Die Geschichte von Jack

Puck

15 Jahre Mitglied
Nachdem ja in letzter Zeit eine Menge unerfreuliche Dinge hier im Zusammenhang mit Rottweilern zu lesen stand, aus welchen Gründen auch immer, und ich es ja schon lange versprochen hatte, und auch unser Mir-san-Hund Heft in der sie veröffentlicht werden sollte jetzt raus ist, kommt hier mal eine gut ausgegangene Geschichte eines Rottweilers:

Die Geschichte von Jack, oder was Menschen an Hunden anrichten können.

Es war im heißen Juli dieses Jahres. Schon einige Zeit lang geisterte durchs Kampfschmuser-Forum im Internet ein Hund. Es begann mit einem Hilferuf nach einem Pflege- oder Dauerplatz für einen armen Hund. Er wurde geschildert als ein armer Kerl aus einem Ort im nördlichen Bayern. Er war ein Rottweiler ca. 1,5 Jahre, namens Jack, der wie es hieß, schon vom Ordnungsamt bedroht war, weil er einen völlig ungerechten Wesenstest nicht bestanden haben sollte. Es wurde gesagt, dass er Punks gebissen haben sollte, von denen er misshandelt worden war. Also, man suchte verzweifelt einen Platz für ihn, er musste dort weg. Dann begann die in der Kampfschmusergemeinde manchmal übliche Diskussion, und es zog sich über einige Zeit hin, bis plötzlich die Nachricht kam, Jack sei tot, eingeschläfert!
Ich hatte schon die ganze Zeit alles mitgelesen, und mir auch so meine Gedanken gemacht, wie man dem armen Tier helfen könnte. Von der Nachricht von seinem Tod war ich genauso schockiert, wie alle anderen Leser im Kampfschmuser-Forum.
Nach ein paar Tagen wurde ein neues Thema eröffnet, und es hieß, Jack sei doch am Leben, er sei nicht eingeschläfert worden, aber dort, wo er jetzt sei, müsste er auch dringend weg, weil er schon wieder auffällig geworden wäre, angeblich ein Kind gestellt habe, und er sei nun doch viel problematischer als angenommen.
Inzwischen hatte ich mich auch telefonisch mit der Verfasserin des Themas in Verbindung gesetzt, und es hieß, es gäbe verschiedene Leute, die Jack aufnehmen wollten, aber wie so oft, scheiterte es an allen möglichen Dingen und Unwägbarkeiten. Also fasste ich mal wieder einen meiner einsamen Entschlüsse, ich wollte Jack rausholen, einfach wissen, was es mit diesem Hund wirklich auf sich hat, und dann entscheiden, wie ich ihm helfen könnte. Es war dann eigentlich mit einem Telefonat erledigt, jemanden (aus dem m-s-H Team München) zu finden, der mitfahren könnte, damit ich nicht allein mit diesem „Monster“ im Auto wäre.
Am nächsten Tag fuhren wir also dahin, es war eine lange Fahrt, am Nachmittag waren wir endlich dort, und wurden den Hunden der Verfasserin des Hilferufs vorgestellt, ich denke mal, sie wollte sehen, wie ich mit Hunden umgehen kann.
Dann wurden wir dorthin gebracht wo Jack war. Er wurde herausgeholt, und zeigte sich als ein Hund, der offensichtlich den, der ihn an der Leine hat, meint gegen alles und jeden verteidigen zu müssen. Er hat natürlich dann auch zu Anfang mich fixiert, die Verfasserin des Hilferufs, die ihn ja jetzt an mich übergeben wollte, traute der ganzen Situation nicht so recht, und warnte mich immer wieder.
Ich machte dann nach kurzer Überlegung etwas, was ich jetzt nicht unbedingt zur Nachahmung empfehlen möchte, und darum auch hier nicht näher beschreiben will, denn es hätte auch schief gehen können. Auf jeden Fall war es eine Sache von Sekunden, dass Jack wusste, dass ich nicht sein Feind bin und ich ihn „umgepolt“ hatte. Er musste dann gleich lernen in ein 2-türiges Auto einzusteigen, aber ich hatte bei seiner „Umpolung“ auch gleich soviel Vertrauen in ihn gefasst, dass ich ihn einfach auf den Rücksitz setzte, ohne die Anhängevorrichtung, die ja vorhanden gewesen wäre, zu benutzen. Jack war einfach brav.
Er hatte mich angenommen, wie sehr sollte ich erst später merken!
Wir bekamen noch zwei Impfpässe mit, die mir beide nicht so ganz astrein erschienen, und außerdem waren darin die Namen der Vorbesitzer geschwärzt. Aber dafür konnte die Verfasserin des Hilferufs auch nichts, denn sie hatte den Hund ja dort rausgeholt. Ich habe zwar die geschwärzten Stellen in den Impfpässen sichtbar gemacht, mache aber keinen Gebrauch davon, denn diese Leute sollen inzwischen Tierhalteverbot haben.
Wir fuhren also mit Jack in Richtung Heimat. Nachdem wir aber ja den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten, und ich Jack auch noch etwas näher kennenlernen wollte, und er auch noch raus musste bevor es auf die Autobahn ging, beschlossen wir, gleich noch in einem kleinen Landgasthaus einzukehren.
Bevor ich Jack aus dem Auto holte, fragte ich aber doch lieber mal nach, ob wir denn mit dem Hund da willkommen wären. Dann, nach positiver Auskunft, und einem kurzen Spaziergang auf der nahen Wiese setzten wir uns im Biergarten vor der Wirtschaft, so dass Jack am Rand außen war, und eigentlich niemand direkten Kontakt zu ihm haben müsste.
Ich hatte die Bedienung, es war die Wirtin, gebeten, nur von der anderen Seite an den Tisch zu treten, und erklärte, dass wir den Hund noch nicht kennen, und ihn erst vor 10 Minuten übernommen haben. Und dass er als gefährlich gilt.
Jack hatte sein Wasser und etwas Futter bei sich stehen und lag friedlich neben dem Tisch und schien zu schlafen, die Leine war an meinem Oberschenkel befestigt, wie ich es immer mache, wenn ein Hund im Lokal dabei ist. Bis zu dem Moment, als ein älterer Mann, der nach Bier roch, aus der Wirtschaft kam und hinter mir stehen blieb, wo ich ihn nicht sehen konnte und auch nicht sah, wie nahe er an mir war, und sich mit uns über den schönen Hund unterhalten wollte. Da er aber leicht schwankte, so wurde es mir nachher erzählt, wollte er sich an meiner Banklehne einhalten. In dem Moment sprang Jack aus dem Liegen ohne Vorwarnung auf den Mann los und zwar in Brusthöhe. Ich hatte keine Zeit, die Gabel wegzulegen, als ich Jack am Halsband einfing, aber durch seinen Schwung kam Jack bis auf ca. 10 cm an den Mann hin, hat ihn aber nur angespuckt, aber fast mich samt der Bank umgeworfen. Der Mann war genauso erschrocken wie ich und ich glaube Jack war es auch, denn er meinte sicher, alles richtig gemacht zu haben.
Und jetzt muss ich sagen: Hochachtung vor diesen Leuten! Alle waren erschrocken, aber es kam kein einziges negatives oder gar böses Wort. Ich hatte ja schon vorher erzählt, dass wir den Hund erst rausgeholt hatten, und ihn nicht kennen, alle hatten Verständnis und waren einfach nur nett. Es war direkt peinlich, dass sich der Mann auch noch entschuldigen wollte, weil er so nahe zu uns hergekommen war. Er wollte meine Entschuldigung gar nicht hören!
Soviel Verständnis von Fremden für einen „Problemhund“ habe ich noch nie erlebt!
Später gingen wir mit Jack dann noch spazieren, und ich konnte ihn etwas näher kennenlernen.
Dann ging es Richtung Heimat. Meine Begleiterin telefonierte alle möglichen Kampfschmuser durch, die mir für den Fall der Fälle Hilfe angeboten hatten – dafür hier noch mal Dank - um zu berichten, dass wir klarkommen. Ich hatte sehr oft die rechte Hand bei Jack hinten, um ihn zu streicheln, und er genoss es, es gab ihm auch Sicherheit, und ich denke, es war erstmals in seinem Leben, dass er so was wie Zuwendung erlebte.
Später, als ich meine Begleiterin bei ihr zuhause absetzte, und mit Jack kurz Gassi ging, wollte er sie nach 5 Minuten Abwesenheit wieder stellen. Da wurde mir klar, was mit Jack geschehen war, er war zur Kampfmaschine ausgebildet worden, oder man hatte es zumindest versucht.
Bei mir zuhause wurde ich von einer treuen Mitstreiterin aus dem m-s-H Team München erwartet, es war inzwischen weit nach Mitternacht, um Jack mit meinen eigenen Hunden bekannt zu machen. Aber es gab keine Chance. Jack wollte mich gegen meine Hunde verteidigen. Ich musste sie getrennt halten.
Die Nacht verbrachte ich mit Jack im vorderen Teil des Hauses, meine Hunde waren hinten.
Aber diese Nacht war auch recht unbequem, denn ich schlief mit Jack auf der Couch und er folgte mir, wie der sprichwörtliche kleine Hund, auf Schritt und Tritt. Im Umgang mit ihm bemerkte ich dann, dass dieser arme Kerl so gut wie nichts kannte, und eigentlich auf alles, was uns zu nahe kam, losgehen wollte. Andererseits aber war er für jegliche Zuwendung unendlich dankbar. Auch musste ich Spuren von Tritten oder Schlägen und Misshandlungen feststellen. Sein gesundheitlicher Zustand schien mir auch nicht gerade optimal zu sein. Aber man merkte deutlich, dass er abgerichtet worden war, aber wie! Gleichzeitig war Jack ein sehr kluger und lernfähiger Hund, und zugleich unheimlich zuwendungsbedürftig, und mit Belohnung bekam ich von Jack alles. Er war ein zwar rabaukenhafter, aber unheimlich lieber Hund.
Dann als ich mit ihm spielte und am Boden rumtollte, was Jack auch scheinbar nicht so recht kannte, hatte ich plötzlich einen Rottweiler am Hals hängen, so nach dem Motto: „Schau her Herrle, das hab´ ich auch noch gelernt. Es war zwar absolutes Spiel, aber er hatte mich am Hals! Ich tat so, als ob ich es nicht bemerkt hätte. Aber es gab mir doch zu denken, was hatte man mit diesem Hund gemacht! Man hatte versucht, aus diesem Hund eine Waffe zu machen, und als die Waffe nicht mehr beherrschbar war, sollte sie weg!
Am nächsten Tag musste ich nun entscheiden, was man tun könnte. Dieser Hund musste dringend sozialisiert werden. Diese Fixierung auf mich von diesem Hund wegzubekommen, schien mir alleine nicht mehr zu schaffen zu sein, und es wäre die einzige Möglichkeit, aus diesem armen, verdorbenen Hund einen „normalen Hund“ zu machen. Denn er würde sich auch gleich wieder auf seinen nächsten neuen „Herrn“ fixieren, wenn der nur einigermaßen nett zu ihm wäre. Aber dazu brauchte man mehrere Leute, die ich nicht hatte. Und er müsste weg von mir. Ich hatte da so eine Idee, und so gab ich Jack in Obhut, wo er erstmal ca. eine 3/4 Stunde brauchte, um sich gefahrlos übergeben zu lassen, denn er wollte ja niemand in meine Nähe lassen und jeden packen, der zu nahe kam. Ich musste mich von Jack trennen!
Ich könnte heute noch heulen, wenn ich daran denke, wie er schaute, als er sich endlich widerstrebend wegführen ließ.
Nach meinem Vorschlag wurde Jack ganz alleine in einen Zwinger getan, und erstmal ganz in Ruhe gelassen. Man musste ganz bei Null anfangen. Er musste lernen, dass es ein Leben ohne Schläge oder andere Misshandlungen gibt. Dann musste er lernen, immer mit wechselnden Menschen Kontakt zu haben, und immer nur positive Erfahrungen. Und dabei musste ich mich völlig von ihm fernhalten, um nicht wieder alles zu gefährden, so schwer es mir auch fiel.
Und es funktionierte, und sogar viel schneller, als ich es erhofft hatte!
Nach kurzer Zeit hatte Jack gelernt, dass er niemanden mehr verteidigen muss, und dass es eine Welt ohne Prügel gibt. Die Sozialisierung dauerte etwas länger, ging aber auch relativ rasch. Er hatte nur noch leichte Probleme mit anderen Rüden, aber auch das ließ sich beherrschen. Der Hundetrainer arbeitete sehr oft mit Jack, und Jack machte große Fortschritte.
Natürlich erhielt ich nahezu täglich Nachrichten von Jack, durfte mich aber erst nach einigen Wochen bei ihm sehen lassen, und mit ihm spazieren gehen.
Inzwischen konnte sich Jack längst auf seinem neuen Platz sehr gut einleben, er hat dort Leute, die schon mehrmals „Problem-Rottweiler“ hatten, und er kann sein Haus und Grundstück bewachen, ohne dass er eine Gefahr sein wird.
Und ich, der ich bis dahin eigentlich gar kein besonderer Rotti-Fan war, betrachte Rottweiler nun mit ganz anderen Augen!

Puck, Wicki und Frodo

:hallo:
 
  • 29. März 2024
  • #Anzeige
Hi Puck ... hast du hier schon mal geguckt?
  • Gefällt
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Und noch ein Bild, im Hintergrund sieht man übrigens die Bank vor dem Wirtshaus, wo wir waren.

Puck, Wicki und Frodo:hallo:
 
Schön das sich alles so gut entwickelt hat.
Da sieht man mal wieder, das man nie aufgeben sollte und jedes Tier ein zweite Chance verdient.
 
Mir jagt es richtige Schauer über den Rücken wenn ich die Geschichte lese....Wunderbar das sich alles so super entwickelt hat.Jack ich wünsche dir von Herzen alles Gute in deiner neuen Familie,genieße dein (Hunde-)Leben.Vielen Dank Wolfgang:)
 
Ach Wolfgang , ich brenne ja schon lange drauf , mehr zu erfahren ......... ******* vor Tränen die mir runterlaufen , kann ich kaum schreiben .............:heul:
Du kannst dir nicht vorstellen wie glücklich gerade mich dieser Bericht von dir macht .
Meinen Dank und meine Hochachtung habe ich dir ja schon mal geschrieben .
Mir fehlen einfach die Worte .


Danke !!!!!!!!!! Danke im Namen von Jack !!!!!!!!!!!!!!!!!
 
Toll das zeigt mal wieder das man mit viel Liebe und gedult sehr viel erreichen kann und auch ein agressieven Hund umpoolen kann ....
 
danke, wolfgang, ich kann dir gar nicht asgen, wie froh ich bin, dass es dich gibt. grüß Jack von uns allen - wir wünschen ihm von Herzen das schönste Leben, das ein Hund haben kann, maike
 
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