Allerdings sind mir solche Horrorstorys von Kliniken auch schon von Freunden/Bekannten erzählt worden. Eine Depression ist einfach nur grausam. Das ist man egoistisch und unerträglich, aber das realisiert man selbst nicht mehr. Man kann es auch schwer begreiflich machen, allerdings hat auch noch kein mir bekannter Arzt so unverantwortlich gehandelt und erzählt, das alle anderen "schuld" sind, nur ich nicht.
Ich denke auch nicht, dass das objektiv betrachtet wirklich
genau so passiert ist.
Ich hab vorhin hier nicht wenig den Kopf geschüttelt darüber, wie hier argumentiert wurde. - Aber vielleicht ist das so, und wenn man als Außenstehender direkt davor steht, sieht man manches nicht, was mit etwas Abstand eigentlich offensichtlich sein könnte.
[Anmerkung: So ging es mir übrigens auch, als mein eigener Bruder betroffen war - den ich allerdings damals auch nur noch alle paar Monate in den Semesterferien ein paar Tage gesehen habe. Wo es ihm leicht fiel, die Fassade aufrecht zu erhalten.]
Wenn eine Depression ausbricht, liegen oft Gedankenkonstrukte oder Persönlichkeitsstrukturen zugrunde, die sich
über Jahre hinweg manifestiert haben.
Also, nach meiner Beobachtung, ich hab ein paar betroffene Personen in der direkten Verwandtschaft.
Klar, oft gibt es einen konkreten Auslöser (Trauerfall, Scheidung, Schwangerschaft, Krankheit, Trauma), aber meist lief schon vorher jahrelang etwas nicht optimal, was dann dazu führt, dass diese Krise nicht optimal bewältigt werden kann.
Und da ist es einfach unrealistisch, anzunehmen, dass sowas mit "einem" stationären Aufenthalt oder einem halben Jahr Therapie mit einer Stunde Gespräch alle 14 Tage o.ä. rückstandslos und ohne Probleme behoben werden kann.
Das klappt nicht. Oder nur selten.
Die 2,5 Jahre, die tessa beschreibt - die sind nach meiner persönlichen Erfahrung auch bei einem gefühlt "besseren" Therapieverlauf der
normale Zeitraum, in dem jemand nach so einer akuten Krise wieder halbwegs ins normale Leben zurückkommt.
Belastungen für alle Umstehenden eingeschlossen.
Ich begreife auch zumindest nach ihrer Beschreibung nicht, wie man scheinbar anlasslose Panikattacken oder Energielosigkeit als "krankheitsbedingtes" Verhalten erkennen kann, ständiges Geheule und maßlose Forderungen, gekoppelt mit hysterischen Anfällen bei Nichtbefolgen wie bei einer Zweijährigen in der Trotzphase aber
nicht.
(Wobei es natürlich schwierig sein kann, wenn man diese Person immer als nette, bodenständige, verlässliche Freundin gekannt hat... dann kann man vielleicht schlicht nicht glauben, was man sieht?)
Und noch weniger begreife ich, wie man einem Menschen, der offenkundig gerade in einer Phase ist, in der er sehr lautstark
alle anderen für alles verantwortlich macht, was ihm je im Leben wiederfahren ist,
das ankreidet, aber dieser Person ausgerechnet
eines kritiklos glaubt: Dass ein
Therapeut dieser Person praktisch den Freibrief für dieses absolut unsoziale Verhalten gegeben hat.
Das glaube ich so nie im Leben.
Dass sie die Therapieansätze so aufgefasst und
für sich umgesetzt hat, dagegen durchaus.
Wie gesagt: Ein normales Maß darin, von anderen etwas zu fordern oder ihnen zuzumuten, hatte sie ja auch schon vorher offensichtlich nicht (dann eben in die andere Richtung) und konnte möglicherweise gar nicht erkennen, was denn jetzt eine normale Größe für "ihr Stück vom Kuchen" hätte sein sollen.
Dass die Genesung so lange dauert, wundert mich dabei, um es nochmal zu sagen, nicht.
Ich persönlich kenne niemanden, der es nachhaltig schneller geschafft hat.
Ohne dass man am Anfang hätte vermuten müssen, die Therapie sei "nach hinten losgegangen" oder habe "nichts bewirkt", oder sei "Schuld daran, dass es so lange gedauert hat".
Dem war in den anderen mir bekannten Fällen nicht so.
Wenn es wo gehakt hat, dann bei dem oder der Betroffenen, die Therapieansätze abgebrochen hat, wenn es "ans Eingemachte" ging, oder sehr beliebig und im eigenen Sinne ausgelegt haben, um nichts am eigenen Verhalten verändern zu müssen - worauf in einem Fal der Therapeut den Fall abgegeben hat, weil er meinte, auf diese Weise habe die Behandlung keinen Sinn... Sowas gibt's durchaus auch mal.