Ich habe die Ausbildung, Schwerpunkt Reiten, gemacht, 3 Jahre lang, bin anschließend wunderbar durch die Prüfung gerasselt (ist auch besser so, jetzt verdiene ich tatsächlich Geld mit meinem Job, kann mir meine eigenen Pferde leisten, und mache mir das Kreuz nicht kaputt
) - und wenn ich ganz ehrlich bin, ich bereue es nicht. Wenn ich es noch einmal machen müßte, würde ich es wahrscheinlich machen, dann allerdings wahrscheinlich nicht die ganzen 3 Jahre. Ich wußte allerdings, was auf mich zukommt, weil ich 1 Monat ne Art Praktikum gemacht habe.
Aber ich war mit 19 noch sehr jung und unselbständig, und es hilft dem Selbstbewußtsein ungemein, wenn man mitten in der Halle steht und mit lauter Stimme Unterricht geben darf (die erste Zeit traut man sich kaum, etwas zu sagen, sofern einem überhaupt etwas einfällt - jetzt habe ich somit keine Probs damit, in einem vollen Gerichtszahl zu dolmetschen
).
Unser Tag fing um 6:30 an, zweimal die Woche bis 21.00, zweimal bis 18:00 Uhr, bei Spätdienst 3 Stunden Mittag und bei Frühdienst 2 Stunden - und die hast du gebraucht zum Schlafen!. Samstags bis 17.00 oder 18.00 Uhr, sonntags bis 13.00 Uhr, montags frei - außer wenn man Futterdienst hatte, dann konnte man den freien Sonntag und Montag knicken. Und das war die reguläre Arbeitszeit (damals 54 Stunden die Woche) - eigentlich war es um einiges mehr!
Misten, Putzen, Hof kehren, Heu und Stroh abladen, Unterricht geben, Reiten, ja klar, aber oftmals auf vergurkten Kundenpferden. Ich habe das Glück gehabt, daß wir bei uns im Ausbildungsbetrieb Pferde hatten, die bis zu Einerwechseln, bis zur Piaffe und Passage usw. ausgebildet waren. Und ich habe das Glück gehabt, sie auch mal reiten zu dürfen. Aber die hat man nur im seltensten Fall unter dem Hintern.
Meistens versucht man ein Pferd, das mindestens eine, wenn nicht sogar 2 Rippen zuviel hat, so zu reiten, daß es aussieht, als hätte das Tier tatsächlich ein normales Gebäude (fall fast vor Müdigkeit runter, Beine halten einen kaum, nach einer Stunde). Oder das Tierchen eines reinen Freizeit-Buschjuxers so zu reiten, daß es aussieht, als würde es etwas können... Oder das Pferd, das grundsätzlich auf den Hinterbeinen steht, sobald Galopp auf dem Zirkel verlangt wird - bitte ohne hinten rüberzukippen. Und ach... "sind Sie mal so freundlich, und reiten Sie mal mit meinem Pferd ums Feld, irgendwie schaffe ich das nicht" Nach einer buckelnden, rodeoreifen Runde ums Feld weiß man dann weshalb...
. Und... und... und...
Tja, und dann ist man fertig mit der Lehre... und dann... Angestellte Bereiter verdienen nicht unbedingt viel, sicher nicht im Verhältnis zur Arbeit. Den Sprung zum Reitlehrer schaffen die wenigsten.
Kaputter Rücken, kaputte Knie, immer mehr oder weniger schmutzig, Nägel nicht mehr sauberzubekommen, Lunge kann einen Knacks bekommen (Staub), Handgelenke, arbeiten zu Zeiten, an denen andere Leute frei haben... Montags frei ist schön, blöd ist aber, daß Männe Samstag und Sonntag frei hat...
. Es gehört alles dazu...
Für mich war es - wenn ich jetzt zurückblicke - eine schöne Zeit, aber es sind viele Tränen geflossen, ich war ständig kaputt, hundemüde. Und die vielen Sachen, die man verdrängt... Wir waren es, die ein Pferd bei der letzten Spritze gehalten haben, ein Pferd, das ich mit angeritten habe, auf den Hänger geladen habe, weil der Verein die Kolikoperation nicht mehr bezahlen wollte oder konnte, anschließend den Voltigierkindern erklärt, daß wir auf einem anderen Pferd voltigieren mußten, weil das Voltigierpferd nicht mehr lebt...
Die nachts aufstehen durften, die Pferde reisefertig machen durften, weil die Besitzer mit den Pferden in Urlaub wollten...
Ich könnte so viele Geschichten erzählen, dann säße ich heute abend noch immer hier. Ein paar von uns haben noch Kontakt, und wenn dann einer anfängt "weißt du noch..." Dann wird gelacht, enorm gelacht, aber wir waren nur ein paar von vielen, die die volle Zeit durchgehalten haben. So einige, die wesentlich größer und kräftiger waren als wir, haben es aufgegeben (ich bin 1,58 bei 48 kg). Im Beruf arbeiten auch nur noch 2, die anderen machen ganz was anderes. Und eine davon traut sich nicht mit ihrem Knie zum Arzt, weil sie Angst vor dem hat, was er sagt...
Für mich war es richtig so, aber empfehlen... Nee, den Job kann man guten Gewissens keinem empfehlen!
Josi mit Anhang