Wenn ich zufälliger Weise am Silvesterabend in Köln gewesen wäre, hätte ich mich gegen meinen Willen und obwohl ich nichts getan habe und keinen Anlass gegeben hätte, an meiner Rechtschaffenheit zu zweifeln, Stunden lang dort festhalten lassen müssen.
Ich kann ehrlich gesagt gar nicht nachvollziehen, wie man es richtig finden kann, dass Menschen wie ich willkürlich wegen ihrer Herkunft unwürdig behandelt werden, weil man sich dadurch Schutz vor Menschen verspricht, die Menschen wegen ihres Geschlechts unwürdig behandeln.
Nein, das wäre nicht, oder wenn, dann wirklich nicht "gezielt" passiert.
Nach meinem Kenntnisstand war das Vorgehen so, dass - wie bei Fußballspielen - von der Bahnpolizei bereits auf der Anreise größere Gruppen von entsprechenden Leuten nach Köln mit Wagenstandort etc. gemeldet wurden, und dann am Bahnhof versucht wurde, speziell diese Gruppen (also die, die schon im Zug aggressiv aufgetreten sind) gezielt von den anderen Feiernden zu isolieren. Wie gut oder schlecht das gelungen ist oder angesichts der Situation am Bahnhof überhaupt möglich war, ist natürlich die Frage - aber angesichts der Ereignisse der Vorjahre - nicht nur des letzten - auf der Domplatte mit aggressiven. Feuerwerkskörper werfenden jungen Männern, leider tatsächlich überwiegend aus dem nordafrikanischen Raum - fand ich das Vorgehen jetzt nicht ungewöhnlich, uind auch durchaus angemessen.
Ich habe zu der Diskussion damals hier, und dazu stehe ich auch, bereits letztes Jahr geschrieben, dass die Situation in Köln nie so eskaliert wäre, wenn die Polizei von Anfang an Päsenz hätte zeigen dürfen und gegen Krawallmacher gezielt hätte vorgehen könne. Das ist nicht passiert, und dadurch konnte über Stunden eine immer größere Menge an tendenziell auf Ärger gebürsteten Leuten dort auflaufen und die Stimmung hat sich immer weiter aufgeheizt und ist irgendwann gekippt.
Das ist diesmal immerhin erfolgreich verhindert worden. - Nicht gerade mit innovativen Methoden, aber mit bewährten - Mit gewaltbereiten Fußballfans wäre man exakt genauso verfahren.
Ob das nun das beste Mittel der Wahl war, bleibt davon unberührt... es ist jedenfalls im Grunde ja auch diskriminierend, wenn Leute aufgrund ihres Benehmens
und der Farbe ihrer Schals oder Kutten eingekesselt, uU kontrolliert und auf ihrem Weg wo auch immer von der Polizei eskortiert werden.. bei Fans mit entsprechendem Ruf (in Bremen zB : HSV, aber auch, nach leidvoller Erfahrung früher, als solche Mannschaften dort noch hinkamen, Feyenoord Rotterdam) uU auch NUR aufgrund ihrer Schalfarbe... - Trotzdem scheint uns das unkritischer, weil eine Schalfarbe ein willkürliches Merkmal ist und man dieses auch ablegen kann und dann weniger Gefahr läuft, aus Versehen mit eingekesselt zu werden.
Abgesehen davon, dass es unrecht ist, muss man sich auch fragen, was für eine Wirkung solche Vorgehensweisen gerade bei jungen Ausländern haben. Mit solchen Ungerechtigkeiten fördert man doch im Gegenteil noch mehr Vorurteile und Hass auf beiden Seiten und muss sich tatsächlich irgendwann nicht wundern, wenn sich Menschen radikalisieren.
Naja, ich sag mal so: Letztes Jahr ist nix passiert, bzw. man hat die Feiernden gewähren lassen, und wenn Polizisten eingeschritten sind, wurden sie angepöbelt, angegangen, und wurden insgesamt nicht ernst genommen. Das scheint auch nicht die richtige Lösung zu sein.
Irgendwie klingt es ein wenig so, als wärst du hauptsächlich sauer, weil du selbst betroffen sein könntest... - Naja, wirst du jetzt sagen, du hast gut Reden, als "Biodeutsche"... - Oder korrekterweise, als jemand, der so aussieht wie eine "Biodeutsche" (Wer hat eigentlich dieses bekloppte Wort erfunden?)
Ich hab aber einen türkisch aussehenden Mann und mindestens ein türksich aussehendes Kind, ist jetzt nicht so, dass der Blitz allzu fern von mir eingeschlagen wäre.
Kann selbstredend sein, dass ich dir da Unrecht tue, und dafür entschuldige ich mich jetzt schon.
Mir fällt aber generell auf, dass viele Leute gern Recht und Ordnung und Sicherheit wollen - aber in dem Moment, wo es sie selbst betrifft und einschränkt, hört es damit wieder auf.
Beispiel:
Leute, die es gut meinen, und den Tierschutz einschalten, weil sie meinen, jemand quält sein Pferd und lässt es verhungern. Dabei ist es 25 Jahre alt und für ein Pferd in diesem Alter topfit.
Werden gern als untertägliche Denunzianten gesehen.
Mein eigenes Beispiel: Der Babybesuchsdienst vom Jugendamt, der mein Arrangement mit Baby, großem Hund und mir mit 5 Tage die Woche beruflicherdings abwesendem Ehemann katastrophal fand und extrem drauf gedrängt hat, dass ich den Hund abgebe, weil ich auf dem Zahnfleisch ging. Stimmte prinzipiell, hab ich nicht gemacht, hat mich noch ein paar Nerven mehr gekostet... da haben hier im Forum sehr viele geschrieben, wie unverschämt sie das fanden, und dass sie sich von niemandem was vorschreiben lassen wollen würden. und dass ihnen niemand etwas sagen müsste in Sachen Kindererziehung... Man kann aber nicht auf der einen Seite bei jedem vernachlässigten Kind überforderter Eltern total entsetzt sein, und auf der anderen Seite, sobald jemand meint, man selbst fällt in diese Kategorie, alles entrüstet von sich weisen, und sich über den Staat aufregen, der alles kontrollieren will.
Als ich noch in Hannover wohnte, bin ich, während der Chaostage - also, DER Chaostage 1995 - mal per Fahrrad zu einer Geburtstagsparty gefahren und musste dafür einmal durch die Innenstadt und am Bahnhof vorbei.
Als der erste Polizeiposten mich scharf ins Auge fasste, ging mir auf, dass es definitiv keine gute Idee gewesen war, das mit löchrigen Jeans und Palästinensertuch zu tun.
Ich nehme an, mein absolut harmloses sonstiges Aussehen plus der Nudelsalat im Fahrradkorb und der Umstand, dass ich damit in eine ganz andere Richtung unterwegs war, und nicht etwa die kämpfenden Punks und Autonomen auf dem Sprengelgelände unterstützen wollte, hat dann den Ausschlag gegeben und ich konnte unbehelligt weiter meiner Wege gehen. (Und dasselbe traf dann auch noch für die nächste Postenkette zu - zurück bin ich dann sicherheitshalber einen anderen Weg gefahren...
)
Wenn das nicht so gewesen wäre und die mich kontrolliert und/oder präventiv festgesetzt hätten - je nun. Was hätte ich da machen sollen? - Ich hätt's den Leuten in der Situation nichtmal vorwerfen können, in der Stadt lief in den zwei Tagen alles aus dem Ruder.
Dessenungeachtet ist mir schon klar, dass für dich die Ausgangssituation bereits eine andere ist. Man muss es ja gar nicht beschönigen - Leute mit arabischem oder südosteuropäischem Aussehen und einer gewissen sonstigen Optik werden häufiger kontrolliert als andere (auch aus einer gewissen Erfahrung heraus, selbstredend, aber die wird dann irgendwann zum Selbstläufer). Und Männer - Männer generell, aber Männer mit dieser Optik eben erst recht - treffen bei den Polizisten auch auf weniger Grundsympathie als Leute wie ich (absolut unauffällig aussehende, defensiv auftretende Frauen), und es wird vermutlich schon darum deutlich weniger häufig in Zweifelsfällen zu ihren Gunsten entschieden.
Das ist unfair und schürt Frust. Ich weiß aber auch nicht, wie man das lösen kann.
Wenn (überspitzt gesag) 8 von 10 Taschendieben im Ruhrpott oder in D'dorf Nordafrikaner sind oder so aussehen, und jemand zeigt einen Diebstahl an und beschriebt einen Nordafrikaner oder "Südländer" mit schwarzer Lederjacke als Täter, werden in der Folge nunmal genau solche Leute verstärkt kontrolliert. Und nicht der Fairness halbe noch x blond gefärbte Hooligans dazu, falls das Opfer sich verguckt haben sollte.
Da fängt das Problem an, und die negativen Erfahrunge der Polizisten, die dann in der Folge auch präventiv solche Leute verdächtiger finden als andere, verschärft es dann.
Ich sehe es, aber ich sehe keine Lösung. - Was meinst du, wie man aus dieser Schleife rauskommt?