- pat_blue
Ich besuche zur Zeit einen Jugendlichen, der mal "bei mir" war, als er zum 1. Mal straffällig wurde. Danach leider noch einige Male mehr und nun sitzt er in der wohl strengsten Einrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene.Das Problem ist, dass es für Kinder, die noch strafunmündig sind, aber trotzdem eine hohe Kriminalität zeigen, nur wenig bis keine geeigneten Strukturen gibt. Das ist aber nicht neu. Ich glaube, ich habe den 12jährigen schon mal erwähnt, den ich im Heim betreut habe und der gerne Mal nachts ausbüchste, um Autos anzuzünden. Zu dem Zeitpunkt gab es keine geschlossene Kinder-und Jugendhilfeeinrichtung, die ihn hätte aufnehmen können. Wir Betreuer hingegen hatten kaum eine Handhabe, mit ihm zu arbeiten oder ihn zu sanktionieren. Uns war natürlich klar, dass der Junge extrem gestört war und es war zu erwarten, dass er seine Aggressionen irgendwann nicht mehr nur an Autos auslassen würde und seine Prognose alles andere als gut war, aber es passierte nichts. Er selbst war sich sehr bewusst, dass ihm aufgrund seiner Strafunmündigkeit nichts "drohte" und er erzählte gerne und mit einem gewissen Stolz, wie viele Autos er schon in Flammen gesetzt hatte. Wie es mit ihm dann weiter ging, weiss ich nicht, weil ich die Stelle gewechselt hatte und das Heim kurz danach aufgelöst wurde.
Aus meinen Erfahrungen heraus finde ich das schweizerische Modell sehr gut, bei dem Kinder ab 10 Jahren strafmündig sind. Das bedeutet nicht, dass die Kinder dann in den Knast gehen, aber es erlaubt, dass die Kinder in entsprechende (geschlossene) Einrichtungen kommen und intensiv mit ihnen gearbeitet wird. Ich kenne einen Psychiater in der Schweiz, der sich auf delinquente Kinder und Jugendliche spezialisiert hat und fand seine Erfahrungen sehr interessant.
Auf der anderen Seite muss man für solche Einrichtungen erst mal das geeignete Personal finden und entsprechend ausbilden. Nicht jeder hat Lust und/oder die Befähigung, mit solchen Kindern zu arbeiten. Dass Kids klauen, auf Trebe gehen, Schule schwänzen, gehört im Heimbereich zum Alltag. Wenn Kinder aber S.exuell missbrauchen oder töten, ist das schon eine andere Hausnummer und das wollen bzw. können sich viele eben nicht antun.
Er ist eigentlich ein überaus freundlicher, intelligenter, junger Mann, leider ist er allen egal, ausser seinen "tollen" Freunden. Das Verfahren wo ich mit ihm zu tun hatte ist seit kurzem abgeschlossen und nun geh ich ihn alle paar Wochen Besuchen. Wohlgemerkt, er muss jeweils die Anträge für den Besuch schreiben. Er freut sich über Besuch von jemandem, den er gar nicht kennt. Seine Mutter wohnt viel näher an der Einrichtung. In 1.5 Jahren war sie ihn nur 1x beim Pflichttermin besuchen. Das ist einfach traurig.
Er hat quasi die "klassische" Laufbahn eines kriminellen Jugendlichen. Kein richtiges Zuhause, keiner der sich für ihn interessiert und Migrationshintergrund. Und die ersten zwei Punkte sind tatsächlich bei "meinen jugendlichen Kunden", immer vorhanden.
Jetzt hat er einen Plan und ich bin eine von denen, die ihm sagt, dass er es schaffen kann. Ich wünsche ihm das er es schafft. Im Juni wird er 18, danach ist fertig "lustig", wenn er wieder straffällig wird.