Wolfgang
KSG-Haarspalter™
Thüringer Allgemeine - 25.11.2003
Gefährlicher Freund
Es ist still um sie geworden, die Kampfhunde. Doch in Vergessenheit ist nicht geraten, dass 2001 in Hamburg ein Sechsjähriger totgebissen wurde. Das Bundesverfassungsgericht behandelt jetzt Verbote, Gesetze und Verordnungen, die sich mit diesen Tieren befassen. 2001 waren sie in allen Bundesländern erlassen worden. Über 80 Halter und Händler wollen jenes Bundesgesetz kippen, das es seit 2001 ermöglicht, bestimmte Rassen zu verbieten. Thüringen ging von Anfang an einen anderen Weg.
Im Oktober in Eisenach. Zwei Männer gerieten auf der Straße in Streit, einer hatte einen Hund dabei. Erst wurde mit Worten gezankt, später mit Handgreiflichkeiten. Dann griff der Hund ein. Ein Rottweiler.
Ein Radfahrer fuhr durch den Park am Sondershäuser Krankenhaus. Ein frei laufender Hund fiel ihn an, zehn Meter entfernt stand der Halter. Der rief. Aber der Collie hörte nicht.
In Wutha-Farnroda endete ein Besuch unter Hundefreunden übel. Die Vierbeiner gingen aufeinander los. Einer der Besitzer wollte beide, American-Staffordshire-Terrier und Labrador-Rottweiler-Mischling, trennen. Und wurde verletzt.
Dies sind einige "Hundevorfälle" dieses Jahres, wie es im Amtsdeutsch heißt. Immer wieder sorgt es für Aufsehen, wenn Menschen oder kleinere Hunde angegriffen werden. Der Fall des kleinen Volkan in Hamburg hatte in fast allen Bundesländern zu teils sehr strengen Hundeverordnungen geführt. In Nordrhein-Westfalen wurden sogar alle Hunde für gefährlich erklärt, die höher als 40 Zentimeter und schwerer als 20 Kilo waren, also ab Foxterrier. American Pitbull, American-Staffordshire und Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier und die Mischlinge daraus wurden fast überall verboten.
Anders in Thüringen. Gegen eine Rasseliste sprachen sich damals im Freistaat Hundeexperten parteiübergreifend aus. Sie sagten, nicht die Rasse sei entscheidend, sondern das Wesen, die Erziehung des Hundes. Manchmal auch die des Besitzers. Sie setzten sich durch. Doch nicht jeder fand das richtig gut. Manche fürchteten einen Kampfhunde-Tourismus nach Thüringen. Der aber blieb aus.
Wie ist die Sache nun für Thüringen ausgegangen? Nachdem im vorigen Jahr die strenge niedersächsische Hundeverordnung für fachlich unhaltbar erklärt wurde, haben insgesamt fünf Bundesländer die Rasselisten wieder abgeschafft, neben Niedersachsen Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg. Die Thüringer rieben sich die Hände.
Sind also die Thüringer Hunde alle nur nette Kerle, die Thüringer Hundeverordnung eine Erfolgsstory? 213 Vorfälle mit Hunden zählte die Statistik des Thüringer Innenministeriums im vorigen Jahr. 201 Mal wurden Menschen gebissen, 16 schwer. Das ist viel. 13 Hunde wurden eingeschläfert, weil sie nicht mehr zu erziehen waren, darunter Golden Retriever, ein ungarischer Hirtenhund, Rottweiler. Wie viele solche Vorfälle es in anderen Bundesländern gab, wird dort nicht gezählt.
Doch in Thüringen hofft man. Denn die Zahl der Beißattacken sinkt. Noch 2001 wurden 289 Fälle und in diesem Jahr bis August 95 Fälle gezählt. Vor allem: Was schon lange als Gerücht kursiert, scheint sich zu bestätigen. Die Spitze der Statistik führten 2002 die Deutschen Schäferhunde und deren Mischlinge an, mit 52 Vorfällen. Sie werden auch besonders oft gehalten. Es folgten Rottweiler und Rottweiler-Mischlinge, danach der Dobermann. Erst weit hinten kommen Pitbull und Bullterrier. Die These der Thüringer scheint bestätigt, dass Gefährlichkeit von Hunden nicht an Rassen festzumachen ist. Zumal in der Statistik vier Golden Retriever auftauchen, sogar ein Foxterrier und auch ein Jack Russell Terrier.
Die Zahl der Tiere, die zu Kampfhunden gezählt werden, ist in Thüringen um etwa ein Viertel zurückgegangen, so schätzt Hunde-Trainer Hans-Jörg Stengler. Dies ist nicht verwunderlich, denn ihre Zucht ist verboten. Trotz der liberalen Thüringer Hundeverordnung haben aber 2001 und 2002 viele Besitzer solcher Hunde versucht, sie loszuwerden. Fast alle Thüringer Tierheime erzählen von Hunden, die sie morgens am Zaun festgebunden fanden. Und es sind nicht nur Hunde der geschmähten vier Rassen, sondern große Hunde überhaupt.
Es gab jedoch auch ungezählte Fälle, wo gefährliche Hunde ihren Besitzern weggenommen wurden, ihnen ein lebenslanges Haltungsverbot ausgesprochen werden musste. Da ist etwa Baby, eine drei Jahre alte Staffordshire-Hündin im Tierheim Sömmerda. Böse fletscht sie gegen jeden die Zähne, der an ihrem Zwinger vorüber geht, sie schreckt vor jedem Fremden zurück. Eine Chance, für solche Tiere neue Besitzer zu finden, sieht Tierheim-Leiterin Sabine Furkert kaum. Ohnehin sei es kaum noch möglich, große Hunde zu vermitteln, klagt sie. Sie hätten einfach ein zu schlechtes Image. Anderen geht es ähnlich. Im hessischen Wiesbaden etwa soll bis zu 500 Euro und Futter für ein halbes Jahr bekommen, wer solch einen Hund zu sich nimmt.
Doch es gibt auch anderes. Im vorigen Jahr war im Sömmerdaer Tierheim eines Morgens ein Zwinger aufgebrochen. Eine hochtragende Rottweiler-Staffordshire-Hündin, die man dem Besitzer weggenommen hatte, war verschwunden und blieb es, trotz Suche der Polizei mit Hubschrauber. Die Zucht dieser Tiere ist verboten.
Ob in solch schwierigen Freundschaften zum Hund Wesenstests und Sachkundenachweise helfen, die drei Viertel der Besitzer solcher Hunde inzwischen haben, ist fraglich.
So wird es wohl die absolute Ausnahme bleiben, was im Frühjahr in Erfurt geschah:
Ein American-Stafford-Terrier blieb übrigens ganz friedlich, als sein Frauchen (24) nach einem Autounfall den 44-jährigen Unfallgegner voller Wut in die Hand biss.
24.11.2003 Von Angelika REISER-FISCHER
Gefährlicher Freund
Es ist still um sie geworden, die Kampfhunde. Doch in Vergessenheit ist nicht geraten, dass 2001 in Hamburg ein Sechsjähriger totgebissen wurde. Das Bundesverfassungsgericht behandelt jetzt Verbote, Gesetze und Verordnungen, die sich mit diesen Tieren befassen. 2001 waren sie in allen Bundesländern erlassen worden. Über 80 Halter und Händler wollen jenes Bundesgesetz kippen, das es seit 2001 ermöglicht, bestimmte Rassen zu verbieten. Thüringen ging von Anfang an einen anderen Weg.
Im Oktober in Eisenach. Zwei Männer gerieten auf der Straße in Streit, einer hatte einen Hund dabei. Erst wurde mit Worten gezankt, später mit Handgreiflichkeiten. Dann griff der Hund ein. Ein Rottweiler.
Ein Radfahrer fuhr durch den Park am Sondershäuser Krankenhaus. Ein frei laufender Hund fiel ihn an, zehn Meter entfernt stand der Halter. Der rief. Aber der Collie hörte nicht.
In Wutha-Farnroda endete ein Besuch unter Hundefreunden übel. Die Vierbeiner gingen aufeinander los. Einer der Besitzer wollte beide, American-Staffordshire-Terrier und Labrador-Rottweiler-Mischling, trennen. Und wurde verletzt.
Dies sind einige "Hundevorfälle" dieses Jahres, wie es im Amtsdeutsch heißt. Immer wieder sorgt es für Aufsehen, wenn Menschen oder kleinere Hunde angegriffen werden. Der Fall des kleinen Volkan in Hamburg hatte in fast allen Bundesländern zu teils sehr strengen Hundeverordnungen geführt. In Nordrhein-Westfalen wurden sogar alle Hunde für gefährlich erklärt, die höher als 40 Zentimeter und schwerer als 20 Kilo waren, also ab Foxterrier. American Pitbull, American-Staffordshire und Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier und die Mischlinge daraus wurden fast überall verboten.
Anders in Thüringen. Gegen eine Rasseliste sprachen sich damals im Freistaat Hundeexperten parteiübergreifend aus. Sie sagten, nicht die Rasse sei entscheidend, sondern das Wesen, die Erziehung des Hundes. Manchmal auch die des Besitzers. Sie setzten sich durch. Doch nicht jeder fand das richtig gut. Manche fürchteten einen Kampfhunde-Tourismus nach Thüringen. Der aber blieb aus.
Wie ist die Sache nun für Thüringen ausgegangen? Nachdem im vorigen Jahr die strenge niedersächsische Hundeverordnung für fachlich unhaltbar erklärt wurde, haben insgesamt fünf Bundesländer die Rasselisten wieder abgeschafft, neben Niedersachsen Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg. Die Thüringer rieben sich die Hände.
Sind also die Thüringer Hunde alle nur nette Kerle, die Thüringer Hundeverordnung eine Erfolgsstory? 213 Vorfälle mit Hunden zählte die Statistik des Thüringer Innenministeriums im vorigen Jahr. 201 Mal wurden Menschen gebissen, 16 schwer. Das ist viel. 13 Hunde wurden eingeschläfert, weil sie nicht mehr zu erziehen waren, darunter Golden Retriever, ein ungarischer Hirtenhund, Rottweiler. Wie viele solche Vorfälle es in anderen Bundesländern gab, wird dort nicht gezählt.
Doch in Thüringen hofft man. Denn die Zahl der Beißattacken sinkt. Noch 2001 wurden 289 Fälle und in diesem Jahr bis August 95 Fälle gezählt. Vor allem: Was schon lange als Gerücht kursiert, scheint sich zu bestätigen. Die Spitze der Statistik führten 2002 die Deutschen Schäferhunde und deren Mischlinge an, mit 52 Vorfällen. Sie werden auch besonders oft gehalten. Es folgten Rottweiler und Rottweiler-Mischlinge, danach der Dobermann. Erst weit hinten kommen Pitbull und Bullterrier. Die These der Thüringer scheint bestätigt, dass Gefährlichkeit von Hunden nicht an Rassen festzumachen ist. Zumal in der Statistik vier Golden Retriever auftauchen, sogar ein Foxterrier und auch ein Jack Russell Terrier.
Die Zahl der Tiere, die zu Kampfhunden gezählt werden, ist in Thüringen um etwa ein Viertel zurückgegangen, so schätzt Hunde-Trainer Hans-Jörg Stengler. Dies ist nicht verwunderlich, denn ihre Zucht ist verboten. Trotz der liberalen Thüringer Hundeverordnung haben aber 2001 und 2002 viele Besitzer solcher Hunde versucht, sie loszuwerden. Fast alle Thüringer Tierheime erzählen von Hunden, die sie morgens am Zaun festgebunden fanden. Und es sind nicht nur Hunde der geschmähten vier Rassen, sondern große Hunde überhaupt.
Es gab jedoch auch ungezählte Fälle, wo gefährliche Hunde ihren Besitzern weggenommen wurden, ihnen ein lebenslanges Haltungsverbot ausgesprochen werden musste. Da ist etwa Baby, eine drei Jahre alte Staffordshire-Hündin im Tierheim Sömmerda. Böse fletscht sie gegen jeden die Zähne, der an ihrem Zwinger vorüber geht, sie schreckt vor jedem Fremden zurück. Eine Chance, für solche Tiere neue Besitzer zu finden, sieht Tierheim-Leiterin Sabine Furkert kaum. Ohnehin sei es kaum noch möglich, große Hunde zu vermitteln, klagt sie. Sie hätten einfach ein zu schlechtes Image. Anderen geht es ähnlich. Im hessischen Wiesbaden etwa soll bis zu 500 Euro und Futter für ein halbes Jahr bekommen, wer solch einen Hund zu sich nimmt.
Doch es gibt auch anderes. Im vorigen Jahr war im Sömmerdaer Tierheim eines Morgens ein Zwinger aufgebrochen. Eine hochtragende Rottweiler-Staffordshire-Hündin, die man dem Besitzer weggenommen hatte, war verschwunden und blieb es, trotz Suche der Polizei mit Hubschrauber. Die Zucht dieser Tiere ist verboten.
Ob in solch schwierigen Freundschaften zum Hund Wesenstests und Sachkundenachweise helfen, die drei Viertel der Besitzer solcher Hunde inzwischen haben, ist fraglich.
So wird es wohl die absolute Ausnahme bleiben, was im Frühjahr in Erfurt geschah:
Ein American-Stafford-Terrier blieb übrigens ganz friedlich, als sein Frauchen (24) nach einem Autounfall den 44-jährigen Unfallgegner voller Wut in die Hand biss.
24.11.2003 Von Angelika REISER-FISCHER