Erste Maßnahme bei so nem Hund: Streß verringern/verhindern. Will heißen, ich meide erstmal die Situationen, in denen er hochfährt, so weit irgend möglich - zB durch Auswahl entsprechender Gassigebiete und -zeiten, aber auch Auswahl u.U. geeigneter hündischer Begleiter (ruhig, souverän, die net gleich auf Gekläffer anderer Hunde anspringen o.ä.).
Dann bringe ich ihm ein Verhalten bei, das ich zu sehen wünsche in den Situationen, in denen Hund bisher ausrastet. Wenn der Hund unsicher ist oder aggro, zeigt er das einfach erstmal. MIR sollte das sagen, daß er keine andere Lösung für diese Situation hat, als auszurasten, ich muß ihm also daher zeigen, was er tun KANN, um sich wieder besser zu fühlen. Ob der nun Angst hat und ich ihm zeige, wie er ausweichen kann oder hinter mir Schutz suchen kann, oder wie er am schnellsten aus der Situation unbeschadet wieder rauskommt (zügig mit mir vorbeigehen im Fuß - weil dabei der Blick auf mich gerichtet ist und er den anderen nicht fixieren und sich reinsteigern kann), oder ob der aggro ist, weil er den anderen Hund erstmal sch... findet, ist dabei egal. Auch wenn er den anderen Hund einfach sch... findet, kann ich ihm zeigen, daß er den bitteschön zu ignorieren hat.
Für die Umsetzung brauche ich in keinem Fall aversive Maßnahmen oder Mittel. Wenn ich nämlich den Abstand bei solchen Begegnungen anfangs groß genug wähle, ist der Streß gerade so groß, daß Hund den anderen noch wahrnimmt, aber (noch) nicht reagieren muß. Und damit ist er lernfähig. Dann verlange ich das zunächst Gelernte in immer ablenkungsreicheren Situationen, z.B. im Park, auf der Straße etc., halt immer so kleinschrittig, daß der Hund das noch zuverlässig zeigt. Und erst, wenns auch Samstag Nachmittag auf Makrtplatz klappt (zB das alternative Fuß, oder "Weiter"-Kommando oder Bogen-Laufen), dann geh ich wieder in Hundebegegnungen rein, eben mit entsprechendem Abstand, und übe das. Bzw. eben entsprechend mit Menschenbegegnungen, da übe ich das Fußgehen dann natürlich net auf belebten Straßen oder Marktplätzen, sondern da, wo niemand läuft, dann da, wo nur wenige Leute laufen etc., klar. Und am Ende eben, wenns mit anderen Ablenkungen gut klappt (z.B. an belebten Straßen, wo aber wenige Leute laufen, oder im Wald unter Wildablenkung, aber ebenfalls mit wenigen Menschen in der unmittelbaren Nähe!), dann kann ich da mal normale Wege gehen, in Gebieten, wo es normal recht ruhig zu geht. Das Ganze mit entsprechender Steigerung, d.h. ich verringere entweder die Distanz zum Aggressionsauslöser, ODER ich erhöhe die Ablenkung/Anzahl der Aggressionsauslöser, ODER die Dauer, in der der Hund dem ausgesetzt wird und ruhig bleiben soll. Pöbelt er trotzdem mal, war ich zu voreilig, und setz die Ansprüche für die nächste Übungseinheit wieder runter. Sprich, ich roll ne Zeitung zusammen und hau mir selbst (!) damit aufn Kopp.
Sowas geht natürlich nicht von heute auf morgen, klar.
Es kann auch immer wieder mal passieren, wenn der Hund dann irgendwann im Alltag gut "funktioniert", sprich normal reagiert, es trotzdm einmal in extremen Situationen zu einem Rückfall in das alte Verhalten kommt. Aber dann muß man sich an die iegene Nase fassen, weil man den hund überfordert hat, und nicht rechtzeitig aus solchen Situationen rausgenommen hat. Also würde ich zB nicht mit nem ehemals menschenaggressiven Hund auf ne Familienfeier mit Grillparty im Garten gehen, wo hundert Kinder rumrennen, Bällchen werfen, jemand Knochen untern Tisch wirft für die anwesenden 5 Hunde, und dort von ihm verlangen, ruhig in ner ecke zu liegen, währen alle Kids um ihn rumrennen, ihn bedrängen, streicheln, betatschen etc. Ganz klar
Oder wenn man nen (ehemals) hundeaggressiven Hund hat, der im Alltag halbwegs mitläuft (und sei´s nur durch Management des Halters!), mit dem rennt man halt dann net aufm Soka-Run rum, wo er stundenlang fremden Hunden, Gebell und am Ende noch "sag mal hallo"-Hundehalter und deren Hunde ertragen muß.
Während des Trainings sorge ich dafür, daß der Hund keine Erfolge mit der alten Methode hat (er kann also nicht jemanden anpöbeln, der dann schnell davonläuft, weil das Davonlaufen der unerwünschten Person ja einen Erfolg für den Hund mit dem Verhalten darstellt!), oder einen Hund zwischen die Finger kriegt und ihn auf seine Weise aus dem Weg räumen kann. Sprich, Sichern des Hundes, und Streß rausnehmen, so weit möglich, durch Vermeidung aggressionsfördernder Situationen, während ich am Problem arbeite. Vorteil: je geringer das allgemeine Streßlevel des Hundes ist durch Vermeidung solcher Begegnungen (der steigert sich ja jedes Mal wieder rein, und ist dadurch dann nur noch auf 180 unterwegs, der geht oft schon mit der "wo ist wer, der wird gleichmal angepöbelt"-Attitüde ausm Haus, also mit einer gewissen Erwartungshaltung!), desto besser kann er das, was ich möchte, aufnehmen, verarbeiten, und desto besser sitzt das dann später.
Vorübergehend kann auch ein Mauli helfen, um Verletzungen zu verhindern, falls doch mal wer ums Eck gerannt kommt, aber auch, um dem Halter ein Gefühl der Sicherheit zu geben.
In solchen Fällen mit aversiven Mitteln zu kommen, ist der größte Unsinn, den man dabei machen kann: der Hund ist eh schon im Streß, und dann mach ich als Halter auch noch Streß zusätzlich. Das Einzige, was ich dabei erreiche, ist, daß der Hund noch mehr Streß hat, sich weiter reinsteigert, lernt, daß er alles selbst regeln muß, weil ich nicht in der Lage zu sein scheine, ja sogar hilflos bin, und ja - daß ich unberechenbar bin und geradezu gefährlich, weil ich ihm in "komischen" Situationen auch noch in den Rücken falle mit aversiven Maßnahmen, Schmerzen oder Sprühhalsband o.ä.. Was er dabei
nicht lernt: wie er aus der für ihn unangenehmen Situation rauskommt. Daß der Streß unnötig ist. Daß er sich auf den Halter verlassen kann. Daß der Halter berechenbar ist. Daß das gegenüber nicht gefährlich ist, sondern vielleicht auch ganz nett sein kann. Und, was bei Anwendung aversiver Methoden definitiv
nie passieren wird: daß der Hund irgendwann streßfrei spazierengehen kann. Man ändert damit also die eigentliche Grundstimmung des Hundes, die für seine aggressive Reaktion verantwortlich ist, nicht. Und das schafft in meinen Augen wandelnde Zeitbomben, die sich genau so lange beherrschen, wie der Halter 100% bei ihnen ist mit seiner Aufmerksamkeit. Aber wehe, wenn......
Was ich mal gesehen habe, das fand ich sehr schön, (glaub, von U. Berthold-Blaschke war der Satz
daß man sich hierzu fragen sollte, was der Zweck solchen Verhaltens ist. Meist ist es doch so, daß der Hund unsicher ist, oder seine Ruhe haben möchte vor anderen Hunden oder Menschen, und an der Leine nicht adäquat reagieren kann, oder nicht gelernt hat, adäquat zu reagieren, oder gelernt hat, daß eine adäquate Reaktion mal keinen Erfolg hatte, weil er an den Falschen geriet. Dann ist der Zweck dieses "Aggro-Verhaltens" einfach nur, den Anderen abzuschrecken, um die eigenen Sicherheit zu gewährleisten. Und diese Sicherheit hat der Hund sicher NICHT, wenn er nur "gedeckelt" wird, sprich sein "das ist mir unangenehm" einfach nur nicht mehr zeigen darf.
Das Ganze bezieht sich jetzt natürlich auf normale Hunde, die einfach irgendwann mit der aggressiven Methode Erfolg gehabt haben, und es daher auf die Tour immer wieder versuchen, ausdrücklich nicht auf Hunde, die irgendwo nen Schaden haben aufgrund Mißhandlungen eines Menschen, oder depriviert sind etc. Das ist mit Sicherheit nochmal ein ganz anderes Kapitel.
Und natürlich gibt es noch andere Ursachen für Aggressivität, zB wenn ein eh schon triebiger Hund ständig noch höher geschraubt wird durch ein Zuviel an Arbeiten und aus der Hand geht, da hilft dann eher ein Runterschrauben des Trainingspensums o.ä., denn solang der im Streß ist, hilft es nicht, das anderweitig zu trainieren, weil man die eigentliche Ursache (Streß durch Überforderung) damit nicht beseitigen kann.
Oft hilft ein sicherer, souveräner Halter dem Hund durch solche Situationen, sodaß man auch viel durch Arbeiten an sich selbst erreichen kann. Und habe ich konkret ein Ziel geplant "bei xy zueigt der Hund dies und das", dann kann ich das auch dem Hund konkret vermitteln, Schritt für Schritt, und es gibt mir als Halter die Sicherheit, zu wissen, wie ich reagieren kann in der Situation, und wo ich hin möchte.
PS: ein Hund, der dazwischengeht, wenn zwei knuddeln, ist in meinen Augen entweder einfach nur unsicher oder "eifersüchtig" oder zeigt Schutzverhalten, je nachdem, wie er sich gibt. Diesem würde ich als Alternative zeigen, was er zu tun hat. zB ins Körbchen zu gehen, weil ich selbst in der Lage bin, mich zu verteidigen, bzw. selbst entscheiden, wen ich knuddel etc. Notfalls ins andere Zimmer sperren, wenn er sich unbelehrbar zeigt, oder ich keinen Bock habe, beim ersten Date daheim dauernd den Hund zu erziehen "zwischendurch" *gg
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Zur Info: mein Wissen resultiert u.a. aus meiner inzwischen 7jährigen Erfahrung mit meiner absolut artgenossenunverträglichen dritten Hündin (heute 15 Jahre), ich weiß also, wovon ich spreche *gg - und inzwischen sind wir so weit, daß ich heute Morgen z.B. mit allen drei Hunden auf die Hundewiese gegangen bin, mit meinem Aggro-Hund, der (angeleint) gut entspannt bleiben konnte, einer Kumpeline meines freilaufenden Zweithundes, die super auf mein Abblocken und die Körpersprache der aggressiven Hündin reagiert hat und daher ihr fernblieb, und meiner Ersthündin, die einfach nur uns zwischen den Beinen rumdackelte. Nein - ungefährlich ist diese Hündin sicherlich nicht geworden, sie packt immer noch zu, wenns ihr zu viel wird. Aber sie ist heute für mich probemlos zu handhaben und hat eine weeeeeesentlich höhere Streßtoleranz bekommen: sie duldet ein Beschuppern für ein paar Sekunden, womit sie mir ein Eingreifen ermöglicht, sobald ich sehe, es wird ihr zu viel, ich war auf Hundetreffen mit ihr, wo sie angeleint in dem ganzen Pulk (!) mitlaufen konnte, ohne furchtbar in Streß zu geraten, und auch mitgeschwommen ist am Rande des Geschehens an nem Fluß, und auch ohne Mauli niemanden angegangen ist, ich kann mit allen drei Hunden problemlos gemeinsam Gassi gehen. Und - tadaaaa!: ich merke immer öfter, daß wenn sie (blind) beim Gassi mit den Anderen mal versehentlich anstößt, sie anfängt denen auszuweichen, drumherumzulaufen, oder die Treppe schnell wieder 1-2 Stufen zurück runterzugehen, statt nach dem Anderen zu schnappen. Ein Meilenstein, der mir Hoffnung gibt auf NOCH mehr *gg (jaja, der Mensch ist unersättlich.....
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Ich kann sie definitiv (noch? *gg) NICHT mit den anderen beiden alleinlassen, weil sie einfach schlechte Vorerfahrungen mit anderen Hunden hatte, und nach wie vor drauf gehen würde, und ich würde sie nie zu fremden Sittern geben, nicht zuletzt, weil der "gechillte" Eindruck, den sie mit mir unterwegs vermittelt, wie oben schon beschrieben von jemandem, daraus resultiert, daß ICH ihr die Sicherheit gebe, die sie aber bei Anderen nicht hätte. Aber: von "nie wieder so nen Hund" bin ich inzwischen meilenweit weg. Man kann gut mit ihr leben, der Umgang mit ihr ist automatisiert, ich muß nicht mehr 100 Meilen im Umkreis auf Fremdhunde scannen, ich habe gelernt, zu blocken, und gehe mit ihr weitestgehend belästigungsfrei auch durchs Auslaufgebiet. Das Coolste: wir passieren inzwischen pöbelnde Hunde kommentarlos und entspannt *yeah...... Wie schön, wieder über andere pöbelnde Hunde lästern zu können......