Mein geliebtes Brötchen - mein Panino. Mein Lächeln - mein Gul
Heute ist mal wieder so ein Tag...
Ich habe mir gerade den kompletten Thread hier noch mal durchgelesen. Und zum ersten Mal seither so richtig geweint. Eine komplette Packung Taschentücher ist dabei drauf gegangen, ich schnüffel gerade noch ein bißchen am letzten Tempo herum.
Meine Trauer darüber, dass du nicht mehr in voller Lebensgröße bei uns bist, hatte sich in der letzten Zeit schon ein bißchen verändert. Ich hab ein Foto von dir ja immer mit in die Schule genommen, damit ich das Lächeln schnell finde, wenn ich traurig werde. Auf diese Weise warst du auch immer mit in der Schule und meine Nachbarin Bärbel hat das Foto immer zwischen uns in die Mitte gelegt, damit du zwischen uns beiden sitzen kannst. Deine Fähigkeit zum Lächeln zaubern hat auch hier wieder volle Früchte getragen. Sogar unser Lehrer hat gelächelt und war wirklich seehr rücksichts- und verständnisvoll; was nicht nur ich absolut nicht erwartet hätte. Er lächelte sogar, als sich die in den Unterrichtsraum geschmuggelte Cara durch Scharren auf dem Teppich unüberhörbar selbst verriet
Wie wichtig dieses Foto für mich war, zeigte sich dann auch in diesem (blöden) Therapiekurs zur Lösung von Spannungen der Kiefermuskulatur. Ich Eseline glaubte ja, das wäre so eine Art "Chiropraktik" für die Kieferknochen. Und weil die TÄ damals so gute Erfolge an deinen von Tumorgewebe durchsetzten Wirbelkörpern erreicht hatte, hab ich mich spontan für diesen Kurs angemeldet. Aber statt der erwarteten "Knacks"-Technik, war ich mitten in einem Kurs mit Entspannungstechniken gelandet. Was ja ohnehin nicht so wirklich die Form der Therapierichtung ist, die anstrebe. Trotzdem machte ich brav und artig mit, bettete meinen Kopf auf das untergelegte Kissen und die unterschlagenen Arme und versank in mich selbst, so wie wir es auch sollten. Dort traf ich natürlich sofort auf dich und sah wieder deine liebevollen Augen, die mich vertrauensvoll anblickten. Ich sah, wie sie dir immer wieder zufielen, so wie in unserer vorletzten Nacht, als wir dicht nebeneinander liegend zusammen diese schwere Entscheidung getroffen haben. Ich versank noch ein Stückchen tiefer und auch zurück in diesen Moment, der so innig und so voller Liebe war. Diese Minuten, in denen alles von mir abfiel, was mich bis dahin so belastet hatte: alle Ängste, alle Zweifel, alle Sorgen und Gedankenkarusselle, alle Überlegungen dass ich deine Zeit mit uns noch reicher für dich hätte füllen sollen...
So durfte ich diesen Moment noch einmal erleben, wenn auch in nicht so wirklich passender Umgebung. Ich sass ja mitten in einem Klassenzimmer. Und durch dieses ertönte nun ein lautes Schluchzen. Es dauerte ein Weilchen, bis ich begriff, dass es von mir kam. Die Kursleiterin kam zu mir, legte mir die Hand auf die Schulter und fragte, ob mir nicht gut gehen würde. Seltsamerweise schuf sie durch diese Frage eine unglaubliche Distanz, die sich durch ihre auf mir liegende Hand auch nicht relativierte. Meine Antwort, dass es mir gut gehen würde, aber die Trauer um meinen kürzlich verstorbenen Hund halt gerade ein bißchen hoch gekommen wäre, verstand sie wohl auch nicht. Ihr Angebot, kurz rauszugehen, um mich wieder ein bißchen zu fangen, nahm ich deshalb auch sehr dankbar an - ich zog es vor, mit dir und meinen Gefühlen alleine zu sein. Es war ja auch ein Kurs mit vorwiegend fremden Gesichtern, nicht meine eigene Klasse.
Ich lief, immer noch heulend, immer noch dein liebes Gesicht vor meinen inneren Augen, ein paar Mal unten um den Block. Mitten durch die Gegend um den Hauptbahnhof, mitten durch das Samstag-Mittag Gewurle der Menschen, die ich nur am Rande wahrnahm. Ich war immer noch bei dir, immer noch mitten in diesem Moment und ich wollte ihn nicht verlassen, bevor er nicht von selbst vorüberging. Danach ging ich wieder zurück ins Kurszimmer, setzte mich auf meinen Platz, versank in den gewünschten Ommmm-Zustand und setzte meine Fingerspitzen zu Katzenpfötchen geformt wie gewünscht an irgendwelche Stellen meiner Kiefergelenke. Diesmal ohne weitere Zwischenfälle, obwohl du weiterhin noch immer ganz dicht vor meinen inneren Augen warst.
In der Mittagspause legte mir die Kursleiterin nahe, den Kurs zu verlassen, weil ich nicht in meiner Mitte sei, und wenn wir uns nach der Pause gegenseitig behandeln würden, würde ich meinen Mitschülern ja eh nur schaden. Ein Zertifikat über die Teilnahme könne sie mir ohnehin nicht mehr geben, weil ich diese wichtige Übung ja nicht vollständig mitgemacht hätte, da ich ja zwischendrin rausgegangen sei und ohnehin ja auch ein bißchen zu spät gekommen sei.
Ich war ihrer Bitte nachgekommen, wenn auch vorwiegend deshalb, weil sie sich in meinen Augen als Kursleiterin völlig disqualifiziert hatte. Zumindest prallten hier zwei Weltbilder zusammen, ihre Vorstellung von "Mitte" und die meine, kamen wohl aus grundverschieden Welten. Und, weil ja auch der Kurs überhaupt nicht das war, was ich mir so vorgestellt hatte. Ich war sogar ein kleines bißchen erleichtert, diesem Omm-Getue auf diese Weise wieder entrinnen zu können. Das einzige wirkliche Problem dabei war, dass ich mir etwas unsicher war, ob es wirklich klug war, einfach nach Hause zu fahren. Jetzt alleine zu sein, fühlte sich irgendwie nicht so ganz richtig an. Mittlerweile hatte sich neben dem schwer zu beschreibenden Gefühl, das durch deine so tiefgehende Nähe und den Tränenausbruch in mir ausgebreitet hatte, auch eine ganze Menge blanken Zorns angesammelt ...
Wie kommt diese Frau eigentlich dazu zu behaupten, eine Begnung mit dir würde mich aus meiner Mitte katapultieren? Ausgerechnet mit dir, meinem alte-Seele-Hund, meinem Brötchen, meinem Lächeln!?!?!?! Je länger ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Eine bodenlose Unverschämtheit sowas. Die soll sich ihr dämliches Zertifikat doch sonstwo ... Nach der Mittagspause packte ich meine Sachen und wechselte ins andere Kurszimmer, wo gerade der Egelkurs begonnen hatte. Ich war der Kursleiterin Regine am Gang über den Weg gelaufen und sie hatte einfach nur den Arm um mich gelegt "ach, dann kommst du halt einfach zu uns und hilfst uns beim Ansetzen der Egel". Als ich am Abend - mit dir im Herzen - nach hause kam, war mein Weltbild wieder vollends gerade gerückt. Was auch immer am Vormittags passiert sein mochte, jetzt war ich eindeutig völlig in meiner Mitte und das Ansetzen von Egeln hat mir auch mehr Freude gemacht als das Be-Ommmen verspannter Kiefermuskeln.
Wie so oft in letzter Zeit hat sich ein Blatt mal wieder von einer Sekunde auf die andere völlig ins Gegenteil verkehrt. Dein Foto hatte ich dem Tag nicht dabei, aber dafür war das Gefühl deiner Anwesenheit so intensiv zu spüren, dass ich schwören könnte, du wärst dabei gewesen. Und als hätte deine weise alte Seele nur nach einem Weg gesucht der mich begreifen lässt, dass das Schweben von Katzenpfötchenfingern über dem Tragus halt einfach nicht meine Welt ist.
Im Rückblick auf so manche Ereignisse oder auch ganz alltäglicher Alltagssituationen bin ich mir nie so ganz sicher, ob du nun wirklich dabei gewesen bist oder nicht. Noch immer schleifen die Gewohnheiten meiner Hände der Realität hinterher. Noch immer zucke ich zusammen, wenn ich nachts noch mal aufstehe, das Flurlicht ins Wohnzimmer scheint und ich sehe, dass du nicht auf deinem Platz liegst. Noch immer wird jeden Tag eine Erinnerung an dich lebendig. Die Dimensionen der Zeit haben sich bereits so verschoben, dass mir die Zeit mit dir so hundsgemein kurz vorkommt - und die Zeit seit deinem Tod so unendlich lange.
Und doch - muss ich noch einmal loslassen. Der Frühling ist unwiderruflich da. Vor dem Küchenfenster versperrt mir der blühende Forsythienbusch der Nachbarterrasse wie alljährlich schon wieder den Blick nach draussen und mein Geißblatt hatte schon letzte Woche die ersten grünen Blätter. Idefix hat es schon vorhergesehen ...
mhm, wenn Dir nicht danach ist, dann lass es auch bleiben, es hat immer alles seinen Grund und wenn Du Dich ganz anders entschließt und die Urne behältst, so ist das auch in Ordnung. Lass Dir einfach Zeit. Irgendwann wirst Du morgens aufstehen und wissen, heute.. oder Du wachst auf und denkst erst einmal: Nein, er bleibt und dann in fünf Jahren entscheidest Du auf einmal doch wieder anders. Es wird alles richtig sein, wann immer Du Dich irgendwie entscheidest.
Frühjahr, wenn die Bäume blühen und die Sonne scheint und der Neubeginn ist, das ist bestimmt ein besserer Zeitpunkt als jetzt.
Es ist nur eine billige Pappurne. Da wo sie jetzt steht, könnte man sogar sagen, sie stehe ohnehin nur etwas lieblos herum. Auf der Kommode im Schlafzimmer, davor sogar noch ein paar aussortierte Kleidungsstücke aufgestapelt... Aber sie ist da, ich kann sie in die Hände nehmen, ihr Gewicht spüren. Sie ist nicht du, aber sie beherbergt einen Teil von dir. Einen Teil von dem was du warst, als du noch mit uns gelebt hast. Als die Spaziergänge durch den Olympiapark noch doppelt so lange dauerten wie jetzt, weil du jeden einzelnen Grashalm so überaus faszinierend fandest.
Der Winter hat es für mich ein klein wenig leichter gemacht. Der viele Schnee und das Eis - wie hättest du da noch laufen sollen, es war ja schon für uns alle schwer. Jetzt macht es der Frühling schwerer für mich, zum ersten Mal, dass ich mich nicht einfach nur über all das neue Leben um mich herum freuen kann. Weil ich ein altes Leben loslassen musste. Weil ich weiss, dass du heute morgen strahlend auf die Terrasse getappert wärst, um die Sonne zu begrüßen und jedes einzelne neue Blatt entdeckt und persönlich begrüsst hättest. Weil du Cara angesteckt hättest mit deiner kindlichen Freude und sie dir hintergestapft wäre. Weil das mich angesteckt hätte, und ich dann draußen gesessen und mich an eurer Freude gefreut hätte. Jetzt liegt Cara nur auf der Couch und räkelt sich, während die Terrassentür offensteht und der Frühling draussen sich auch ohne unsere Beachtung seine Bahnen bricht.
Je näher der Frühling rückte, desto mehr veränderte sich meine Trauer. Momentan tu ich mich sogar schwer damit, mir Fotos von dir anzusehen, weil mir sofort die Tränen in die Augen steigen. Deine Asche auf die Reise ans Schwarze Meer zu schicken, dafür ist es bestimmt der perfekte Zeitpunkt. Es ist nur nicht so ganz der richtige für
mich. Die Vorstellung, die Urne aufzumachen und deine Asche durch meine Finger ins Wasser rieseln zu lassen - ist schön und erschreckend zugleich.
Gerade hat eine kleine Meise sich aus dem kleinen Teppich auf der Terrasse ein paar deiner zurückgelassen Fellhaare herausgepickt, um damit ihr Nest zu bauen. Eine andere Meise sass im Baum über ihr und drehte ihren Kopf aufregt von rechts nach links. Es sah aus, als würde sie Schmiere stehen bzw. flattern. Ich werd's schon schaffen, geliebter kleiner Mann, aber ein kleines bißchen wird's noch dauern. Ein kleines bißchen Zeit werde ich wohl noch brauchen....