auf Ihr Verschulden zurückzuführen. Aufgrund des Bisses und der damit verbundenen Einstufung ihres Kampfhundes zum "gefährlichen Hund" nach LHV sind wir gezwungen Ihnen den Hund abzunehmen." Jasmins Klos im Hals begann sich zu festigen, sie konnte es nicht fassen. Unter großem Schluchzen versuchte sie die Polizei umzustimmen. "Max ist alles, was ich habe. Sie dürfen ihn mir nicht wegnehmen. Bitte, bitte!" Ohne Erfolg. "Wir tun nur unsere Pflicht. Ja, haben Sie denn etwa nichts von den erschreckenden Nachrichten der letzten Wochen mitbekommen? Machen Sie bitte Ihren Hund so weit fertig. In einer guten Stunde werden wir das Ordnungsamt vorbeischicken, die dann Ihren Hund ins Tierheim bringen werden. Für alles weitere werden wir uns mit Ihnen in Kontakt setzen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass eine Flucht weitere Konsequenzen zur Folge haben würde. Auf Wiedersehen." Ohne weitere Worte drehten sich die Polizisten um und verließen das Gebäude. Für Jasmin brach in diesem Moment eine Welt zusammen. Hilfesuchend nahm sie den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer der besten Freundin, nur um im selben Moment den Hörer wieder auf die Gabel zu schmeißen. Niemand konnte ihr helfen. Das war ihr klarer als alles andere in dieser Situation. Ihr blick fiel ins Wohnzimmer, wo Max noch immer auf schlief. Am liebsten hätte sie Max geschnappt und wäre geflohen. Irgendwohin. Nur weg von den Menschen, die Max und sie auseinander bringen wollten. Immer wieder machte sie auch sich selbst Vorwürfe. Hatte der Polizist vielleicht recht? Hätte sie wirklich besser aufpassen müssen? "Nein, der Mann war schuld, dieser hinterhältige, fiese Mann!" Die Ungerechtigkeit zermürbte sie. Weinen konnte und wollte sie nicht mehr. Die letzte Stunde, die sie mit Max verbringen durfte, sollte eine schöne für ihn sein. So schritt sie in die Küche, nahm eine Futterdose und rief nach Max. Während er das Futter herunterschlang, wich Jasmins Blick nicht von ihrem Liebling. Sie hockte sich neben ihn und streichelte sein weiches Fell. Ganz im Gedanken daran, dass dieses das letzte Streicheln sein würde. Dabei gingen ihr all die schönen Zeiten durch den Kopf. Der Tag, an dem ihr Mann ihr Max geschenkt hatte, bis zu den schweren Stunden des Ehekrachs, in denen Max sie immer getröstet hatte. Und dieser Hund sollte ihr nun weggenommen werden. Jasmin hielt die Tränen nicht länger inne. "Nein, nein, ich kann und werde dich nicht einfach diesen Menschen ausliefern. Du bist unschuldig und sollst bestraft werden! Das lasse ich einfach nicht zu! Wir müssen hier weg. So schnell wie möglich." Jasmin sprang auf, rannte ins Schlafzimmer packte ein paar Sachen für sich ein, nahm Max an die Leine und verschwand aus der Wohnung. "Los, Max, nun schnell zum Auto." Sie war gerade im Begriff die Hauseingangstür zu öffnen, da zuckte sie zusammen. Zwei Männer versperrten ihr den weg "Halt, wo wollen sie mit dem Hund hin?" Jasmin war in diesem Moment alles egal. Sie versuchte die Männer umzurempeln, um zu flüchten. Vergeblich. Einer der beiden ergriff Max' Leine. "So, du kommst mit!" "Nein, Maaaax! Das dürfen sie nicht. Er kann nicht ohne mich. Er wird eingehen." "Machen Sie sich mal um sein Wohlbefinden keine Sorgen mehr. Sie scheinen ja selbst nicht besonders verantwortungsvoll mit ihm umgegangen zu sein. Seien Sie froh, dass wir ihren Fluchtversuch nicht melden werden!" Einer der Männer öffnete das Gitter am Kleinlastwagen und lud Max hinein. Unter Tränen sah Jasmin einen winselnden Hund, der gerade um seine Freiheit beraubt wurde. Das Gitter schloss vor ihren Augen. "Nun gehen sie ins Haus und beruhigen sich! Wenn sie sich ordentlich verhalten, können sie ihren Hund ab dem nächsten Monat im Tierheim besuchen." Die beiden Männer stiegen in den Wagen und fuhren fort. Jasmin sank auf den Gehweg. Sie wusste, sie würde Max lebendig nicht mehr wiedersehen. Er würde es ohne sie einfach nicht schaffen.
von Michael Demuth
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liebe Grüss
Lana&Sessy
[Dieser Beitrag wurde von Lana am 21. Januar 2001 editiert.]