Nicht nur, dass es einem Menschen, dem man nahe steht sehr schlecht geht, man kann auch nicht wirklich helfen großteils und wird unter Umständen von dieser Person sogar noch angegriffen und ungerecht behandelt. Dann noch verständnisvoll und hilfsbereit zu bleiben ist eine Herausforderung.
Genau, das ist wirklich sehr, sehr schwer bei einem geliebten Menschen, den man fast sein ganzes Leben lang als netten, empathischen, freundlichen und hilfsbereiten Menschen kennt, dann auf sowas zu treffen - darauf ist man einfach nicht vorbereitet.
Das kann ich mir sehr gut vorstellen.
@lektoratte:
Klar war uns bewusst, dass ihr Verhalten krankheitsbedingt ist. Das eine wie das andere, sowohl die Panikattacken als auch das Geheule und ihr egomanisches Verhalten. Wäre uns das nicht bewusst gewesen, hätten wir wohl alle zeitig LMAA gesagt und den Kontakt abgebrochen, weil sich wohl kein Mensch von einem anderen Menschen freiwillig gerne als Hans A rsch vom Dienst behandeln, traktieren und ausnutzen lässt.
Okay. Es las sich (für mich) irgendwie "anders", so wie: "Die kam aus der Therapie wieder und
war dann eben so!" - Tut mir leid, dass ich das in den falschen Hals bekommen hatte.
Wir waren von ihrem Verhalten nach der stationären Therapie alle dermaßen geschockt, sie war ein vollkommen anderer Mensch. Total verändert und zwar nur zum Negativen hin.
Das muss wirklich schlimm sein.
Dass sie nur Therapieansätze für ihre Zwecke verändert umgesetzt hat (unbewusst) glaube ich nicht, denn sie hat mir mehrfach von ihren Therapiesitzungen erzählt und auch von ihren Mitpatientinnen habe ich einiges mitbekommen.
Ja. Da kriegst du aber auch nur mit, was SIE dir erzählt. Wie SIE es aufgefasst hat.
Und es ist nicht unmöglich, dass sie sich vorrangig mit Leuten umgeben hat, die auf derselben Wellenlänge waren. Weil sie anderes grad nicht hören konnte oder wollte.
(Muss nicht. Kann aber.)
Dass sie dazu geneigt hat, sich die Welt zurechtzudrehen, damit sie passt, sieht man mE schon an der Aussage: "Sie nahm die Medikamente nicht, weil sie ja aus dem medizinischen Bereich kommt und daher über die Nebenwirkungen Bescheid wusste."
Hat SIE gesagt, richtig? - Ich seh da nur jemanden, der keinerlei Krankheitseinsicht hat, oder noch nicht so weit ist, Angst vor dem Kontrollverlust hat und eine beliebige, scheinbar gut klingende Ausrede braucht.
Denn wenn sie aus dem medizinischen Bereich
käme und ihre eigene Situation
hinterfragen täte - würde sie wissen, dass das meiste nicht zum Spaß verschrieben wird, und dass es neben den Nebenwirkungen in der Regel auch eine
Wirkung gibt...
Boah - ich merke gerade, ich bin über das eine oder andere Erlebnis in Freundeskreis und Familie selbst noch nicht ganz weg. Scheinlogische oder auch gar nicht logische Ausreden kamen da jedenfalls ziemlich und für meinen Geschmack deutlich ZU häufig vor... - also, bitte nicht persönlich nehmen, okay? - Eher als Erfahrungsaustausch.
Und da ging es wirklich vorrangig um "Nur ich selbst bin wichtig" "Ich muss mich von allem fern halten, was mir nicht gut tut" "Mein Umfeld muss Verständnis für mich haben, denn ich bin krank" etc.
Das ist ja prinzipiell auch nicht verkehrt - aber es ist wie bei allem: Die Dosis macht das Gift.
Ich könnte mir wirklich vorstellen, dass Leute, die Probleme damit haben, Grenzen zu ziehen, mit so einer Forderung erstmal vom Regen in die Traufe geraten, wenn sie wirklich frei Hand versuchen sollen, die umzusetzen.
Ein Beispiel mit nicht ganz so krassen Folgen, was mir dazu gestern spontan einfiel, war folgendes:
Eine gute Freundin von mir bekam mit Mitte 20 Depressionen. Wobei helfende Maßnahmen aus Freundes- und Bekanntenkreis die Krise im Rückblick um vielleicht ein, zwei Jahre verschoben, aber letztlich nicht verhindert haben.
Als es dann soweit war, hat es fast 3 Jahre und diverse Therapiemaßnahmen gedauert, bis sie sich wieder berappelt hat. Auch da würde ich sagen, die Therapieansätze haben verschiedenes angestoßen, aber das Ganze eher begleitet und unterstützt, als wirklich abgekürzt.
Sie hatte eine sehr kleine Wohnung und erstickte in Papier, weil sie alles, was sie interessant fand, aufheben musste. Ihr Therapeut gab ihr den gutgemeinten Tipp, doch alles, was sie wichtig fände, einzuscannen und dann wegzuwerfen - im Computer nähme es weniger Platz weg als im Ordner.
An sich ein sehr guter, pragmatischer Hinweis. Da er aber von ihrem
Therapeuten kam, nahm sie ihn zum Anlass, erst einmal wochenlang nichts anderes mehr zu tun, als zu scannen und zu speichern, und eben doch nicht wegzuwerfen (und nebenbei eine Reha-Maßnahme und ihren Anspruch auf Krankengeld (?) sausen zu lassen), denn: "Der Therapeut hatte ihr gesagt, sie müsse das tun, um wieder Ordnung in ihr Leben zu kriegen."
Worauf ihre Eltern ob des "unmöglichen" Therapeuten die Hände über dem Kopf zusammenschlugen und auf einen Abbruch der Therapie drängten - worauf die Schwester (Ärztin) ihrerseits die Hände über dem Kopf zusammenschlug und sagte, dass nämlich die Eltern sich bitte aus solchen Fragen heraushalten sollten, was dann wieder einen Familienkrach auslöste usw usf etc pp.
Ich hab mich dann da etwas herausgezogen und mir das von weitem angesehen, weil alles andere mir wirklich zu anstrengend gewesen wäre. Soll heißen: War da, wenn Hilfe gebraucht wurde, aber emotional hab ich mich ausgeklinkt.
Aber selbst wenn - wie konstruktiv kann so eine Therapie sein, wenn da solche "Nebenwirkungen" bei raus kommen und sich infolge dessen alle von der Person abwenden? Das kann doch auch nicht genesungsfördernd sein, oder?
Natürlich nicht. Aber ich denke, das ist
eigentlich auch nicht so gedacht. Kann ich mir jedenfalls kaum vorstellen. (Muss natürlich nicht heißen, dass es nicht doch so war. Ich war ja nicht dabei...)
Vielleicht war der Ansatz in diesem Fall wirklich der falsche.
Edit: Oder es war, wie Buroni gesagt hat: Es war schlicht zu früh, um sie wieder "auf die Menschheit loszulassen", und die Menschheit auf sie...
Meine Freundin ist jedenfalls heute der festen Überzeugung, dass sie die Kurve nur gekriegt hat, weil wir alle immer für sie da waren und weil wir sie unterstützt haben wo wir konnten.
Das ist bestimmt auch so. Ohne euch wäre es sicher noch schwerer gewesen.
So viel kann ich für meine Freundin von mir nicht mal sagen. Ich war halt da, wenn mal ein offenes Ohr gebraucht wurde, ich hab mich nie (oder so gut wie nie) über ihre Unzuverlässigkeit geärgert, weil ich einfach davon ausgegangen bin, dass man sich auf sie nur eingeschränkt verlassen kann, hab immer mal angerufen, wenn's gut lief, haben wir uns mal getroffen oder so - also im Grunde genau wie "vorher".
Aber dass sie irgendwann wieder Boden unter die Füße gekriegt hat, war, glaub ich allein ihrs. Es war nicht so, dass sie irgendwann endlich die richtige Maßnahme gefunden hätten, sondern dass sie nach x Anläufen und x verschiedenen Ansätzen, die alle in dieselbe Richtung zielten, endlich das Rüstzeug beisammen hatte, um mit ihren Krisen allein fertig zu werden, und dann ging's, und sie konnte eine Maßnahme bis zum Ende mitmachen und fand nachher sogar auf den Arbeitsmarkt zurück.
Und genauso, wie die Therapien nur begleitenden Einfluss ausübten, hatte ich nicht den Eindruck, dass irgendwas, was
ich tue oder lasse, auf ihre Genesung einen Einfluss gehabt hätte.
(Dass es aber akut
schlimmer würde, wenn ich ihr auch noch Vorwürfe machen oder Druck auf sie ausüben würde, wie zB ihre wohlmeinende leistungsorientierte Verwandtschaft, das sehr wohl... und also habe ich das tunlichst unterlassen.)
Und sie kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie schrecklich sie uns und ihre Kinder behandelt hat, sie hat einen Großteil verdrängt und für den Rest schämt sie sich.
Das tut mir sehr leid.
Und es tut mir auch für die Kinder leid.
Jemand in meiner Verwandtschaft hatte in jungen Jahren auch so eine Phase. Was genau der Auslöser war, kann ich nichtmal sagen, ich weiß nur, dass er eine mehrjährige Therapie gebraucht hat, um davon wieder wegzukommen.
Er ist heute ein wirklich freundlicher, überlegter, ausgeglichener Mensch mit nur kleineren Macken...
- Aber damals war er wirklich ein K.otzbrocken, vor allem seinen Eltern gegenüber, und für die war das wirklich, wirklich schlimm.