Felix und der 90 Minutentest

watson

KSG-Mutti™
20 Jahre Mitglied
Hier mal einige Zeilen zum Wesenstest,
watson

Quelle:
Gefunden unter de.rec.tiere.hunde vom 10.12.2000

Kraftpaket Felix und der 90-Minuten-Test

Endstation Zwinger: Kampfhund mit übersteigerter Aggression.


Von unserem Redaktionsmitglied Michael E s c h e n a u e r


(Frankfurt) Die Kreatur - ob Mensch oder Tier - reagiert gemeinhin
unterschiedlich auf Prüfungssituationen. Felix hat da überhaupt kein
Problem: Der fast 40 Kilo schwere Pitbull-Mischling mit dem strahlend
weißen Fell und dem furchterregenden Raubtier-Gebiß zieht sein zier-
liches Frauchen Sonja Kober aus Bad Homburg ungestüm quer über
die Straße, schnüffelt mal hier, pinkelt mal dort, den Kopf permanent
in neugieriger Bewegung. Der stämmige Rüde mit den Dalmatiner-Flecken
an den Ohren ist blendender Laune und beschnüffelt schwanzwedelnd die
Hosenbeine von Gerald Groos. Das Kraftpaket ahnt nicht, dass es die
wichtigsten 90 Minuten seines Lebens vor sich hat. Führt der Hund sich
gut auf, kann er künftig ohne Maulkorb spazieren gehen. Zeigt er gesteigerte
Aggressivität, muss er den Test wiederholen. Und falls er als hoffnungsloser
Fall eingestuft wird, droht ihm der Zwinger im Tierheim und in letzter
Konsequenz die Einschläferungsspritze.

Seit dem 26. Juni, als in Hamburg der sechsjährige Volkan von einem
Kampfhund zerrissen wurde und sich in den Wochen danach blutige
Zwischenfälle häuften, weht den Liebhabern von Pitbull, American
Staffordshire, Bullterrier und anderen ein rauerer Wind ins Gesicht: Die
Besitzer von 15 Rassen, die als potentiell gefährlich gelten, müssen unter
anderem eine Sachkundeprüfung bestehen und die Ungefährlichkeit ihres
Begleiters mit einem Wesenstest nachweisen. Bisher, so Michael Bußer,
Sprecher des Innenministeriums, wurden in Hessen 6200 Kampfhunde
bei den Ordnungsämtern gemeldet. 2200 haben den Test bereits
abgeschlossen - 175 fielen durch. 64 von 100 sichergestellten Tieren
wurden eingeschläfert.

Bußer rechnet damit, dass in Hessen bis Anfang kommenden Jahres ein
spezielles Gesetz die Kampfhunde-Eilverordnung ersetzen wird. Einstweilen
sind 38 Gutachter mit der Überprüfung der behördlich gemeldeten Kampf-
hunde beauftragt. Der Frankfurter Gerald Groos ist einer von ihnen.

Der 41-jährige Abrichtelehrer für Diensthunde an der Hessischen Polizei-
schule hat in diesem Jahr fast 170 Hunde der als potentiell gefährlich
geltenden Rassen getestet. Ein Zehntel stellte sich als verhaltensgestörte
Risikotiere heraus. Wird auch der lustige Felix dazugehören?

"Es geht nicht darum, dass sich der Hund alles gefallen läßt. Aber er muss
der Situation gemäß reagieren", gibt Groos die Grundrichtung des Tests
vor. Hundehalter seien oft zu langmütig bei der Erziehung der Tiere.
Gehorsam sei bei kleinen Hunden wichtig, bei großen und starken Tieren
unverzichtbar.

Der Ort ist unspektakulär: ein Kleingartengelände zwischen Stadtwald und
Oberrad. Hier, wo Groos selbst mehrere Schäferhunde hält, werden Situationen
des täglichen (Hunde)Lebens nachgestellt. Auf einem Multiple-Choice-Formular
hält der Tester jede einzelne Reaktion der Probanten fest. Felix schlägt
sich gut: Die Begrüßung war freundlich-interessiert, der kurze Spaziergang
zu
dem eingezäunten Gelände mit Begegnungen von anderen Hunden, Passanten
und Joggern brachte keine Ausraster.

"Das Tier darf anderen Personen oder Hunden ruhig signalisieren, wenn es
kein Beschnüffeln oder Streicheln wünscht - das ist sein gutes Recht", sagt
Groos. Unbegründete Aggression oder eine Unfähigkeit, sich anschließend
zu beruhigen, können jedoch das Prüfungsergebnis unrettbar verhunzen.

Felix ist unterdessen mitten in der Prüfung: Frauchen wurde außer Sichtweite
dirigiert, während ihr Beschützer auf einsamen Waldspaziergängen an einem
Obstbaum angekettet ist. Groos lockt den winselnden Hund, trabt direkt an
ihm vorbei, geht auf ihn zu, rennt, hebt auch mal die Hand drohend und
schlägt leicht mit der Prüfungskladde nach dem Tier, ohne es zu berühren.
Jede Reaktion vom Aufstellen der Nackenhaare über die geduckte Haltung
bis zum Anlegen der Ohren oder der Haltung der Rute wird protokolliert.

Felix verhält sich unsicher und neugierig. Schwanzwedelnd verfolgt er das
rätselhafte Treiben. Bei der Drohgebärde bellt er los und zeigt die Zähne.
Dies ist erlaubt. "Die wehrhafte Reaktion ist normal", sagt Groos. Felix hat
sich schon wieder beruhigt und beschnüffelt schwanzwedelnd das Schlag-
instrument. Auch beim "Begegnungsverkehr" mit Jimmy und Sally, den
beiden Schäferhunden, die in den angrenzenden Zwingern untergebracht
sind, bleibt Felix gut gelaunt und kontaktfreudig.

Doch plötzlich - die Prüfung ist so gut wie gelaufen - reißt sich der
Pitbull los, schießt zu Jimmy und besteigt ihn. Dieser bleibt bis auf ein
drohendes Grollen cool, nicht jedoch sein Herrschen. "Ja da müssen Sie
schon schneller reagieren", raunzt er die vor Schreck zur Salzsäule
erstarrte
Frau Kober an. Es folgt die Strafpredigt: "Das Tier hat keine gesteigerte
Aggression, aber auch keinerlei Erziehung." "Der Hund", so Groos' Urteil,
"macht mit Ihnen, was er will, und sie sind kaum in der Lage, das Tier zu
halten." Die leicht fassungslose Frau schluckt, versucht ein "aber" einzu-
werfen, schweigt schließlich. Ihre Auflage: Hundeschule wiederholen, bei
der Sachkundeprüfung wird auf den Gehorsam von Felix besonders
geachtet werden. Kein schlechtes Ergebnis.

Bis zum nächsten Test hat Groos Zeit, sich über die Gesetze im Bereich
Kampfhunde aufzuregen. "Es gibt keine genetische Disposition, die ein
Verbot bestimmter Rassen rechtfertigen würde", ist er sich sicher. Zum
Beispiel sei in den USA der hierzulande gefürchtete American Staffordshire
Terrier ein beliebter Familienhund. "Wir haben in Deutschland kein Kampf-
hundeproblem, sondern ein Mischlings- und Erziehungsproblem." Die meisten
der gefährlichen Kampfhunde seien unkontrolliert gezüchtete Promenaden-
mischungen. Eine kontrollierte Zucht nach den Vorschriften des Verbandes
für das Deutsche Hundewesen - und damit verbunden der Verzicht auf das
Paaren verhaltensauffälliger Tiere - bringe eine Verbesserung der Sicherheit
ebenso wie die Schulung von Tier und Halter. Hier, so die Forderungen des
Hundeexperten, müßten bestehende Vorschriften ausgenutzt, beziehungs-
weise neue Regeln erlassen werden.

"Das Kampfhunde-Verbot rollt die Sache von der falschen Seite auf", so
Groos. Der Zuhälter, der mit seiner Kampfmaschine angebe, sei damit ebenso
wenig zu treffen wie die Jugendgang mit ihrem Beißer. "Getroffen werden die
braven Bürger, während die gefährlichen Kaliber weiter die Straßen unsicher
machen."

Schwere Vorwürfe richtet Groos an das Frankfurter Ordnungsamt. So würden
rund 90 Zwischenfälle mit Hunden pro Jahr in der Stadt bekannt, aber die
Behörden hätten in den vergangenen drei Jahren lediglich sieben Hunde zum
Begutachten geschickt. "Hier ist bisher geschlafen worden. Hamburg hätte
auch hier sein können", ist sich Groos sicher.

Bullterrier-Mischling Buddy aus Dietesheim mit grauer Schnauze und 14 Jahren
auf dem Buckel ist der Nächste. Er hat beileibe kein Hamburger Kaliber: Nach
einer Stunde des Lockens, Rennens, Drohens und dem gleichbleibend
freundlichen, wenn auch etwas verwirrten Schwanzwedeln des Methusalems
entfährt dem wackeren Hundetester die Bemerkung: "Entweder hat er super-
gute Nerven, oder er sieht mich gar nicht."

---
Thomas Karten (Heidelberg)
 
  • 29. März 2024
  • #Anzeige
Hi watson ... hast du hier schon mal geguckt?
  • Gefällt
Reaktionen: Gefällt 33 Personen
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...entfährt dem wackeren Hundetester die Bemerkung: "Entweder hat er super-
gute Nerven, oder er sieht mich gar nicht."

*lol*

Hoffentlich sieht meine Testerin das in 2 Wochen bei meiner Oma genauso!


Gruß
spiny.gif
Lupo
 
Hallo Kai,

na so Bravo ist der gute Herr Groos nun auch nicht. Er hatte früher ein paar recht derbe Elemente in seinem Test eingebaut. U.a. mußte der Prüfling an dem besagten Gelände vorbei, in dem 3 Schäferhunde "territorial" tobten. Der Prüfling mußte erst in großer Distanz, dann im Abstand von 50 cm und dann freilaufend an diesen tobenden Schäferhunden vorbei. Auf dem Gelände kamen dann auch Hetzärmel und Softschlagstock in Einsatz. Wenn Herr Groos unsicher war, wurde auch mal ein Autoreifen aufgehängt, um die Reaktion des Hundes darauf zu prüfen.
Er stand bei uns auf der schwarzen Liste, also dort nicht hingehen!
Ich selbst hatte einige heftige Auseinandersetzungen mit ihm wegen seiner Prüfungsmethoden und sie öffentich angeprangert. Die läßt er nun draußen und das ist auch gut so. Die Tests von Herrn Groos sind einige der heftigsten, die ich kenne.
Übrigens kann man seine Schäferhundezucht auch im Net besuchen unter


Also ich schicke auch heute keine Leute zum Groos.

Liebe Grüße

Beckersmom
miniroad.jpg
 
Der Artikel klang sehr gut, weshalb besteht dann so ein krasser Gegensatz zu den bisherigen Wesenstesten? Hat der das nur für die Zeitung so gemacht?

Kai
 
Hallo Kai,

der Herr Groos macht mittlerweile recht ordentliche Test. Auch er war lernfähig. Aber seine Tests sind immernoch um einiges härter, wie die anderer Prüfer.
Und das obwohl mittlerweile bald nur noch Polizisten übrig sind.

Liebe Grüße


Beckersmom
miniroad.jpg
 
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