Die Beerdigung von Chris Vater war weniger anstrengend als erwartet. Die zweite Frau von Chris Vater ist Anthroposophin und die Trauerfeier war dementsprechend angehaucht. Ich fand die Witwe schräg, ebenso wie die ältere Halbschwester von Chris. Sehr sympathisch fand ich seine jüngere Halbschwester. Chris und sie möchten sich gegenseitig gerne näher kennen lernen und wird zu uns zu Besuch kommen.
Da die Witwe keine Lust auf einen Trauerkaffee hatte, ist Chris Familie allein essen gegangen. Dabei war auch ein Ehepaar, das bei Chris Vater studiert hat und sich später mit ihm und Chris Mutter angefreundet hat. Ich habe mich sehr gut mit ihnen unterhalten. Überhaupt war die Atmosphäre angenehm und ich habe sogar mit meiner Schwägerin länger gesprochen und wir haben zusammen gelacht. Chris Patentante, die Schwester von seinem verstorbenen Vater, war mit ihrem Mann da und war mit ihren 94 Jahren geistig völlig auf der Höhe, ebenso wie ihr Mann. Die beiden mochte ich sowieso schon immer.
Trotzdem war ich froh, als wir uns verabschiedet hatten und Chris Sohn im Zug zurück in die Schweiz saß. So viel geballte Familie über Stunden empfinde ich als recht anstrengend. Das Restaurant, in dem wir gegessen hatten, ist nur ein paar Kilometer von unserem früheren Wohnsitz entfernt und Chris und ich beschlossen spontan, über Allschwil zurück ins Hotel zu fahren und unsere alte Wohngegend zu besuchen. Vor unserer früheren Wohnung kamen ganz viele Erinnerungen bei Chris und mir hoch. Es war die erste gemeinsame Wohnung von uns, wir haben vier Jahre dort gelebt und die ersten zwei Jahre waren richtig schwer. Wir hatten viel Glück, angesichts dessen, was damals war und dem, was heute ist.
Danach war Chris nach einem Bier und mir nach einem Cocktail. Das Restaurant im Hotel hatte aber schon geschlossen. Ich erinnerte mich, einen Kilometer vor dem Hotel eine Bar namens "Black and White" gesehen zu haben, mit einem großen Schriftzug: "Cocktails". Der Name passte zu unserer Kleidung, denn ich hatte ein schwarzes Kleid an und Chris trug einen Anzug. In der Bar war noch einiges los, wie ich im Vorbeifahren gesehen hatte. Wir fuhren also zurück und dann wurde es witzig: Chris parkte ein und ich ging schon mal ins Lokal, um zu klären, ob wir noch einen Cocktail und ein Bier bekommen könnten. Auf der Terrasse saßen nur junge Männer, alle mit einer Shisha. Als ich mich umsah, kam ein Mann wie ein Schrank, der sich später als Chef entpuppte und fragte, was ich möchte. Chris kam in dem Moment dazu, als ich erklärte, dass wir gerne ein Bier und einen Cocktail hätten. Der Chef zeigte auf die Treppe nach oben und meinte, dass es dort Alkohol gibt. Chris und ich gingen hoch und hatten oben das gleiche Bild: Viele junge Männer mit Shishas. Wir setzten uns an einen Zweiertisch und bestellten bei einem jungen Mann zwei Bier und zwei Mai Tai.
Es dauerte etwas, bis die Getränke kamen. Derweil rauchten Chris und ich eine Zigarette und mussten nicht mal lauschen, um das Gespräch der Männergruppe mitzubekommen. Da ging es um das Problem Kalkflecken auf dem frischgewaschenen Wagen und um Microkratzer, die man nicht wegpolieren kann: "Digga, da putz ich ganzen Morgen die Karre...". Überhaupt wimmelte es im Gespräch von "Bruda" und "Digga"
Dann kamen die Getränke und die Cocktails waren der Hammer. Die wären auch im Luxushotel hoch gelobt worden. Super schön dekoriert mit einem Stück Ananas und Johannisbeeren. Klasse gemixt waren sie auch. Nie im Leben hätte ich das in dieser Bar erwartet. Er hatte angenehm wenig Alkohol und nach dem ersten Cocktail dachten wir einen zweiten an. Ich ging nach innen an die Bar, fragte, wann sie schließen wollen und ob noch ein zweiter Cocktail möglich wäre und erwähnte, dass die Cocktails der Hammer wären. Der junge Mann meinte, dass wir natürlich noch einen bekommen könnten und erzählte, dass er in Berlin einen dreiwöchigen Cocktailkurs belegt hätte und ihm Cocktails Spaß machen. Den dritten Cocktail tranken wir dann drinnen, in Gesellschaft des Angestellten, zwei Stammgästen und des Chefs. Der Chef meinte, dass wir ihm einen Schrecken eingejagt hätten, weil er uns zuerst für eine Kontrolle hielt. Es gab noch einen vierten, fünften und sechsten Cocktail in schöner Atmosphäre und mit viel Lachen. Als wir um die Rechnung baten, standen nur 3 Cocktails drauf. Die anderen gingen "aufs Haus", wurde uns auf Nachfrage beschieden. Wir beglichen die Rechnung mit Trinkgeld, aber so, dass wir trotzdem "aufs Haus" getrunken haben. Der Abschied war herzlich. Chris und ich gingen zu Fuß ins Hotel.
Heute war große Party in Vigy. Es war der Abend vor dem Nationalfeiertag und in den wurde heute Abend gebührend auf dem Dorffest reingefeiert. Morgen kommen dann die Paraden in den großen Städten. Es ist unser zweiter Nationalfeiertag in Frankreich. Diesmal war die Party wesentlich größer als letztes Jahr, weil die Coronaregeln weggefallen sind. Sie fand von uns quasi "ums Eck" statt und wir sind natürlich hingegangen. Es war rappelvoll und sehr lebendig. Gelegentlich wurde ein Kind gesucht, ausgerufen vom DJ, wurde aber schnell wieder gefunden. Der DJ legte gute Musik auf. Wir aßen Fritten und Crepes mit Nutella und fühlten uns einfach nur wohl.
Morgen habe ich meinen letzten Arbeitstag und danach zwei Monate frei. Chris und ich wollten eigentlich erst Anfang August unsere Freundin Ann in Flensburg besuchen, aber da steht ein neues Projekt von Chris Arbeit an, weswegen wir Flensburg vorverlegt haben. Freitag fahren wir bis Andernach und übernachten in der Wohnung von meinem Exmann, am Samstag fahren wir weiter nach Flensburg. Dort bleiben wir eine Woche, machen auf der Rückfahrt wieder eine Zwischenübernachtung in Andernach und kommen Sonntag darauf wieder nach Hause. Wir nehmen Kalle mit, weil wir jeden Tag mit ihm schwimmen gehen können, wenn der Wetterbericht denn tatsächlich stimmt. Lotta und Tano bleiben zuhause und werden von Sandrine und ihren Kids betreut, ebenso wie die Miezen. Für Kalle wird es sicher schön, als Einzelhund mit uns Urlaub zu machen, zumal sich Ann schon sehr auf ihn freut. Als die Beiden sich letztes Jahr im Dezember bei der Begleitung von Christine kennen gelernt haben, fanden sie sich gegenseitig klasse.