Vielleicht solltest du auch diese Erfahrung nicht verallgemeinern. Dieser Hund ist dir in dieser Situation zusammengesackt. Das heißt noch nicht, dass dir das bei jedem Hund in einer beliebigen Situation passieren würde, wenn du Druck machst.
Meine Texte werden immer schon so lang. Deshalb versuche ich, mich an manchen Stellen wenigstens etwas kürzer zu fassen ... und prompt zeigt sich, dass es vielleicht noch ein wenig mehr Erklärung gebraucht hätte.
Meine Schlussfolgerung war nicht, dass mir jeder Hund unter Druck zusammenbrechen würde. Ich hatte das nur als Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung aufgeführt, wie schief es gehen kann, wenn man nicht hinter einer Methode steht und es trotzdem versucht.
Man muss den Druck, den man ausübt händeln können und man muss grundsätzlich mit sich im Reinen sein, Druck anzuwenden. Ansonsten läuft das ganz genauso, wie Du es beschreibst ...
Wenn ich aber innerlich zerrissen bin, weil ich dem Hund doch um Himmels Willen keine Gewalt antun will, und ihn gegen seinen Willen die Treppe runterschleifen Gewalt ist, kann ich dem Hund auch nicht vermitteln, dass das in Ordnung ist, was grade passiert. Ich finde es ja selbst nicht in Ordnung.
Genau. Deshalb sehe ich von einer solchen Vorgehensweise ab, wenn ich mich damit nicht gut fühle und entscheide mich für eine andere, da es unter diesen Umständen sonst sowieso nach hinten losgeht.
Ich denke aber, es hängt (außer natürlich vom Hund) tatsächlich viel von der inneren Einstellung des Halters ab, ob so was gelingt. Jan ist da seiner Sache völlig sicher: der Hund muss da durch, weil es gut und richtig ist. Diese Sicherheit teilt sich dem Hund auch mit, schätze ich.
Das ist 100%ig was ich mit "auffangen" meine. Wenn man hinter der Methode steht, funktionieren auch die Zwischentöne mit dem Hund und er erhält vom Halter die richtigen Signale.
Das Mädel, das mir zusammengeklappt ist (mein letzter Bulli), war extrem sensibel.
Trotz der Erfahrung und meinen Schlüssen daraus heisst das aber nicht, dass ich jetzt jeden Hund identisch einschätze, zu jeder Zeit identisch händle oder mich nicht auch mal durchsetze.
Ich bin allerdings sehr viel vorsichtiger geworden in meinem Tun. Und bei meinem kleinen Großmäulchen Mila hat sich das für mich schon bewährt.
Fancy (ihrer Vorgängerin) merkte man deutlich an, wie dünnhäutig sie war. Mila dagegen hatte schon immer eine ziemlich große Klappe, wirkt selbstsicher, offensiv, lebenshungrig und neugierig. Da kann man schonmal übersehen, dass sie auch eine andere Seite hat. Schon früh gab es auch immer wieder diese verschreckten Momente, wo ausser Stehenbleiben und Verweigern einfach gar nichts mehr ging und in denen sie offensichtlich beunruhigt war, was für mich bei ihrem Naturell zunächst ein etwas überraschender Kontrast war.
Am Anfang, als noch viel Junghund-Grenzen-austesten angesagt war, habe ich bei ihr auch mit Druck dagegengehalten, aber schon da gemerkt, wie sie in manchen Situationen schnell zumachte.
In Angstsituationen hat sich dann bald gezeigt, wie sensibel die kleine Großklappe tatsächlich ist und dass mit zunehmendem Druck gar nichts mehr geht. Druck hat uns nur auf Konfrontationskurs schickt und der Hund sich als Konsequenz von mir zurückgezogen. Beim Aufbau von Vertrauen hat uns das also in Angstsituationen überhaupt nichts genutzt.
Sobald ich meine Taktik geändert habe, ihr Verweigern in unterschiedlichen Situationen einfach erstmal hinnahm und mir die Zeit nahm, Ursachen zu erkennen und daraus dann auch komplett andere Ansätze entwickelt habe, damit umzugehen, wuchs das Vertrauen und wir haben unsere Wege gefunden, auch mit Unangenehmem gemeinsam klarzukommen. Wenn Mila heute etwas unangenehm ist, dann sucht sie Unterstützung bei mir anstatt sich abzuwenden und dem Impuls nachzugeben, irgendwie durch Vermeiden der Situation zu entgehen. Ok, im ersten Moment flüchtet sie immer noch zu Herrchen, wenn sie die Krallenschere sieht (er macht das nie, Krallen schneiden und Körperpflege ist meine Aufgabe) Sie kommt dann aber, wenn man ihr Zeit gibt. Man sieht ihr den inneren Konflikt dabei nach wie vor an. Aber sie stellt sich letztlich ihren "Alltagsproblemen".
Wenn sie dafür im Anschluss eine kleine Belohnung bekommt, fällt es meist gleich nochmal etwas leichter.
Krallen schneiden, waschen, Ohren sauber machen, alles Dinge, die sie wirklich hasst wie die Pest und vor denen sie sprichwörtlich am liebsten davonlaufen würde. Aber wir haben einen Weg gefunden, dass das geht, ohne dass ich sie zwingen muss.
In manchen Situationen reicht auch schon ein bisschen Ablenkung, ein Weg den mein Mann mit beneidenswerter Natürlichkeit mit ihr oft geht. Ablenkung durch ein bisschen Blödsinn machen oder Spiel kann eine Angstsituation unter Umständen auch super entschärfen. Aber auch dafür muss man der Typ sein. Auf meinen "Blödsinn" steigt sie nicht jedes Mal ein. Wahrscheinlich bemühe ich mich manchmal viel zu sehr, obwohl mir dieser Weg einfach nicht ganz so liegt.
Natürlich stirbt ein Hund auch nicht daran, wenn er mal durch eine Situation gezwungen wird.
Aber ich wiederhole mich, wenn ich sage, ich denke es geht auch beim Training in Angstsituationen darum, DAS Händling zu finden, mit dem BEIDE - Hund und Halter - auf die Dauer gut klarkommen.
Warum soll es da nur einen Weg zum Ziel geben?
Selbst bei Alltagssituationen.
Natürlich diktiert der Alltag manchmal auch punktuell, dass es schnell gehen muss. Und mancher mag argumentieren, da sei dann einfach keine Zeit für "Rumeierei". Sehe ich genauso ... und händel dann meinen Hund, bringe die Situation hinter mich, ohne dem Hund Entscheidungen, Mut oder ein Verhalten abzuverlangen, das er noch gar nicht in der Lage sein kann, perfekt zu bringen. Ich manage den Hund dann, entscheide für ihn und bringe diese eine Situation hinter uns. Wenn es sein muss, auch mal mit etwas Druck.
Für mich ist das aber eben nicht der Weg, eine wiederkehrende Angstsituation dann auch im Folgenden grundsätzlich als eine Art Abhärtungstraining anzugehen.
Wenn es sich um eine Situation handelt, mit der der Hund umzugehen lernen muss und der Hund so eine massive Abneigung von der Situation zeigt, wie im vorliegenden Fall, suche ich anschließend einen Weg, wie ich unter kontrollierten Bedingungen die Konfrontation und Gewöhnung in Schritten üben kann, die so dosiert sind, dass sie den Hund nicht immer gleich wieder überfordern.
Ich kann auch nur wiederholen, dass ich meinen Weg nicht für ein Patentrezept halte, sondern der Meinung bin, man sollte sich hier generell hüten, nur EINEN WEG für richtig und angebracht anzusehen.
Ich bin keineswegs dafür, sich grade bei einem Angsthund grundsätzlich und ohne Rücksicht auf sein Befinden einfach durchzusetzen. Ich würde, wo immer möglich, versuchen, ihm Zeit zu geben, Vertrauen zu fassen und Sicherheit in seinem eigenen Tempo und nach seinen Möglichkeiten zu gewinnen. Aber Basics wie dass er aus dem Haus muss, um seine Geschäfte zu verrichten, würde ich durchziehen. Und zwar ohne inneren Zwiespalt, ohne Gewissensbisse, nach dem Motto wat mutt dat mutt. Fertig.
Auch das sehe ich ohne Einschränkung genauso.
Da ich einen Bullterrier habe, ist mir inkonsistentes Laufen sowieso nicht unbekannt, mit oder ohne Ängste im Spiel.
Wir sind uns öfter mal uneins über die Richtung oder die Geschwindigkeit, in der wir laufen müssen. Ihr kennt sie ja, die Bullies, sie "verhandeln" gerne ihre Interessen, oder wie andere sagen würden: Sie sind stur.
In diesen Fällen setze ich mich durch, wenn Bulli nicht nachgibt. Auch ein Leinenruck fällt mir dann nicht schwer.
Offensichtliche Angst ist aber für mich ein komplett anderer Fall.
Natürlich sollte der Hund hier in diesem Fall auch lernen, dass er sich nicht fürchten muss. Der Zustand wie er ist, ist auf die Dauer untragbar.
@Patinka wird vermutlich auch nicht um Konfrontation als Lösung herum kommen. Denn der - noch nicht gefundene - Trigger scheint ein regelmäßiger Bestandteil der Gassi-Routine zu sein. Hier wird wahrscheinlich nur Gewöhnung helfen.
Aber WIE man gemeinsam mit dem Hund zu dieser Gewöhnung gelangt, ist eben die Frage, auf die jeder für sich eine Antwort finden muss.