Weiß gar net ob die Pressemitteilung schon irgendwo steht, aber ich möchte sie hier in voller Länge ins richtige Forum setzen:
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin
Eißholzstraße 30-33, 10781 Berlin, Telefon 030/9015-2652
12. Juli 2001
Pressemitteilung
Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin: Verfassungsbeschwerden gegen die Berliner Hundeverordnung zurückgewiesen
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat die Verfassungsbeschwerden von 35 Haltern sog. gefährlicher Hunde gegen die Verordnung über das Halten von Hunden in Berlin (HundeV0 Bln) zurückgewiesen, mit der die Beschwerdeführer beantragt hatten, verschiedene, durch die Erste Änderungsverordnung vom 4. Juli 2000 (GVBI. S. 365) ein-geführte Regelungen für ungültig zu erklären.
Der Verfassungsgerichtshof hielt zwar die Verfassungsbeschwerden für im wesentlichen zulässig. Die Beschwerdeführer seien nicht gehalten, vor der Anrufung des Verfassungsgerichtshofs fachgerichtlichen Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte wahrzunehmen. Denn die Verfassungsbeschwerden seien von allgemeiner Bedeutung. Die angegriffenen Rechtsvorschriften der HundeV0 Bln beträfen eine Vielzahl von Hundehaltern, so daß eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichtshofs geeignet sei, über den Einzelfall hinaus in einer großen Zahl gleichgelagerter Fälle Klarheit über die Rechtslage zu schaffen.
Die Verfassungsbeschwerden seien jedoch unbegründet. Im einzelnen führte der Verfassungsgerichtshof zur Begründung seines Urteils aus:
§ 3 Abs. 1 HundeV0 Bln, der Hunde von zwölf Rassen bzw. Gruppen auf Grund rassespezifischer Merkmale als unwiderleglich gefährlich auflistet, verletze Halter dieser Hunde nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 10 Abs. 1 Verfassung von Berlin - VvB -). Aus fachwissenschaftlichen Aussagen ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß es "Aggressionszüchtungen" gebe und daß sich bestimmte Hunderassen hierfür besonders eigneten. Bei dieser Sachlage sei die Entscheidung des Berliner Verordnungsgebers, rassespezifische Merkmale als eine der Ursachen gesteigerter Gefährlichkeit anzusehen, im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit sachlich vertretbar. Der Umstand, daß Hunde auch aus anderen Gründen als ihrer Rassezugehörigkeit - etwa wegen falscher Erziehung, Behandlung oder nicht artgerechter Haltung - gefährlich werden könnten, begründe keinen Gleichheitsverstoß. Denn dem Verordnungsgeber stehe im Bereich der vorbeugenden Gefahrenabwehr angesichts des auf dem Spiel stehenden hochwertigen Rechtsgutes des Schutzes von Leben und Gesundheit von Menschen ein Gestaltungsspielraum zu.
Es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin vor, daß andere Hunderassen wie Deutsche Dogge, Dobermann, Rottweiler, Boxer oder Deutscher Schäferhund nicht in die Rasseliste aufgenommen worden seien. Der Verordnungsgeber habe vielmehr im Rahmen der ihm zustehenden Risikoabschätzung berücksichtigen dürfen, daß bezüglich von Hunden solcher Rassen, die seit jeher gezüchtet und gehalten sowie als Gebrauchs und Schutzhunde verwendet würden, ein größerer Erfahrungsschatz bezüglich ihres Charakters und Verhaltens bestehe. Den bisher vorliegenden Statistiken über Beißvorfälle könne in diesem Zusammenhang ohnehin nur eine begrenzte Aussagekraft zugesprochen werden, da eine Zuordnung der registrierten Zwischenfälle zur Gesamtzahl der gehaltenen Hunde der jeweiligen Rassen darin nicht hergestellt werde. Der Verordnungsgeber dürfe sich statt dessen auf fachwissenschaftliche Veröffentlichungen stützen, wonach gerade den in der Rasseliste aufgeführten Hunden eine gesteigerte Aggressivität, geringe Schmerzempfindlichkeit, fehlende Angst sowie fehlende Beherrschbarkeit bei Aggressionsverhalten zugeschrieben würden. Die Haltung dieser Hunde begründe im Gegensatz zu anderen Hunderassen in erhöhtem Maße die Gefahr, daß es bei Beißzwischenfällen zu schweren Verletzungen oder gar tödlichen Unfällen komme.
Der in § 4 Abs. 1 HundeV0 Bln vorgesehene Zwang, daß die in der Rasseliste aufgeführten Hunde außerhalb des eingefriedeten Besitztums nur an einer Leine geführt werden dürfen und dabei stets einen beißsicheren Maulkorb tragen müssen, verletze die Hundehalter nicht in ihrem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 7 VvB. Die Regelung sei verhältnismäßig. Der generelle Leinen- und Maulkorbzwang sei geeignet, die in der Öffentlichkeit von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren für die Gesundheit und das Leben von Menschen zu verringern sowie das subjektive Sicherheitsgefühl vieler Menschen erheblich zu stärken. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Ein sog. Wesenstest könne den Leinen- und Maulkorbzwang nicht ersetzen, da auch ein positiv verlaufender Wesenstest nicht das Risiko spontaner und unkontrollierter Aggressionen ausschließe. Die mit dem Leinen- und Maulkorbzwang für die Hundehalter verbundene Einschränkung der Möglichkeit, ihre Hunde in der Öffentlichkeit frei herumlaufen zu lassen, sei Ausdruck ihrer Gemeinschaftsbezogenheit und –gebundenheit. Auch wenn mit der Maulkorbpflicht eine Beeinträchtigung des Sozialverhaltens und des Wohlbefindens der Hunde verbunden sein sollte, habe der Verordnungsgeber im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Gefahrabschätzung dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen oberste Priorität einräumen dürfen.
Ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien die in § 5 HundeV0 Bln normierten Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Haltern gefährlicher Hunde.
Auch § 5 a HundeV0 Bln sei verfassungsgemäß. Die den Haltern von Hunden der Rassen oder Gruppen Pit-Bull, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier und Tosa Inu auferlegte Anzeige- und Kennzeichnungspflicht verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Ausgehend von ihrem ursprünglichen Verwendungszweck für Hundekämpfe belegten fachwissenschaftliche Veröffentlichungen gerade für diese Hunde eine bis heute vorhandene hohe Angriffsbereitschaft, niedrige Reizschwelle, fehlende Beißhemmung und hohe Schmerztoleranz. Die weitere Pflicht der Hundehalter zur Beibringung eines Führungszeugnisses, eines Nachweises der Sachkunde und eines Attests über die "Ungefährlichkeit“ des Hundes verletzten weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 33 VvB), noch liege darin eine Verletzung des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 7 VvB). Die Regelung sei durch überwiegende Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt.
Das in § 8 HundeV0 Bln vorgesehene Zuchtverbot für Pit-Bull, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier und Tosa Inu verletze nicht das Eigentumsgrundrecht (Art. 23 VvB). Das Zuchtverbot für Hunde, bei denen hinreichende Anhaltspunkte für eine rassespezifisch erhöhte Gefährlichkeit vorlägen, stelle vielmehr eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Auch das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 17 VvB) werde durch das Zuchtverbot nicht verletzt, da für das Zuchtverbot vernünftige und verhältnismäßige Erwägungen des Gemeinwohls vorlägen.
Daß nach § 10 Abs. 1 HundeV0 Bln lediglich die Diensthunde der Polizei, des Grenzschutzes, des Zolls, der Bundeswehr, der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes sowie geprüfte Schutzhunde im Einsatz bei Wach- oder Ordnerdiensten von den Vorschriften der HundeV0 Bln ausgenommen sind, nicht aber sog. Therapiehunde, sei schließlich unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber habe davon ausgehen dürfen, daß nur bei einer Verwendung von sog. gefährlichen Hunden durch die genannten Behörden und Institutionen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von vornherein auszuschließen sei, während dies in anderen Fällen privater Nutzung nicht in gleichem Maße der Fall sei.
Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 12. Juli 2001 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2001 - VerfGH 152/00
Gruß Sylvia