Boah, Kalle heute. Dem schießt der Frühling in seine müden Knochen.
Unser normales Ritual ist, dass Kalle sich an der Pferdeweide absetzt und über die Weide nach unten läuft, während wir den Feldweg neben der Weide nehmen. Wenn wir unten sind, kommt Kalle nachgetrödelt, sieht sich aber erst mal ausgiebig auf der unteren Weide um. Da liegt ein umgestürzter Baum, es wächst viel Gebüsch und das Ende der Weide ist begrenzt von einem Bach. Er schnüffelt sich durch zum Bad, plantscht ein bisschen herum, schnüffelt sich zurück und quetscht sich unter dem Zaun zu uns durch. Dann gibt es ein Leckerlisuchspiel für alle. Heute pfiff Kalle allerdings auf unsere Routine und ging im Bach plantschend um einiges weiter hoch und reagierte weder auf Pfiff noch auf Ruf. Ich bin nicht sicher, ob er mich bewusst überhört hat oder mich wirklich nicht gehört hat. Er reagierte gar nicht, obwohl er normalerweise sowohl bei Abruf als auch bei Pfiff sofort kommt.
Irgendwann wurden die anderen Drei etwas nervig, weil so gar nichts passierte. Also gingen wir langsam zurück zum Auto. Da, wo Kalle war, drohte ihm allein keine Gefahr und er weiß, wie es zurück zum Auto geht. Ich war sicher, dass er uns irgendwann sehr müde folgen würde und wollte ihm mit dem Auto entgegen fahren, um ihn einzuladen, was letztlich auch so kam.
Auf dem Weg zum Auto kamen wir an der Weide des sehr alten Bauers vorbei, den ich von Zeit zu Zeit treffe. Er fährt einen verbeulten R4. Sein Vater war Landwirt mit vielen Weiden, er hat die Landwirtschaft übernommen. Seine Kinder wollten aber nicht weitermachen und so hat er alle Weiden verkauft bis auf eine kleine. Die liegt bis auf einen kleinen abgesteckten Teil brach und wird gelegentlich abgemäht. Auf dem abgesteckten Teil pflanzt er Kartoffeln für die Familie. Er kommt jetzt wieder jeden Tag, um zu schauen, was der Acker macht, nachdem er den ganzen Winter nichts zu tun hatte. Auf unserem Hinweg war er noch nicht da, aber nun stand sein weißer R4 auf dem Acker und er stand gebückt über dem Kartoffelfeld, uns den Rücken zugewandt. Da er nicht mehr gut hört, bekam er meinen Gruß nicht mit. Er nennt mich "Mademoiselle" und benutzt im Gespräch mit mir gelegentlich deutsche Wörter, die er noch kennt. Kalle und er mögen sich sehr.
Als ich die Hunde ins Auto geladen hatte, sah ich am Horizont Kalle auftauchen, der gemütlich durch die Gegend in unsere Richtung zockelte. Ich fuhr ihm vorsichtig ruckelnd über den Feldweg, eher ein Traktorweg, entgegen und rechnete dabei aus, dass wir uns an der Feldwegkreuzung treffen würden, an der die Weide vom besagten alten Bauern anschließt. Dabei hatte ich allerdings nicht einkalkuliert, dass Kalle den alten Bauern doch so sehr mag. Ich sah nämlich aus der Ferne, wie Kalle plötzlich stutzte und sehr aufmerksam wurde: Er hatte bemerkt, dass der weiße R4 auf der Weide steht und wurde nach kurzem intensiven Nachdenken hurtig. Ich holperte weiter über den Weg und beobachtete, wie Kalle auf die Weide lief und zuerst am Auto schnupperte, bevor er den alten Bauern bemerkte, der sich grade aufgerichtet hatte. Kalle näherte sich ihm vorsichtig und blieb auf Distanz stehen, bis der Bauer ihn bemerkte und zu sich lockte. Der Bauer tätschelte ihn und Kalle wirkte sehr zufrieden, als ich ankam. Als ich Kalle einsammelte, bekam ich vom Bauern ein herzliches Lächeln und die Anmerkung, dass Kalle ein ganz lieber Hund sei. Das sah ich in dem Moment naturgemäß etwas anders. gg
Disclaimer on: Da, wo Kalle frei herumgelaufen ist und wo ich ihn schnöde zurückgelassen habe, kann ihm nichts passieren. Keine Straße, auf die er laufen könnte, keine anderen Hunde, die er treffen könnte, keine Menschen außer dem Altbauer auf halber Höhe auf dem Rückweg. Im Bach kann er nur plantschen, aber nicht ertrinken oder weggespült werden. Wäre er nicht in einer vernünftigen Zeit wieder aufgetaucht, die ich für mich mit "Frühlingsgefühle versus C.E" berechnet hatte, hätte ich ihn natürlich gesucht. Disclaimer off.
Natürlich war ich ein bisschen genervt, weil Kalle sich unerwartet abgesetzt hatte und mich und die Hunde einfach stehen ließ. Im Nachhinein überwiegt aber die Freude über seine Unternehmenslust. Als wir ihn adoptierten, war seine Prognose schon ohne die ganzen Knochenprobleme nicht gut. Die kamen dann noch obenauf, als er endlich bei uns war. Im Sommer ist er sechs Jahre bei uns und es geht ihm gut. Trotz Leishmaniose, chronischen Nierenproblemen, C.E. und anderen Knochenproblemen. Er wird dieses Jahr zehn Jahre alt und ich wünsche mir noch ganz viele gemeinsame Jahre. Er ist so klasse.
Nächste Woche Samstag fahren wir in die Toskana. Geplant ist eigentlich eine Zwischenübernachtung in Lyon in dem Krimi-Motel, so dass wir am Sonntag im Ferienhaus ankommen. Die Strecke über Frankreich ist länger, aber für uns mit vier Hunden stressfreier, weil der Gotthardtunnel immer Stau hat und nur Chris fährt. Nun wird in Frankreich grade viel gestreikt und es könnte sein, dass Kraftstoff knapp wird. Wir kommen aber nicht durch Frankreich nach Italien, ohne in Frankreich nachzutanken. Je nachdem, wie sich das entwickelt, müssen wir die Anfahrt umplanen.
Wir werden, wie es bisher aussieht, angenehmes Wetter haben und Kalle wird schwimmen können. Weniger als im Sommer im letzten Jahr, als das Wasser 28 Grad hatte, aber Chris und ich hoffen, dass es ihm trotzdem gut tun wird. Wir werden viel im Garten herumlümmeln und deswegen haben Chris und ich haben zwei Bücher aus unserer jeweiligen Wunschliste gekauft, die wir im Urlaub austauschen können. Ich freue mich auf den Urlaub, auch wenn die Vorbereitungen wie üblich stressig werden gg.