Ich hatte ja Sorge vor Millis Einzug, dass die langen Spaziergänge stressig werden könnten: Lotta und Tano mit ihrem sehr großem Radius, Kalle, der gerne mal ein bisschen zurück bleibt und dazwischen Milli an der Schlepp. Tatsächlich sind die Spaziergänge sehr entspannt und schön und meine Sorge war unnötig. Wobei wir fast immer allein auf weiter Flur sind und wenn doch mal am Horizont was auftaucht, reicht die Zeit dicke für einen Rückruf.
Milli hat in den 3 Wochen nicht nur gelernt, sich hier problemlos einzufügen, Freundschaften mit Hund und Katz zu schließen und unsere tägliche Routine anzunehmen. sondern ist auch noch super an der Schlepp. Die ist mittlerweile 15 Meter lang und sie lässt sich prima daran dirigieren. Sie kennt "Laaangsam" und knallt nicht mehr in die Schlepp. Auf das Kommando "Weiter" kommt sie mit und mit Zungenschnalzen lässt sie sich problemlos aus dem Gebüsch zurückrufen, ohne sich zu verheddern. Wenn ich sie rufe, kommt sie und freut sich über Lob.
Witzig ist ihre Reaktion auf Mauselöcher: Sie drückt ihre Nase auf das Loch und wird zur Statue. Das dauert eine Zeitlang, bis schlagartig wieder Bewegung in sie kommt und sie sich auf das Loch stürzt, um zu buddeln. Da ich das nicht dulde, reicht auch ein Zungenschnalzen und ein "Weiter", um sie "mitzunehmen". Sie ist klasse und hat eine wunderbar liebenswerte Art, ihre Freude zu zeigen. Sie kann sich über vieles freuen und lässt immer mal wieder den "inneren Welpen" raus: Dann hüpft sie etwas unbeholfen vor mir, wobei die Vorderbeine ein bisschen vom Boden abheben oder sie schmeißt sich wonnig im Garten auf den Rücken und grunzt genüsslich. Oder sie rennt glückselig mit leicht irrem Blick Runden durch den Garten und kommt, wenn sie genug hat, schwer hechelnd und mit leuchtenden Augen zu mir, um zu hören, wie klasse sie ist. Sie braucht ganz viel Leichtigkeit und Fröhlichkeit.
Ich freue mich so sehr darüber, weil ich auch die Sorge hatte, sie nicht mit ganz so offenen Armen empfangen zu können wie die anderen Tiere. Ein vierter Hund war nicht geplant und ich habe Milli, auch wenn ich sie immer schon mochte, eher aus Pflichtgefühl und Freundschaft aufgenommen. Selbst am Morgen, bevor sie ankam, hatte ich noch Zweifel, ob die Entscheidung richtig war.
Christines Frau hat endlich eine Einigung im Testamentsstreit: Der Bruder und die Mutter von Christine haben sich außergerichtlich bereit erklärt, dass Christines Frau den Gegenwert von Christines Haus bekommt. Damit ist sie abgesichert und die restlichen Tiere auch.
Am 22.12. fahren wir nach Flensburg in das Ferienhaus, in dem wir letztes Jahr schon waren und bleiben bis zum 3.1.2023. Die Weihnachtsabende verbringen wir mit Ann, die wie schon letztes Jahr das Kochen übernimmt. Sie ist eine großartige Köchin und ich freue mich schon darauf. Letztes Jahr hat sie in den Saucenfond vom Braten ein Päckchen Butter eingearbeitet und die Soße war der Hammer. Alles andere übrigens auch. Ich freue mich schon darauf und auch auf den Rotwein am Kamin danach. Ansonsten werden wir die Urlaubszeit nutzen, um mit den Hunden am Strand spazieren zu gehen, zu lesen und zu entspannen.
Wir machen eine Zwischenübernachtung in Münster in demselben Hotel, in dem wir letztes Jahr schon waren, weil das ideal für uns alle war. Ich habe das grade gebucht und dabei sind jede Menge Erinnerungen hochgekommen. Die schwere Erkrankung von Tano, die Rettung quasi in letzter Minute, wobei der TA auf Euthanasie plädierte und ich 3 Tage rausschlug. Die Spritzen jeden Abend, seine "verbrannte Haut" und die Krusten, die in genau diesem Hotel massiv abfielen. Christine, die auf uns gewartet hat und unsere Sorge, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen. Diesmal fahren wir definitiv entspannter.
Ich erinnere mich natürlich auch daran, wie wir endlich bei Christine ankamen und trotz Vorwarnung erschraken, wie abgemagert sie mittlerweile war. Sie arbeitete sich mühsam in ihrem Pflegebett ein bisschen hoch und wir umarmten uns. Ich streichelte sanft ihren Rücken, wobei sie schmerzhaft zusammenzuckte: "Bitte nicht so fest", worauf ich erschrocken innehielt. Sie lehnte sich zurück ins Bett, nahm meine Hand in ihre und legte ihr Gesicht darauf, wobei sie sich unter der Decke einkuschelte. Danach stellte sie das Sprechen ein und sank in einen halbkomatösen Schlaf, aus dem sie nur der Schmerz kurz wecken konnte. Ich hielt Wache an ihrem Bett und gab ihr Morphium in großen Dosen in kurzen Abständen. Die Palliativschwester und der Palliativarzt waren großartig. Sie trauten mir nicht nur zu, die Spritzen zu setzen, so oft es nötig wird, sondern beruhigten mich auch: "Wenn Christine nach einer Morphiumspritze stirbt, liegt es nicht daran, dass Sie zu viel Morphium gespritzt haben, sondern an ihrer tödlichen Krankheit. Sie brauchen keine Sorge zu haben. " Folglich spritzte ich nach, wenn ich den Eindruck hatte, dass sie Schmerzen hat und das waren bis zum nächsten Morgen einige Spritzen. Eine Spritze hielt knapp eine Stunde. Dazwischen streichelte ich sie, sang ihr Gute-Nacht-Lieder vor und war um 5.30 Uhr morgens kurz davor, wegen Übermüdung zusammen zu klappen. Also holte Chris mich ab, nachdem ich Christine versichert hatte, dass ich nur ein bisschen schlafen muss und später wiederkomme und Christines Frau übernahm. Als ich nachmittags wiederkam, war Ann bei Christine und Christines Frau schlief ein bisschen. Die Palliativschwester war auch da und sagte uns, dass es nun schnell gehen könne, weswegen Ann und ich beschlossen, zu zweit bei Christine zu bleiben. Die Palliativschwester hatte uns gut vorbereitet, Christine schlief ruhig und Ann und ich saßen an Christines Pflegebett. Ich erzählte Ann von unserem Romurlaub mit Christine, der so schön war. Sie erzählte von ihrer Freundschaft zu Christine. Es gab einige Momente, in denen wir herzhaft lachten, auch wenn die Tränen sehr nahe waren. Wir waren aber beide entschlossen, die Tränen später zu weinen.
Irgendwann begann das von der Palliativschwester beschriebene Todesröcheln, trotzdem schlief Christine ruhig und hoffentlich schmerzfrei. Ann und ich plauderten weiter über schöne Momente in Christines Leben, bis wir merkten, dass sie sich nun auf den Weg macht. Ihre Atmung wurde unregelmäßiger. Wir sagten ihr, dass wir sie lieben, alles in Ordnung ist und sie nun loslassen und ins Licht fliegen kann. Das tat sie auch.
Ein großes Geschenk von Christine an mich ist die Freundschaft zu Ann. Es verbindet sehr, eine gemeinsame Freundin zu begleiten, wenn diese stirbt. Es gibt auch eine enge Verbindung zwischen Ann und Chris, weil er mir und auch ihr den Rücken freigehalten hat, als wir Christine begleiteten.
Für Milli ist es der erste Urlaub mit uns und ich bin gespannt, wie sie reagieren wird. Sie kennt natürlich Ann und auch die Strände, an denen wir spazieren gehen werden. Ein Jahr später halt.