Der Spiegel : Frauchen ist der beste Freund

merlin

20 Jahre Mitglied
Frauchen ist der beste Freund"

Tierpsychologin Nicole Nowak, 34, über trauernde Hunde und Nägel kauende Katzen

SPIEGEL: Frau Nowak, haben Tiere Gefühle?

Nowak: Sie empfinden Trauer, Lebensfreude, Angst - und können sogar beleidigt sein. Wer will das widerlegen? Die meisten Experimente mit Haustieren scheitern daran, dass die Versuchssituation nicht dem wahren Leben mit dem Menschen entspricht. Ich habe einen Hund in Therapie, dessen Herrchen vor 18 Monaten gestorben ist. Der rast immer noch nach jedem Spaziergang durchs Haus und sucht alle Zimmer ab. Bei jedem Gang zum Friedhof jault er am Grab. Wie bitte soll man das nennen, wenn nicht Trauer und Verlustgefühl?

SPIEGEL: Anpassung. Auf den Hund überträgt sich die Trauer in seiner Umgebung.

Nowak: Damit lässt sich aber nicht erklären, warum manche Hunde jaulen, wenn ihre Besitzer aus dem Haus gehen. Die versuchen dann um jeden Preis, Aufmerksamkeit zu bekommen, selbst wenn sie dafür geschlagen werden. Solche Hunde fürchten die Einsamkeit.

SPIEGEL: Wie kann man einem trauernden Hund helfen?

Nowak: Er braucht Übungen, die ihn geistig fordern. Man wirft einen Ball, und bevor er aufprallt, pfeift man den Hund zurück. Oder man trainiert ihn darauf, Gegenstände zu erkennen. Man muss ihn ablenken und beschäftigen.

SPIEGEL: Trauern Hunde anders als Pferde oder Katzen?

Nowak: Die Symptome sind oft gleich: Sie fressen nicht und werden lethargisch. Doch ein Pferd stößt keine wimmernden Trauerlaute aus wie Katzen und Hunde. Ursprünglich ist das Pferd ein Fluchttier, das abhaut, wenn ein Artgenosse von wilden Tieren gerissen wird. Ein Hunderudel stellt sich einer Gefahr immer vereint. Für ein Pferd ist der Verlust eines Menschen also weniger einschneidend als für den Hund, der im Zweierrudel mit dem Menschen lebt.

SPIEGEL: Kann ein Mensch einem Tier seelische Grausamkeiten zufügen?

Nowak: Wenn jemand seinen Hund falsch versteht, fühlt der sich schlecht und unsicher. Manche Menschen sperren ihren Rüden tagelang ein und reden nicht mit ihm, weil er einer läufigen Hündin nachgelaufen ist. Sie fühlen sich persönlich missachtet. Das Tier versteht diese Reaktion nicht. Von seinen Artgenossen kennt er Kläfferei und mal eine Rauferei. Aber dann ist auch gut.

SPIEGEL: Gibt es Krankheiten bei Tieren, die psychisch bedingt sind?

Nowak: Tiere wie etwa Käfigvögel, die sich alle Federn ausrupfen, haben Neurosen. Auch Katzen, die an ihren Fußnägeln kauen, verstümmeln sich.

SPIEGEL: Was macht man mit einer Katze, die sich die Fußnägel abknabbert?

Nowak: Man kann ihr natürlich nicht sagen: "Hör mal auf, dein Besitzer hat dich ja eigentlich lieb, nur leider keine Zeit für dich." Man muss herausfinden, warum sie sich schlecht fühlt, dazu ihr Verhalten und ihre Umgebung beobachten und daraus Rückschlüsse ziehen. Leider hat man nicht immer so eindeutige Indizien wie fehlender Auslauf oder fehlender Kontakt mit anderen Tieren.

SPIEGEL: Können Sie einem Tier vermitteln, wie es sich besser fühlen könnte?

Nowak: Tiere fühlen sich besser, wenn sie sich beschäftigen. Wenn man Pferden einen Gymnastikball auf die Weide legt, werden sie dagegen stupsen, sich erst erschrecken und irgendwann damit spielen.

SPIEGEL: Bei wirklich verhaltensauffälligen Tieren wird ein Gymnastikball kaum reichen.

Nowak: Es gibt Katzen, die haben Spielaggressionen: Wenn die mitbekommen,

dass sich der berufstätige Besitzer schon wieder den Mantel anzieht, lauern sie ihm auf und verbeißen sich in seinen Haxen. Denen kann nur geholfen werden, indem der Mensch sich mehr Zeit nimmt. Es gibt auch Hunde, die nicht allein bleiben können. Die zerstören dann alles, was ihnen unter die Zähne kommt: Fernbedienungen, Betten, Sofas.

SPIEGEL: Und wie bringen Sie einem Hund bei, allein zu bleiben?

Nowak: Stück für Stück mit einem Therapieplan. Erst lässt man den Hund mal innerhalb der Wohnung allein, geht ins Bad und sperrt ihn auf den Flur. Dann zieht man sich den Anorak an, hängt ihn aber gleich wieder an die Garderobe. Das weitet man nach und nach aus, geht ein paar Schritte aus der Haustür, kommt aber sofort zurück. Nach einiger Zeit springt der Hund nicht mehr auf, sobald sich der Besitzer erhebt.

SPIEGEL: Viele Menschen finden es sicher großartig, wenn ihnen der Hund hinterherheult. Dann fühlen sie sich gebraucht.

Nowak: Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen ein Tier anschaffen: Ist es ein Partner- oder Kinderersatz oder ein Kamerad zum Joggen? Will der Mensch sich um das Tier kümmern - oder soll es sich um ihn kümmern? Ich war mal bei einer ziemlich wohlhabenden Frau mit drei Katzen. Die servierte denen "Kitekat" auf drei Kristallschälchen und steckte sich anschließend selbst einen Löffel voll in den Mund. Sie wollte ihren Tieren zeigen, dass sie mit ihnen auf einer Stufe steht: "Guckt mal, ihr Kätzchen, Frauchen ist der beste Freund."

© DER SPIEGEL 13/2001
 
  • 19. April 2024
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Hi merlin ... hast du hier schon mal geguckt?
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Ich heiße zwar nicht Nowak, aber hier meine Antworten:

>>SPIEGEL: Frau Nowak, haben Tiere Gefühle?<<

Ich weiß, dass viele Tiere sehr viel mehr Gefühl haben, als manch ein Mensch.

>>SPIEGEL: Kann ein Mensch einem Tier seelische Grausamkeiten zufügen? <<

Tja, sollten wir das mal unsere Regierung fragen???

Liebe Grüße
Ev

Ich halte zu euch,
euer Dean


 
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