Ich verstehe nicht, wie man Fakten einfach so übergehen und ausblenden kann, nur weil man "anderen Quellen" lieber folgt.
Na ja, eigentlich tun wir das alle - nur auf anderen Ebenen. Den Fakten nach müssten wir sofort aus der Kohle- und Ölverbrennung raus, je eher desto besser. Eigentlich müssten wir alle fleischlos, autolos (um nur zwei Punkte zu nennen) etc. leben. Tun wir aber nicht. Jeder hat dafür seine "richtigen und wichtigen" Gründe. Da folgt man auch gerne anderen Quellen als denen, die die negativen Folgen benennen.
Warum stellst du "andere Quellen" in Anführungsstrichen? Es gibt ja nun auch Virologen und andere Leute vom Fach, die nicht immer die gleiche Meinung haben wie die in dieser Pandemie großen Namen. Ein Prof. Klaus Stöhr, ein Jonas Schmidt-Chanasit, ein Hendrik Streeck o.Ä. sind ja nun keine Querdenker und auch keine Verschwörungstheoretiker o.Ä. Das sind durchaus Quellen, bei denen man auf die despektierlichen Anführungszeichen (auf mich wirken sie jedenfalls so) verzichten kann.
Ich denke, bei Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, ist es ähnlich wie bei uns, die wir von Kohle, Öl, Fleisch etc. nicht lassen wollen. Also es ist mMn ein ähnlicher Mechanismus. Sie haben ihre Gründe, die aus ihrer Sicht richtig sind. Da wird es mMn wenig bringen, mit dem Finger auf sie zu zeigen und sie in die Ecke zu drängen. Wäre man die Pandemie breiter aufgestellt angegangen und hätte auch mal Psychologen, Verhaltensforschern etc. zugehört, hätte man das eigentlich ahnen können, dass sich ein bestimmter Prozentsatz nicht impfen lässt und sich vielleicht hinsichtlich entsprechender Anreize, Aufklärung etc. beraten lassen können.
By the way: Für jemanden, der seit 1,5 Jahren trotz Pandemie in engen Räumen arbeiten muss, ständig mit Kunden zu tun hat (im Lebensmitteleinzelhandel z.B.), hat sich die Angst vielleicht auch schon ein bisschen "abgenutzt". Ich hab z.B. in der ersten Welle Regale aufgefüllt und wurde gar nicht so selten von Kunden unter Umgehung des empfohlenen Mindestabstands angeblufft. Während es im TV hieß, das sei quasi tödlich, habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mich nicht angesteckt hab. Was nicht heißen soll, das Virus sei ungefährlich o.Ä. Dennoch habe ich es anders erlebt und abgespeichert, als andere. Vielleicht habe ich deswegen etwas weniger Angst vor dem Virus als andere und vielleicht geht das Menschen in entsprechenden beruflichen Situationen ähnlich. Ich kann das nicht belegen und ich weiß das nicht wirklich, es ist nur eine Überlegung. Und andere erleben das vielleicht über einen viel längeren Zeitraum so. Die können gar nicht über 1,5 Jahre mit demselben Angstlevel "funktionieren" und ihren Job machen, der in Pandemiezeiten gefährlicher ist als der von anderen.
Ich musste mangels monärer Masse Regale ich auffüllen. Kein Mensch hat gesagt: "lass das mal, du bist ja auch nicht mehr die Jüngste, das ist für dich zu gefährlich. Das lassen wir als solidarische Gesellschaft nicht zu". Ich (und viele andere) habe also gleich zu Beginn der Pandemie die Erfahrung machen müssen, dass die Solidarität sich nicht auf uns erstreckte, zumindest nicht in gleichem Maße wie auf andere. Und dann soll sich jemand, den man quasi hingehängt hat, der ständig Gefahr lief, sich mit dem Virus zu infizieren und der ggf. wirklich Bedenken wegen der Impfung hat, aber mal fein solidarisch sein? Oder um noch mal mein Beispiel zu bringen: Für mich war die Solidarität richtig teuer und mit Pech läuft es auf Altersarmut (die mit einer verkürzten Lebenszeit verbunden ist) hinaus. Und nun soll ich, damit Leute, denen ich und meine Belange völlig egal sind, wieder fröhlich durch die Gegend fliegen, kreuzfahrten o.Ä. machen können (lauter Dinge, von denen ich dank Corona und den solidarischen Maßnahmen auf Jahre hinweg ausgeschlossen sein werde)? Und das auch noch, wenn ich eigentlich Bedenken wegen der Impfung habe?
Um das klarzustellen: Ich bin geimpft und die im vorstehenden Abschnitt angeführten Überlegungen, decken sich nicht 1:1 mit meiner Meinung. Ich hab da halt versuche, mir vorzustellen, wie es ggf. in denen aussieht, die sich nicht impfen lassen. Denn mMn macht man es sich mit dem Zeigefinger und dem "die sind halt blöd-Argument" zu leicht und sollte davon wegkommen, wenn man wirklich eine Verbesserung der Impfquote wünscht.
Allerdings bin ich der Meinung, dass schlichtweg unklug war, eine Impfung, über die man zu wenig wusste, als Heilsbringer darzustellen. Und mit "zu wenig wusste" meine ich so Dinge wie die Frage nach steriler Immunität oder nicht steriler Immunität. Da hätte man mMn einfach noch abwarten müssen, bevor man die sofortige Wiedererlangung der Grundrechte für Geimpfte ins Spiel brachte.