Gestern nach dem Silvesteressen wollten Chris und ich mit den Tieren gemütlich auf dem Sofa chillen. Dabei kam es zu einem bösen Schreckmoment: Ich streichelte den wie üblich an mich geschmiegten Tano unter dem Kinn. Im Leishmanioseschub war es völlig verkrustet. Die Krusten sind nach und nach abgefallen und darunter war eine zarte, samtige, weiche Haut. Tano liebt es, wenn er dort gekrault wird und macht den Hals ganz lang dabei. Gestern fühlte ich beim Kraulen Widerstand und eine härtere Hautoberfläche. Mein erster Gedanke war "Oh Mann, er hat neue Krusten". Die Inspektion mit einer Taschenlampe gab Entwarnung: Dort wachsen neue Haare und die fühlen sich durch die Kürze stoppelig an. Boah, waren wir erleichtert.
Die Franzosen lieben Feuerwerk und es gab hier auch keine Einschränkungen. Da es unser erstes Silvester hier war, hatten wir keine Ahnung, was uns erwartet. Spätabends böllerte es gelegentlich mal weit weg vor, aber das ließ die 3 knallfesten Hunde kalt und Krümel hört so gut wie nichts mehr. Vor Mitternacht bunkerten wir uns ein, alle Rolläden herunter und laute Musik im Wohnzimmer. Das war auch gut, denn im Dorf gab es ein Feuerwerk, das vielleicht 5 Minuten dauerte. Danach: Ruhe. Also beschlossen wir, um 0.20 Uhr die Rolläden wieder hochzufahren und auf der Terrasse eine Zigarette zu rauchen. Wir saßen draußen, die Hunde lümmelten auf dem Sofa und in Kudden und dösten oder schliefen.
Um 0.30 Uhr schien die Umgebung zu explodieren: Auf einmal knallte es in allen möglichen Formen auf der Straße und in der näheren Umgebung. Raketen, Böller, zisch-zisch, peng, krawumm. Kalle, Tano und Lotta schossen in den Garten, um nachzuschauen, was da abgeht, empört bellend. Krümel schlief weiter. Kalle war ganz vorne, hinter ihm liefen Lotta und Tano. Lotta beschloss aber schnell, lieber zurück zu uns zu kommen und von dort aus empört mitzubellen. Tano ging noch ein paar Schritte mit, kam dann aber auch lieber zu uns. Kalle merkte, dass die anderen den ungeordneten Rückzug angetreten hatten und konnte sich nicht ganz entscheiden, wie es weitergehen soll. Um ihm die Entscheidung abzunehmen, rief ich ihn ab und er kam sehr freudig und erleichtert zu uns. Alle Hunde hätten ins Haus gehen können, blieben aber bei Chris und mir. Um ihnen nicht noch mehr Aufregung zuzumuten, ging ich ins Haus und Lotta, Tano und Kalle folgten in genau der Reihenfolge. Wobei alle kurz innehielten, um nach Chris zu schauen, der noch draußen war: "Komm schnell!" Und dann war wieder alles gut: Wir lagen wieder alle gemeinsam auf dem Sofa, die Hunde übergaben uns quasi vertrauensvoll die Schicht, schliefen ein und schnarchten vor sich hin. Krümel war übrigens überhaupt nicht erst aufgewacht.
Tano hat heute die 25. Spritze bekommen, es bleiben also nur noch 3 Spritzen. Ich weiß noch, wie mir das am 9.12. nach der erste Spritze, die ihm der TA gegeben hat, wie eine Ewigkeit vorgekommen ist und wie angespannt ich vor der ersten "eigenen" Spritze hatte. Und nun sind wir fast durch. *freu*
Das letzte Jahr war so viel und so prall, wie Chris und ich feststellten, als wir das Jahr Revue passieren ließen. Viel Freude, aber auch viel Traurigkeit und Sorge. Haussuche, Hauskauf, Chris Kündigung, Chris Bewerbung auf eine neue Stelle und Einstellung, Entrümpeln, Umziehen, Kalles Cauda Equina und fast-Operation, Noels Adoption, Lottas Verschwinden, Tanos Leishmanioseschub und natürlich Christine, um die wir immer wieder bangten, aber auch so viele wunderschöne Momente mit ihr hatten. Ich vermisse sie so sehr.
Vorgestern war die Trauerfeier für Christine und sie war nach den Erzählungen und Bildern sehr schön und liebevoll. Dies, obwohl die Mutter mit drei Leuten aus ihrem Freundeskreis aufgeschlagen ist, aber immerhin war der Bruder nicht da. Der Sarg war, wie Christine es sich gewünscht hat, mit Sonnenblumen geschmückt. Heike, die Seelsorgerin gestaltete die Trauerfeier sehr liebevoll und hatte öfter selbst Tränen in den Augen, wenn sie von Christine sprach. Die Mutter ist Heike nach der Trauerfeier böse angegangen, aber Heike hat das souverän von sich abprallen lassen. Dann erzählte die Mutter einem ihr fremden Nachbarn, wie schrecklich alles gelaufen ist und wie böse die Freundinnen von Christine seien. Der wusste aber durch seine Frau, die mit Christine befreundet war, dass die Familie "etwas schwierig" ist und ließ sie quasi stehen.
Ich wäre so gerne dabei gewesen, aber es war die richtige und vernünftige Entscheidung, Chris und mir den Stress nicht anzutun. Wir hatten davon so viel im letzten Jahr und es ist Zeit für ein bisschen Ruhe und "wieder-Herunterkommen". Es hat Chris und mir gutgetan, die letzten Tage einfach zu entspannen. Chris war zwar im Homeoffice, aber zwischen den Jahren passiert so gut wie nichts, weil die allermeisten in Urlaub sind. Weswegen Chris schon immer zwischen den Tagen arbeitet und wir die Urlaubstage anders verwenden.
Seine nicht mehr ganz neue Stelle ist ein Geschenk. Chris liebt seine Projekte, kommt gut mit seinen Kollegen und seiner Chefin zurecht und die Firma hat grade allen Angestellten einen Urlaubstag geschenkt, weil aufgrund Corona keine Weihnachtsfeiern stattfinden konnten. Seine Chefin ist halbe Schwedin und sie unterhalten sich auf Schwedisch, wenn sie zu zweit sind. Offensichtlich sind beide froh, auch mal auf schwedisch kommunizieren zu können. *lach*
Was wir damals bei der Kündigung noch nicht wussten, sich aber als großes Glück erwies, war, dass Chris seine neue Stelle exakt einen Tag nach der offiziellen Kündigung der alten Firma angetreten hat. Chris war über ein halbes Jahr bei vollem Gehalt freigestellt und das hat uns beim vor, während und nach dem Umzug sehr geholfen. Wenn er in der Zeit hätte arbeiten müssen, wäre es richtig stressig geworden. So konnten wir uns alles gut einteilen und entsprechend verteilen.
Es war also ein sehr lebendiges Jahr mit einigen Herausforderungen. Eigentlich mag ich Lebendigkeit und Bewegung im Leben. Ein guter Freund nannte mich mal "umtriebig". Aber dieses Jahr war es selbst für mich ein bisschen zu lebendig. Für das nächste Jahr wünsche ich mir ein bisschen weniger Lebendigkeit. Das wird aber kein Problem sein, weil wir dieses Jahr ein festes Zuhause haben, in dem wir uns sehr wohlfühlen. Ein Umzug steht also nicht zur Debatte.
Frankreich war eine der besten Entscheidungen ever. Wir fühlen uns so wohl hier und lieben (fast immer) die französische Mentalität. Unsere Nachbarn sind klasse. Wir haben uns, als wir herzogen, gewünscht, dass sie unsere Tiere tolerieren. Nun entwickeln sich unsere direkten Nachbarn zu Freunden, mit denen wir gemeinsam Weine bestellen und auch die anderen Nachbarn sind freundlich und tierlieb. Als Frau an einer roten Ampel zu stehen macht hier wesentlich mehr Spaß als in den Ländern, in denen wir bisher gelebt haben. Zumindest, wenn ein Mann am Steuer im Auto nebenan sitzt. Ein Blick, ein charmantes Lächeln vom Fahrer nebenan, ein Lächeln von mir zurück. Dann wird die Ampel grün und das Warten darauf war gar nicht so übel.