@lupita11
Bei der ersten Diagnostik Anfang Klasse 3 wurde festgestellt, dass er emotional 1-2 Jahre hinterher war. Was aber durchaus seiner körperlichen Entwicklung entsprach. Dass er zwar auch Merkmale aus dem Autismus-Spektrum zeige, aber "nicht autistisch sei".
Jetzt im Frühjahr wurde festgestellt, dass dieser Abstand gleichgeblieben ist, und er wurde im "Grenzbereich zum Autismus-Spektrum" eingeordnet. Als ziemlich genau auf der Grenze. Da wurde sich noch
gegen eine Diagnose entschieden, nach dem Motto: "Er kommt ja im Alltag zurecht und braucht keine Hilfe, und dann überwiegen die Nachteile der Diagnose die Vorteile bei Weitem."
Nachdem er nach COVID ernstlich depressiv war, wurde der Eindruck revidiert, weil die Testenden erstmals live mitkriegten, wie er denkt, wenn er sozusagen in seinen Gedankenschleifen gefangen ist und nur immer alles endlos wiederholt und aus seinem Muster nicht herauskommt.
Seitdem steht die Diagnose und wird nicht mehr nur gemutmaßt.
Und du hast absolut Recht: Das wirkt durchaus entlastend.
Gibt jetzt Punkte, bei denen ich nicht mehr nur etwas fassungslos denke: "Wie kann das angehen?", sondern eher: "Ach ja, ok, ist halt so. Macht er ja nicht extra."
Spannend übrigens: Eine Bekannte erzählte mir heute, in ihrer Verwandtschaft gäbe es einen Betroffenen, der 3 Jahre älter als das große Ü ist und wie er eine ganz normale Schule besucht. Der ist dort, in derselben Klinik, in der wir gestern waren, von Anfang an in ambulanter Behandlung, musste aber vor ziemlich genau 3 Jahren
auch wegen einer akuten Krise mehrere Wochen stationär aufgenommen werden, weil er plötzlich nicht mehr klar kam.
Das scheint (Edit: bei Autisten) in der Pubertät tatsächlich nicht so selten vorzukommen.
Edit zwo: Hilfreich fand ich gestern auch... es wird ja generell eigentlich nicht mehr von "Asperger" gesprochen, sondern von einer "(milden) Autismus-Spektrum-Störung". Also, es wird nicht mehr differenziert zwischen "mildem"/"funktionalem"/"gutem" Autismus und "schwerem" Autismus, sondern es wird als fließend wahrgenommen.
Weswegen eben auch temporäre Veränderungen halt einfach als möglich angenommen werden.
Mit hat das tatsächlich geholfen, wirklich noch mal zu erkennen: "Ah ja, das Kind ist Autist und das äußert sich nicht nur in einer bestimmten Denkstruktur, sondern es ist
körperlich beeinträchtigt dadurch."
Ich kenne ja tatsächlich einige Asperger-Betroffene, aber halt: In meinem Alter oder älter, und das sind oft Personen, die keine Diagnose haben. Auch darum, weil sie eben so mild betroffen sind, dass sie im Alltag zurecht kommen.
Ein Beispiel wäre mein Cousin, der rein von der Denkstruktur und vom Sozialverhalten ein Lehrbuchbeispiel ist - aber das im Grunde selbst erst weiß, seit seine Tochter diagnostiziert wurde. Der ist aber, von einer gewissen Selektivität beim Essen abgesehen, körperlich überhaupt nicht beeinträchtigt. Anders als sein Tochterkind, das zB Probleme hat, bestimmte Kleidung anzuziehen oder bestimmte Texturen anzufassen oder bestimmte Reize länger auszuhalten.