Bulldoggen - Zutraulich und verlässlich

Wolfgang

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Bulldoggen
Zutraulich und verlässlich

Von Hanspeter Künzler

In Sachen Europa ist in Britannien nicht nur der Euro umstritten. Wenn die BritInnen das Tierschutzabkommen der EU unterzeichnen würden, wäre das der Todesstoss für das eigene Wappentier.

Ein gedrungenes Muskelpaket mit breiten Schultern und kurzen Beinchen, übergrossem Kopf und schlabbernden Lefzen – nein, die Bulldogge ist nicht ein auf Anhieb sympathisches Tierchen. Selbst ihre Fans sind gewillt, zuzugeben, dass es hier mehr um die inneren Qualitäten geht. So beschreibt die Website der Schweizer Bullyzucht «Goldengrove Bulldogs» ihren Liebling als «a delightfully ugly dog» – einen wunderbar hässlichen Hund. In der Tat ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Hundelaien in seiner Erscheinung bloss das Gebiss und den Kiefer sehen und dadurch sogleich auf Hooligan schliessen. Dabei schreibt der offizielle Zuchtstandard für das reinrassige Tier das folgende Temperament vor: «Aufmerksam, kühn, loyal, verlässlich, mutig, wohl grimmig im Ausdruck, aber vom Charakter her zutraulich und sanft.» Verena Sommerhalder, eine von nur vier ZüchterInnen in der Schweiz, schwärmt: «Man könnte hundert Buschis auf den Boden legen, den Hund mitten hineinsetzen – und er würde keinem etwas antun.» Doch dem sanften Tierchen droht Gefahr: Überall dort, wo die von der EU aufgesetzte «Europäische Tierschutzkonvention» («European Convention for the Protection of Pet Animals») unterschrieben wird – in Schweden und Finnland ist es bereits geschehen –, dürfen English Bulldogs nicht mehr gezüchtet werden. Der Grund: Die Grösse des Schädels mache natürliche Geburten schwer, die kurzen Beine führten zu Wirbelsäulen- und Gelenkschäden, dazu soll die Rasse überhaupt verseucht sein von Erbschäden. Die Bulldogge ist bei weitem nicht die einzige Hunderasse, die als Teil der EU-Blacklist dem Untergang geweiht ist: Neben Chow-Chow, Boxer, Dachshund und etlichen anderen würden auch so populäre, typisch englische Hunde wie Cockerspaniel, Bullterrier und der Basset aus der Landschaft verschwinden.
6,1 Millionen Hunde leben in Grossbritannien. Der in London beheimatete Kennel Club vertritt die Interessen ihrer als Wählergruppe nicht unwichtigen HalterInnen und – selbstverständlich – der Hunde selber. Zwei-, dreimal pro Woche wandle er hinter den Kulissen des Parlaments, um bei den Abgeordneten Unterstützung für die Bulldogge und deren ebenfalls gefährdeten Artgenossen aufzubauen, sagt Phil Buckley, der «External Affairs Manager» des Kennel Club. Die Lage ist derzeit sensibel. Vor kurzem haben die Gegner der Hundezucht einen Medientriumph verbucht. Keine geringere Publikation als die altehrwürdige und konservative «Sunday Times» berichtete in einer spektakulär aufgezogenen Magazingeschichte über den Zwist zwischen EU und britischen HundehalterInnen. Unter dem Titel «Don't Be Cruel» hiess es: «Millionen von britischen Haustieren sind genetisch modifizierte Freaks – deformiert, gequält und geschunden von schlecht informierten Haltern. Ein neues Gesetz könnte Rettung bringen – wenn es nicht von der allmächtigen Haustierlobby abgemurkst wird.» Die Regierung habe sich bei der ohne Zweifel sehr publicityträchtigen Debatte um die Fuchstreibjagd eindeutig auf die Seite des Tierschutzes geschlagen. Nun stelle sich die ungleich wichtigere Frage, ob sie es auch wage, der Haustier-Lobby – 11,8 Millionen englische Haushalte besitzen ein Tier – die Stirn zu bieten. «Wir sind nicht irgendein Kennel Club – wir sind der Kennel Club», erklärt Phil Buckley mit gewölbter Brust. In der Tat ist die organisierte Hundezucht genauso ein viktorianisch-britisches Phänomen wie der organisierte Sport, der organisierte Tourismus und das organisierte Briefmarkensammeln. LandbesitzerInnen, die seit je Jagdhunde gezüchtet hatten, machten sich im 19. Jahrhundert daran, die Vorzüge und Wunscheigenschaften ihrer Tiere schriftlich zu definieren und registrieren. Zwecks wirksamer Koordination gründete der Aristokrat Sewallis Evelyn Shirley 1873 den Kennel Club und damit den weltersten Hundezüchterverband. Eine Aufgabe, die den Klub von Anfang an beschäftigte, war die Zukunft der English Bulldogs. Ursprünglich hatte diese Rasse dem heutigen Boxer geglichen und war vor allem zum Hundekampf und zur Bullen- und Dachshatz abgerichtet worden. 1835 wurden solche in den ärmeren Bevölkerungsschichten populäre Tierquälereien verboten (derweil die von der Oberschicht geschätzte Fuchshatz zum Sport erhoben wurde). Nun wurde dem Tier die Aggression «ausgezüchtet». So avancierte es rechtzeitig auf den Zweiten Weltkrieg hin zur vierbeinigen Verkörperung von allem, was die BritInnen an sich selber schätzten: Kühnheit, Verlässlichkeit, Durchhaltewillen, Hingabe und Umgänglichkeit – aber auch Humor (kein Hund sei ein besserer Clown, sagt Buckley) und munterer Eigenwille. Allerdings ist es ein Mythos, dass Winston Churchill der Nation auch als Bulldoggenbesitzer voranging. Er sah zwar aus wie eine, zog für den Hausgebrauch aber einen Pudel vor.
«Es ist unvorstellbar, dass man die Bulldogge verbietet», erklärt Buckley im Brustton der überzeugung. Was den Kennel Club an der Tierschutzkonvention störe, sei, dass dahinter BürokratInnen stünden: «Das Dokument wurde nicht von Experten verfasst, sondern von Europaparlamentariern ohne jegliche Erfahrung mit Hunden. Beim Dachshund etwa sahen sie einen langen Rücken und schlossen sofort: eingebauter Rückenschaden. Dabei ist ein Dachshund vollkommen okay, wenn er nicht überfüttert wird.» Ähnlich bei der English Bulldog: «Früher verlangte der Zuchtstandard tatsächlich, dass der Kopf im Vergleich zum Körper übergross ist. Mit der Zeit ergaben sich dadurch Probleme. Immer mehr Tiere mussten per Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden. Aber sobald das Problem erkannt wurde, wurden die Anweisungen geändert.»
Seit Ende der achtziger Jahre wird nun der proportionale Einklang vonKörper und Kopf gefordert. Damit ist das wichtigste, von der EU kritisierte Merkmal des English Bulldog bereits auf dem besten Weg zu verschwinden. Buckley: «Wir haben überhaupt nichts gegen alle Gesetze, die den Hund schützen und das Leben des Tieres tiergerechter machen. Aber wir haben etwas dagegen, dass man alle Hunderassen über den gleichen bürokratischen Leisten schlägt.» Das Lobbyieren des Kennel Clubs bewog nun den für Tierschutz zuständigen Minister Ben Bradshaw zur Aussage, dass während seiner Amtszeit das EU-Gesetz nicht eingeführt werde. Doch Kennel-Sprecher Phil Buckley traut der Sache nicht: «Wenn Bradshaw aus irgendeinem Grund geht, kann die Situation in wenigen Wochen wieder ganz anders aussehen.»

 
  • 28. März 2024
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