Chaos Kampfhundeverordnungen
4.9.01
Kampfhundehalter in mehreren Bundesländern sollen nach Urteilen von Oberverwaltungsgerichten (OVG) ihre Tiere wieder an der lockeren Leine führen dürfen. Während der Bund mit einer neuen Vorschrift seit Samstag die Zucht und Kreuzung einiger Rassen verbietet, erklären einzelne OVG in jüngster Zeit die strengen Auflagen um Maulkorb und Leinenzwang für unrechtmäßig. Die Reihe der Kampfhund-Attacken auf Menschen hat sich indes fortgesetzt: Seit ein paar Tagen liegt ein fünfjähriger Junge aus dem thüringischen Sömmerda mit Gesichtsverletzungen im Krankenhaus, weil ein gefährlicher Mischling ihn angegriffen hatte. In Saarbrücken hatte ein Pitbull einem Zehnjährigen schwere Bisswunden zugefügt.
Knapp ein Jahr ist vergangen, seit die Kampfhunde per Eilverordnungen an die kurze Leine gelegt wurden. Wenige Wochen nach dem Fall des sechsjährigen Volkan, den Ende Juni 2000 zwei Hunde auf einem Hamburger Schulhof totgebissen hatten, verfügten alle 16 Länder über eigene Kampfhunde- Regelungen. In der Reihe der jüngsten Urteile, die diese Regelungen zum Teil wieder aufheben, bestätigten nur der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof und das Berliner Verfassungsgericht die strengen Sicherheitsvorkehrungen. In Rheinland-Pfalz bleiben Pitbull, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier mit Maulkorb an der Leine, in Berlin sind davon zwölf Kampfhundrassen betroffen.
Die Verwaltungsrichter in Niedersachsen, Baden Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen urteilen dagegen anders. Die Rasse, so der gemeinsame Tenor der jüngsten Entscheidungen, dürfe kein Kriterium sein, um die Gefährlichkeit eines Hundes einzustufen. Inzwischen muss ein Kampfhundehalter aus Mainz nur die Rheinseite wechseln, um den Hund in Hessen von der Leine zu lassen. Dort dürfen die als aggressiv geltenden Tiere mit richterlicher Erlaubnis frei herumtoben.
Auch einige grenznahe Bewohner Mecklenburg-Vorpommerns genießen neue Möglichkeiten, mit ihren Kampfhunden unbeschwerter spazieren zu gehen. Während zwölf Rassen dort strengen Auflagen unterliegen, haben die Oberverwaltungsgerichte im benachbarten Niedersachsen und Schleswig-Holstein entschieden: Auch als gefährlich geltene Rassehunde gehören nicht unbedingt an kurze Leinen und in Maulkörbe. In Niedersachsen soll ein erfolgreich absolvierter Wesenstest das Tier befreien. In Schleswig-Holstein gehen die Richter davon aus, dass American Staffordshire Terrier, Pitbull Terrier und Staffordshire Bullterrier lediglich „wie alle anderen Hunde auch im individuell festgestellten Einzelfall gefährliche Hunde sein können“. Die bloße Möglichkeit rechtfertigt nach Ansicht der Richter keine strengere Vorschrift für die Tiere.
Viele Nachbarn von Kampfhundehaltern in Baden-Württemberg sind jetzt verunsichert. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat die Gefahrhundeverordnung Ende Mai für zum Teil rechtswidrig erklärt – beispielsweise eine Regelung für elf Rassen, die bislang „außerhalb des befriedeten Besitztums sowie in Treppenhäusern und auf Zuwegungen zu Mehrfamilienhäusern“ einen Maulkorb tragen mussten. Einen generellen Zwang dazu lehnt auch das OVG Bremen ab. Die Richter stehen vor der Frage: Wie stuft man die Gefährlichkeit von Hunden ein? Die Einschätzungen dazu gehen weit auseinander. In Nordrhein-Westfalen dürfen 42 Rassen nur noch mit Genehmigung gehalten werden, wenn sie eine bestimmte Größe und ein Gewicht nicht überschreiten. In Bayern unterliegen 14Rassen strengen Regelungen. Im Saarland, wo jüngst wieder ein Pitbull zugebissen hat, sind Zucht, Handel und Haltung dreier Rassen untersagt. Und auch die Gefahren-Hundeverordnung in Thüringen, die keine bestimmten Rassen nennt, konnte den fünfjährigen Jungen aus Sömmerda nicht schützen.
Die jüngsten OVG-Urteile, die das Rassenkriterium ablehnen, haben dieses Durcheinander einzelner Verordnungen noch unübersichtlicher gemacht. Klarheit schaffen können allein die Länder, denn per Bundesgesetz werden nur Einfuhr und Zucht bestimmter Hunderassen geregelt. Als Vorkämpfer im Chaos möchte sich jetzt der rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber hervortun. Nachdem er Maulkorb- und Leinenzwang von den Mainzer Verfassungsrichtern bestätigt sah, kündigte er an, sich für eine länderübergreifende Kampfhunde-Verordnung einzusetzen.
4.9.01
Kampfhundehalter in mehreren Bundesländern sollen nach Urteilen von Oberverwaltungsgerichten (OVG) ihre Tiere wieder an der lockeren Leine führen dürfen. Während der Bund mit einer neuen Vorschrift seit Samstag die Zucht und Kreuzung einiger Rassen verbietet, erklären einzelne OVG in jüngster Zeit die strengen Auflagen um Maulkorb und Leinenzwang für unrechtmäßig. Die Reihe der Kampfhund-Attacken auf Menschen hat sich indes fortgesetzt: Seit ein paar Tagen liegt ein fünfjähriger Junge aus dem thüringischen Sömmerda mit Gesichtsverletzungen im Krankenhaus, weil ein gefährlicher Mischling ihn angegriffen hatte. In Saarbrücken hatte ein Pitbull einem Zehnjährigen schwere Bisswunden zugefügt.
Knapp ein Jahr ist vergangen, seit die Kampfhunde per Eilverordnungen an die kurze Leine gelegt wurden. Wenige Wochen nach dem Fall des sechsjährigen Volkan, den Ende Juni 2000 zwei Hunde auf einem Hamburger Schulhof totgebissen hatten, verfügten alle 16 Länder über eigene Kampfhunde- Regelungen. In der Reihe der jüngsten Urteile, die diese Regelungen zum Teil wieder aufheben, bestätigten nur der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof und das Berliner Verfassungsgericht die strengen Sicherheitsvorkehrungen. In Rheinland-Pfalz bleiben Pitbull, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier mit Maulkorb an der Leine, in Berlin sind davon zwölf Kampfhundrassen betroffen.
Die Verwaltungsrichter in Niedersachsen, Baden Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen urteilen dagegen anders. Die Rasse, so der gemeinsame Tenor der jüngsten Entscheidungen, dürfe kein Kriterium sein, um die Gefährlichkeit eines Hundes einzustufen. Inzwischen muss ein Kampfhundehalter aus Mainz nur die Rheinseite wechseln, um den Hund in Hessen von der Leine zu lassen. Dort dürfen die als aggressiv geltenden Tiere mit richterlicher Erlaubnis frei herumtoben.
Auch einige grenznahe Bewohner Mecklenburg-Vorpommerns genießen neue Möglichkeiten, mit ihren Kampfhunden unbeschwerter spazieren zu gehen. Während zwölf Rassen dort strengen Auflagen unterliegen, haben die Oberverwaltungsgerichte im benachbarten Niedersachsen und Schleswig-Holstein entschieden: Auch als gefährlich geltene Rassehunde gehören nicht unbedingt an kurze Leinen und in Maulkörbe. In Niedersachsen soll ein erfolgreich absolvierter Wesenstest das Tier befreien. In Schleswig-Holstein gehen die Richter davon aus, dass American Staffordshire Terrier, Pitbull Terrier und Staffordshire Bullterrier lediglich „wie alle anderen Hunde auch im individuell festgestellten Einzelfall gefährliche Hunde sein können“. Die bloße Möglichkeit rechtfertigt nach Ansicht der Richter keine strengere Vorschrift für die Tiere.
Viele Nachbarn von Kampfhundehaltern in Baden-Württemberg sind jetzt verunsichert. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat die Gefahrhundeverordnung Ende Mai für zum Teil rechtswidrig erklärt – beispielsweise eine Regelung für elf Rassen, die bislang „außerhalb des befriedeten Besitztums sowie in Treppenhäusern und auf Zuwegungen zu Mehrfamilienhäusern“ einen Maulkorb tragen mussten. Einen generellen Zwang dazu lehnt auch das OVG Bremen ab. Die Richter stehen vor der Frage: Wie stuft man die Gefährlichkeit von Hunden ein? Die Einschätzungen dazu gehen weit auseinander. In Nordrhein-Westfalen dürfen 42 Rassen nur noch mit Genehmigung gehalten werden, wenn sie eine bestimmte Größe und ein Gewicht nicht überschreiten. In Bayern unterliegen 14Rassen strengen Regelungen. Im Saarland, wo jüngst wieder ein Pitbull zugebissen hat, sind Zucht, Handel und Haltung dreier Rassen untersagt. Und auch die Gefahren-Hundeverordnung in Thüringen, die keine bestimmten Rassen nennt, konnte den fünfjährigen Jungen aus Sömmerda nicht schützen.
Die jüngsten OVG-Urteile, die das Rassenkriterium ablehnen, haben dieses Durcheinander einzelner Verordnungen noch unübersichtlicher gemacht. Klarheit schaffen können allein die Länder, denn per Bundesgesetz werden nur Einfuhr und Zucht bestimmter Hunderassen geregelt. Als Vorkämpfer im Chaos möchte sich jetzt der rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber hervortun. Nachdem er Maulkorb- und Leinenzwang von den Mainzer Verfassungsrichtern bestätigt sah, kündigte er an, sich für eine länderübergreifende Kampfhunde-Verordnung einzusetzen.