Also zumindest schon bei der Einleitung sollte man nüchtern bleiben um im Detail zu verstehen was gemeint ist.
Aber es klingt tatsächlich lesenswert.
Das Spannende an der Untersuchung ist einfach, dass es sich um Arbeiter und Angestellte handelte. Größenteils Mitglieder "linker" oder sozialdemokratischer Partien, Gewerkschaftsmitglieder. Arbeiter waren damals ja noch sehr viel mehr der nicht rechts-konservativen Ecke zuzuordnen als heutzutage. Und trotzdem zeigen die Befragungen, dass sie rechts-konservative Ideen vertraten, wenn die Befragungen ins Persönliche gingen (Ängste, Sorgen, Vorurteile, Vorstellung von Ehe und Familie, Meinung zu Ausländern, Meinungen zu Gerichtsurteilen).
Das zeigt einfach wie tief Gedankengut, das rechtsextremen Parteien Tür und Tor öffnet in vielen vielen Menschen drinne steckt. Wie schnell aus einer Sorge ein "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!" und letztendlich ein "Endlich tut mal einer was!" (sollte die AfD an die Macht kommen) wird.
Ich habe mal eine Zusammenfassung dazu geschrieben, vielleicht hilft das bei der Buchkaufentscheidung:
Kurzzusammenfassung zu Erich Fromm´s: „Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten
Reiches. Eine sozialpsychologische Untersuchung“,
von B. Fender
Die Studie „Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches“ von Erich Fromm befindet
sich im Feld der Ethnographischen Forschung, da sie die soziokulturellen Lebensverhältnisse
zweier Gruppen erfassen sollte. Betrachtet man Fromm´s Intention die gesammelten Ergebnisse als
Grundlage für eine Gesellschaftstheorie nutzbar zu machen, fällt sie ebenso in den Bereich der
Grundlagenforschung. Zwar waren Arbeiter und Angestellte in den 1920er Jahren nicht kollektiv
Klienten wohlfahrtsstaatlicher Bestrebungen und auch zählte dies nicht zu den relevanten Aspekten
für Fromm, dennoch könnte seine Studie bei genauerer Betrachtung auch in den Bereich der
Adressatenforschung fallen. Sie analysierte schließlich Lebenssituationen und Lebenswelten jener
Gruppen, die am meisten unter der immer restriktiveren Sozialpolitik im letzten Drittel der
Weimarer Republik zu leiden hatten. Wenngleich die Ergebnisse keinen aktuellen Bezug mehr
haben, hätte man sie damals durchaus nutzen können, um Bedarfslagen zu ermitteln.
Im Auftrag des Frankfurter Instituts für Sozialforschung führte Erich Fromm, Leiter eben dieses
Instituts, in Jahren 1929 bis 1931 eine Untersuchung durch, welche die Persönlichkeitsstrukturen
sowie die sozialen, politischen und kulturellen Einstellungen von Arbeitern und Angestellten
erfassen sollte. Seine Mitarbeiterin Hilde Weiß war mit der Durchführung der Untersuchung betraut
(vgl. Bonß 1983, S. 32). Dass es sich hierbei um den Vorabend des Dritten Reiches und somit um
einen historischen Wendepunkt handeln würde, war zum Zeitpunkt der Erhebungen nicht
abzusehen. Erst im Nachhinein wurde deutlich, welch zeitgeschichtlich und soziologisch wertvolles
Dokument Erich Fromm mit dieser Studie erschuf.
Für die Untersuchung wurde ein Fragebogen mit 271 Positionen erarbeitet, die den genannten
Gegenstand der Untersuchung messbar machen sollten. Im Rahmen der Studie wurden 3300 dieser
Fragebögen verteilt, etwa ein Drittel (1100 Fragebögen) kamen ausgefüllt zurück. Tragischerweise
gingen im Jahre 1933 durch die erzwungene Emigration des Instituts in die USA ein Großteil dieser
Fragebögen verloren. Erhalten blieben 584 ausgefüllte Fragebögen, die die Grundlage von Fromm´s
Untersuchung darstellen. Im Jahr 1939 trennte Erich Fromm sich vom Institut für Sozialforschung,
da es in der aus Anna Hartoch, Herta Herzog, Ernst Schachtel, Paul F. Lazarsfeld und Erich Fromm
bestehenden Arbeitsgruppe zu einem Streit um die besagte Studie kam. Dies führte dazu, dass die
Ergebnisse der Untersuchung erst 50 Jahre nach ihrer Durchführung veröffentlicht wurden (vgl.
Bonß 1983, S. 8 )
Fromm´s Studie ist lediglich als erster Versuch zu verstehen, die beiden großen Gruppen Arbeiter
und Angestellte im Hinblick auf ihre sozialen und psychologischen Einstellungen, sowie ihre
kulturellen und politischen Sichtweisen hin zu untersuchen. Es ging ihm nicht darum ein
umfassendes Persönlichkeitsprofil der gesamten deutschen Arbeiterschaft zu erstellen. Schon die
relativ geringe Stückzahl der verteilten und letztendlich ausgefüllten Fragebögen können nicht auf
eine Repräsentativität der Studie schließen lassen. Die Absicht ein umfassendes Bild über den
deutschen Arbeiter schlechthin zu gewinnen würden nicht nur hieran scheitern, sondern letztendlich
auch an den Grenzen größtenteils quantitativer Untersuchungen. Es ging Erich Fromm zudem nicht
darum bestimmte Thesen zu bestätigen oder zu widerlegen. Stattdessen sollte empirisches Wissen
gesammelt werden, welches für die Ausarbeitung einer Gesellschaftstheorie nötig ist. Als Vorbild
galt hier die amerikanische Sozialforschung, die die Bedeutung umfassender empirischer
Untersuchungen aufzeigte. Außerdem sollte die Untersuchungen dazu dienen, Erfahrungen zu
sammeln und ähnliche Untersuchungen mit verbesserten Texten fortzusetzen (vgl. Fromm 1983, S.
52).
In den Fragebögen wählte Fromm sowohl quantitative, als auch qualitative Ansätze. Das heißt die
Fragebögen enthielten sowohl Multiple-Choice-Fragen, als auch Fragen die eine persönlich
ausformulierte Antwort erforderten. Neben einer rein deskriptiven Darstellung der Antworten,
wurden sie auch hinsichtlich der politischen Orientierung und dem ökonomischen Status der
jeweiligen Personen untersucht. Anschließend wurde analysiert, inwieweit die
Gesamtpersönlichkeiten der Probanden mit ihrer politischen Zugehörigkeit überein stimmten. Um
dies zu gewährleisten mussten die Antworten nicht nur ihrem Wortsinn entsprechend dargestellt,
sondern auch interpretiert werden.
Die Fragen wurden so konzipiert, dass sie sich in zwei Kategorien einteilen lassen. Zum einen in
Fragen die die objektive Lebenssituation betreffen (Beruf, Einkommen, Bildungsstatus,
Parteizugehörigkeit, etc.) und zum anderen Fragen die subjektive Aspekte wie Vorlieben, politische
Meinungen und Gewohnheiten behandelten. Die zweite Form der Fragen erforderte zum Teil
ausformulierte Antworten.
Der Gegenstand von Erich Fromm´s Untersuchung lässt sich grob in 3 Abschnitte unterteilen. 1. die
soziale, politische und kulturelle Situationen der Probanden, also jene objektiven Aspekte der
Biographie. 2. die sozialen, politischen und kulturellen Einstellungen, also subjektive Bereiche wie
Weltanschauung, politische Ausrichtung, kulturelle und ästhetische Standards oder die Einstellung
gegenüber Frauen sowie der Einfluss von politischer Einstellung und ökonomischer Situationen auf
die Meinungen (vgl. Fromm 1983, S. 93). Und 3. die Herausarbeitung von Persönlichkeitstypen
sowie die politische Haltung. In diesem letzten Abschnitt wurden für bestimmte politische und
ökonomische Gruppen typische Persönlichkeitszüge analysiert. Das bedeutet in diesem letzten
Abschnitt wurde nicht mehr die Quersumme aller Antworten betrachtet, sondern die Gesamthaltung
einer jeweiligen Person. Es ging also nicht mehr nur darum was alle Befragten in der Gesamtheit
mehr oder weniger antworteten, sondern welchen Persönlichkeitstypus eine einzelne Person erfüllte
und wie das in Zusammenhang mit ihrer politischen und ökonomischen Zugehörigkeit zu setzen
war. Hieraus ließen sich wiederum 3 verschiedene Persönlichkeitstypen bilden. Dies sind jedoch
sehr grob gefasste Kategorien die in sich Abstufungen und Unterschiede aufweisen.
Für den ersten Abschnitt blieben die Ergebnisse im Rahmen des Erwarteten. Die Probanden waren
waren mehrheitlich atheistisch (57%) und gehörten zu 79% den damaligen Arbeiterparteien wie
KPD, SPD oder Linkssozialisten an. 77,2% der Befragten gehörten Gewerkschaften an. Die
Minderheit der Befragten stellten Bürgerliche und Nationalisten da. Das Durchschnittsalter lag bei
31 Jahren und der Frauenanteil lag bei 8% (vgl. Fromm 1983, S. 80 ff.).
Im zweiten Abschnitt ließen sich immer wieder Korrelationen zwischen politischer Zugehörigkeit
und der Bewertung von gesellschaftlichen Themen finden. So antworteten beispielsweise die KPD
Anhänger häufiger in einem marxistischen Sinne, als die der SPD Mitglieder (vgl. Fromm 1983, S.
95-96). Widersprüchlicher wurde das Bild im privaten Bereich. Hier antworteten die Probanden
häufig entgegen ihrer politischen Zugehörigkeit autoritär und konservativ. Diese Auffälligkeit ist
nicht nur der damaligen Zeit geschuldet. So äußerste sich beispielsweise die KPD bereits in den
1920er Jahren positiv zur Frauenarbeit, ihr Mitglieder bestanden bei der Befragung jedoch zu etwa
einem Drittel auf konservative Werte (vgl. Fromm 1983, S. 183 ff.).
Fromm konstruierte aus den Ergebnissen eine politisch-psychologische Typologie. Er unterschied
zunächst in in drei Hauptgruppen: radikale/sozialistisch-kommunistische, antisozialistischautoritäre
und kompromissorientierte/reformistische Haltungen. Eine vierte Einteilung, der
ambivalente Persönlichkeitstypus, kam jenen zu die keiner dieser Haltungen entsprachen (vgl.
Fromm 1983, S. 231). Hierbei ist fraglich inwieweit diese Typisierung anwendbar ist und ob sie
tatsächliche Persönlichkeitstypen darstellt oder sich lediglich an den Programmen der damaligen
Parteien orientierte.
Als wichtigstes Ergebnis seiner Untersuchung beschreibt Fromm die Tatsache dass nur 15% der
Befragten ein konstantes Weltbild im Sinne der Weimarer Linken (sozialistisch-kommunistische)
und nur 40% ein relativ linkes Weltbild hatten. Nur der ersten, kleineren Gruppe traute Fromm
einen aktiven Widerstand gegen autoritäre Strömungen zu. Bei der zweiten Gruppe sah er lediglich
eine durchschnittliche Immunität gegen faschistische Tendenzen. Dies zeigt dass es den
Arbeiterparteien nicht gelungen war, ihre Mitglieder einheitlich und parteikonform zu halten. Bei
den befragten Nationalisten war das Bild einheitlicher, sie antworteten zu 77% ihrer
Parteizugehörigkeit entsprechend autoritär. Desweiteren wurde deutlich, dass es Unterschiede
zwischen befragten Wählern und Parteifunktionären gab. Die Wähler antworteten häufiger autoritär
und somit für ihre Parteizugehörigkeit untypisch, als die Parteifunktionäre.
Zusammenfassend zeigt die Untersuchung die enttäuschende Diskrepanz zwischen dem verbal nach
außen getragenen Antifaschismus von Arbeiterbewegung, Gewerkschaften und Partien und dem
innerlichen Empfinden und der Weltanschauung seiner Mitglieder.
Zwar bleibt fraglich ob die radikale Linke, wie von Fromm angenommen, die einzig mögliche
Strömung zur Verhinderung faschistischer Staatsbestrebungen ist. Dennoch lässt sich nicht leugnen,
dass Arbeiter und Angestellte keine homogene Gruppen sind und nicht einheitlich jenes Weltbild
vertraten, das man ihnen zuordnet.
Literatur:
Bonß, Wolfgang: Kritische Theorie und empirische Sozialforschung: Anmerkungen zu einem
Fallbeispiel, in: Fromm, Erich: Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches. Eine
sozialpsychologische Untersuchung, bearbeitet und herausgegeben von W. Bonß, Deutscher
Taschenbuchverlag, München 1983, S. 7-46.
Fromm, Erich: Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches. Eine
sozialpsychologische Untersuchung, bearbeitet und herausgegeben von W. Bonß, Deutscher
Taschenbuchverlag, München 1983.