Wie ist denn die Entfernung, bei der er "allergisch" reagiert - also, fixiert und nichts mehr von dir wahrnimmt?
Im Grunde müsste man vielleicht bei dem Abstand anfangen, und den so lange beibehalten, bis er sich entspannt. (Das geht nur mit einem Übungspartner, Leute, die einfach so nur spazierengehen wollen, sind da eher weniger geeignet.
)
Und wenn er sich entspannt, darf er gehen. Das ist die Belohnung.
Dann beim nächsten Mal etwas näher ran, und immer so weiter.
Was mich aber stutzig macht, ist wirklich, dass er das Verhalten erst jetzt, nach über einem Jahr bei euch, zeigt. Okay, er hatte es schon vorher, bei gleich großen Rüden ab und zu mal... eventuell ist es schleichend mehr geworden, aber ich las es so, als habe sich das Verhalten plötzlich sehr stark verändert.
Das lässt mich fast glauben, dass wirklich ein gesundheitliches Problem dahintersteckt. Vielleicht gar kein "großes", das auf den ersten Blick auffällt - aber irgendwas, das ihn sich unwohl fühlen lässt, und dann ist ja auch bei uns Menschen die Lunte manchmal etwas kürzer bzw. man wird etwas dünnhäutig und mag keinen Stress mehr haben.
Also, Rücken, Ohren, Augen, Gelenke, Ohrenentzündung... keine Ahnung, könnte im Grunde alles sein. Er fühlt sich nicht wohl, das verunsichert ihn, und darum muss er jetzt jeden möglichen Konkurrenten "als erstes" angreifen, "bevor es der andere tut". Wie matty glaube ich auch schon geschrieben hatte.
Was nicht heißt, dass ihr nicht dran arbeiten sollt, im Gegenteil, denn manchmal verselbstständigt sich das Verhalten dann auch. Dagegen solltet ihr etwas unternehmen. Aber solange die dahinter liegende Ursache nicht abgestellt wird, ist es unter Umständen für alle Beteiligten ziemlich mühsam. Auch für den Hund. Aber für euch genauso, denn Erfolge können sich dann, wenn überhaupt, nur langsam einstellen.
Ich habe selbst erlebt, was für einen enormen Unterschied das Wohlbefinden eines Hundes ausmacht.
Als mein erstes Kind laufen lernte, bekam oben erwähnter Hund, der eigentlich mit Menschen komplett unproblematisch war, ein Problem mit ihm. Wich ihm aus, wo er konnte, knurrte, warnschnappte in die Luft (normalerweise in gebührendem Abstand, ein zweimal auch von nahem). Der Hund war extrem stressanfällig und unsicher, und hing sehr an mir, also gingen wir erstmal von einer Mischung aus Verunsicherung (warum läuft der plötzlich schon und warum hört der noch nicht) und Ressourcenverteidigung aus.
Zu dieser Zeit hatte der Hund eine angeblich schmerzlose, aber enorm große Fettgeschwulst an einer Seite. Wegen seiner Herzprobleme wollten wir die eigentlich nicht operieren. Aber nachdem die sich innerhalb von wenigen Wochen plötzlich locker verdoppelt hatte und noch weiter wuchs, haben wir es doch gemacht. Das "Kinderproblem" wollten wir dann anschließend gezielt angehen.
Nur -
mussten wir das nachher gar nicht mehr. In dem Moment, wo das Dingens
weg war - sogar mit der frischen, riesig langen OP-Narbe, die ja mit Sicherheit auch schmerzempfindlich war - war das Kind für den Hund kein Thema mehr und konnte sich ihm von allen Seiten nähern, ohne dass es ihn noch irgendwie gestört hätte.